Zwischen Leidenschaft und Verlust: Züchter berichtet über die Schattenseiten der Körung


Bild vergrößern Pferdezucht: Ein Spannungsfeld zwischen Leidenschaft und Preisdruck. Wir haben mit einem Züchter über die aktuelle Situation gesprochen.

Pferdezucht: Ein Spannungsfeld zwischen Leidenschaft und Preisdruck. Wir haben mit einem Züchter über die aktuelle Situation gesprochen. (© Christiane Slawik)

Ein junger Züchter aus Schleswig-Holstein spricht anonym über steigende Kosten, sinkende Nachfrage und die Realität moderner Körungen. Ein offener Blick hinter die Kulissen der Pferdezucht.

Nach unserer ausführlichen Heftreportage über das Thema Körungen im Spannungsfeld zwischen Tradition, Tierwohl und wirtschaftlichem Druck, haben wir weiter recherchiert. Dieses Mal kommt jemand zu Wort, der das System von innen kennt: ein junger Züchter in zweiter Generation aus Schleswig-Holstein, der seinen Namen nicht öffentlich nennen möchte. Im Gespräch mit Hooforia spricht er offen über steigende Kosten, verlorene Perspektiven und den Widerspruch zwischen Ideal und Realität. Ein ehrlicher Einblick in eine Zuchtwelt, die sich neu sortieren muss.

Hooforia: Du züchtest ja in zweiter Generation und führst auch einen größeren Pensionsstall. Wie sieht Dein Betrieb aktuell aus?

Züchter: Ich habe den Hof meines Vaters übernommen. Wir haben mehr als 80 Pferde, davon die meisten Pensionspferde. Die Zucht läuft parallel, aber nicht mehr in dem Umfang wie früher. Früher war das alles noch „klassisch“ mit Körung, Vorbereitung, Verkauf – heute ist das schwieriger geworden. Wirtschaftlich ist das kaum noch rentabel. Die Kosten sind hoch, die Nachfrage nach gekörten Hengsten ist zurückgegangen, viele kleinere Züchter hören auf.

Hooforia: Wir beschäftigen uns aktuell viel mit dem Thema Körungen. Welchen Nutzen hat sie in Deinen Augen heute noch – für Züchter, Käufer und die Gesellschaft?

Züchter: Der Nutzen ist zwiespältig. Natürlich ist die Körung immer noch ein Aushängeschild für den Züchter. Wenn Du einen gekörten Hengst hast, ist das Prestige – und Du hast theoretisch die Chance auf einen höheren Verkaufspreis. Aber die Realität ist: Das lohnt sich nur selten. Ein gekörter Hengst kann vielleicht für 20.000 Euro verkauft werden, aber die Vorbereitung kostet bis dahin schon fast genauso viel – Futter, Aufzucht, Stall, Arbeit. Wenn Du Pech hast, wird er nicht gekört, dann hast Du ein überdrehtes, teures Pferd, das Du kaum loswirst.

Hooforia: Wie hat sich das Züchterdasein im Vergleich zu Deinem Vater verändert?

Züchter: Früher war das alles einfacher. Mein Vater hat die Zucht mit Leidenschaft gemacht, aber auch mit anderen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Damals gab es Reiter, die froh waren, wenn sie überhaupt Pferde zum Reiten hatten. Die haben die Kosten geteilt, und wenn ein Pferd verkauft wurde, haben beide etwas davon gehabt. Heute macht das keiner mehr. Die Leute können sich Boxen kaum noch leisten, es gibt keine Reiter, die Pferde kostenlos fördern, und als Züchter bleibst Du auf allem sitzen.

Schöner Anblick, aber nicht so einfach zu bezahlen: Viele Pferdezüchter können sich die Ausbildung der Junghengste bis auf Körungs-Niveau nicht mehr leisten.

Schöner Anblick, aber nicht so einfach zu bezahlen: Viele Pferdezüchter können sich die Ausbildung der Junghengste bis auf Körungs-Niveau nicht mehr leisten. (© Christiane Slawik)

Hooforia: Was bedeutet das wirtschaftlich für Dich?

Züchter: Es ist schwierig. Wenn Du jedes Jahr Verlust machst, sagt das Finanzamt irgendwann: Das ist Liebhaberei. Das funktioniert so leider auch nicht. Ich mache das, weil ich’s liebe – aber es lohnt sich nicht. Viele kleine Züchter geben deswegen auf. Auch ich werde die Zucht nur noch aus eigenem Interesse in sehr kleinem Rahmen fortführen. Für kommendes Jahr erwarte ich erstmals kein Fohlen.

Hooforia: Was wäre aus deiner Sicht nötig, um Züchter zu entlasten?

Züchter: Es müsste wieder mehr Unterstützung geben – vom Verband, vom Staat oder über bessere Rahmenbedingungen. Momentan lohnt sich das Ganze nur für große Namen oder für die, die sich die Zucht als Hobby leisten können.

Hooforia: Wie nimmst du die Körungen heute wahr?

Züchter: Ganz anders als früher. Früher war das ein Riesenevent, gerade in Neumünster bei den Holsteinern – da kamen hunderte Leute, potenzielle Käufer, Züchter, Zuschauer. Heute steht dort kaum noch jemand. Früher war der Verkauf auf der Körung ein echtes Geschäft. Heute bekommst Du für einen ungekörten Hengst fast nichts mehr. Selbst für gute Dreijährige ist es schwer, Käufer zu finden.

Hooforia: Wie erlebst Du die Konkurrenzsituation – und was hat sich durch die Verbesserungen fürs Pferdewohl bei den Körungen wirklich verändert?

Züchter: Die Konkurrenz ist enorm. Viele große Stationen fangen genauso früh mit der Vorbereitung an wie früher, auch wenn die Körungen offiziell etwas später im Jahr stattfinden. In der Praxis hat sich dadurch nichts geändert. Die Pferde werden weiterhin früh reingeholt, weil jeder Angst hat, den Anschluss zu verpassen. Das ist der eigentliche Widerspruch: Auf dem Papier wurde etwas fürs Pferdewohl getan, in der Realität bleibt der Druck derselbe. Und das Schlimme ist: Keiner will ein präpariertes Pferd sehen, aber wenn ein Pferd normal springt, rufen alle Buh. Am Ende erwarten alle die perfekte Show – und genau das führt wieder zu dem, was man eigentlich vermeiden wollte. Hier bei uns in der Region war es irgendwann auch nicht mehr möglich, Aufzucht oder Ausbildung anzubieten. Wir hatten ständig Ärger mit Spaziergängern, die die Pferde füttern oder über Zäune steigen. Selbst bei Doppelzäunen mit Strom hatten wir  Leute auf der Koppel. Da vergeht einem irgendwann die Lust. Auch die allgemeine Gesellschaft müsste für den Umgang mit Pferden sensibilisiert werden.

Hooforia: Wenn Du auf die heutige Situation blickst – was bedeutet Zucht für Dich noch?

Züchter: Es ist Leidenschaft. Aber ehrlich: Es ist schwer geworden. Wir alle lieben Pferde, und jeder sagt, wie wichtig Zucht und Sport sind – aber es funktioniert wirtschaftlich nicht mehr so, wie es mal war. Ich mache es weiter, weil ich’s nicht anders kann. Aber wenn ich heute anfangen müsste, würde ich es mir gut überlegen.

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