Dr. Andreas Franzky ist Vorsitzender der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz e.V. (TVT) und Fachtierarzt für Öffentliches Veterinärwesen. Mit HOOFORIA-Autorin Aline Müller spricht er über das Update der Leitlinien und ihre Umsetzung in der Pferdehaltung.
Als Mitglied in der Redaktionsgruppe wirkt Dr. Andreas Franzky an der Überarbeitung der „Leitlinien zur Beurteilung von Pferdehaltungen unter Tierschutzgesichtspunkten“ und zum „Tierschutz im Pferdesport“ des BMEL mit.
Es gibt Überarbeitungsbedarf
Warum sehen Sie die Überarbeitung der Leitlinien als nötig an und was ist bisher bereits in Bezug auf die Überarbeitung geschehen?
Seit der letzten Überarbeitung der Leitlinien 2009 hat es viele neue wissenschaftliche Erkenntnisse und praktische Erfahrungen gegeben, die eine Aktualisierung der Leitlinien erforderlich machen. Seitens des BMEL hat es leider keine Aktivitäten in Bezug auf eine Überarbeitung gegeben. Die Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz e.V. (TVT) hat deshalb im Rahmen eines Positionspapieres zu den Leitlinien genau den Überarbeitungsbedarf herausgestellt. Dabei wurde insbesondere auf die zwischenzeitlich erfolgte Rechtsprechung hingewiesen, denn es hat seit 2009 eine ganze Reihe von Gerichtsentscheidungen zur Rechtmäßigkeit der Leitlinien im Hinblick auf die Pferdehaltung gegeben.
Es gibt immer wieder Diskussionen über die praktischen Anforderungen und Umsetzbarkeit der Leitlinien. Wo sehen Sie die größten Herausforderungen für die Pferdehalter in Bezug auf deren Umsetzung?
Die Leitlinien beschreiben keine „Wellnesshaltung“, sie stellen die Mindestanforderungen dar, unter denen Pferde gehalten werden müssen, damit dies im Einklang mit dem Tierschutzgesetz erfolgt. Das Tierschutzgesetz sieht keine Abwägung vor, ob sich ein Tierhalter seine Tierhaltung „leisten“ kann oder nicht. Jeder Tierhalter hat sicherzustellen, dass den Tieren keine Schmerzen, Leiden oder Schäden zugefügt werden. Die Leitlinien bieten dabei eine Orientierungshilfe, die genauso von den Haltern als auch von den Veterinärbehörden genutzt werden kann.
Die Gerichte haben die Leitlinien bereits vielfach als „antizipiertes Sachverständigengutachten“ ihren Entscheidungen zugrunde gelegt. Die Leitlinien stellen die Pferdehalter auch nicht vor unüberwindbare Anforderungen, oftmals sind es einfache oder auch Management bedingte Lösungen, die eine pferdegerechte Haltung ermöglichen können. Die Leitlinien existieren seit 2009, insofern besteht seit vielen Jahren die Möglichkeit sich über den Stand der Dinge zu informieren und Haltungsbedingungen entsprechend anzupassen.
Was sagen Sie zu der Kritik, dass die Leitlinien zur Pferdehaltung und -nutzung oft als zu theoretisch angesehen werden und nicht genug auf die praktischen Realitäten der Pferdehalter eingehen?
Diese Kritik kann ich so nicht nachvollziehen, denn es gibt ja sehr wohl viele Pferdehaltungen in denen die Leitlinien keineswegs nur theoretisch, sondern sehr wohl auch praktisch umgesetzt und eingehalten werden. In den Leitlinien geht es in erster Linie um das Pferdewohl und die Frage, was ein Pferd braucht, um seinem Bedarf und Bedürfnis entsprechend verhaltensgerecht leben zu können.
Hinzu kommt, wie ich mit einem Pferd umgehen, es ausbilden und trainieren muss, damit es die geforderten Leistungen ohne Stress, Angst und Überforderung erbringen kann. Die Leitlinien sind ja kein Gesetz oder keine Verordnung und können daher viel einfacher überarbeitet, ergänzt oder geändert werden. Jeder hat hier die Möglichkeit sich an der Gestaltung einzubringen, wie es die Fachverbände (z.B. FN, VFD) und die Tierschutzverbände (z.B. TVT, Deutscher Tierschutzbund) auch getan haben und bei einer Überarbeitung tun werden.
Dr. Andreas Franzky: „Artgerecht kann eine Pferdehaltung nicht sein“
Die Leitlinien sind nicht gesetzlich bindend. Sollte es in Zukunft verbindlichere gesetzliche Vorgaben zur Pferdehaltung geben, um Tierschutzstandards durchzusetzen?
Gesetzliche Vorgaben in Form eines Gesetzes oder einer Verordnung zur Pferdehaltung oder -nutzung werden wir sicher nicht bekommen, da haben andere Tierarten eine größere Priorität. Ich halte zudem solche vom BMEL herausgegebenen Leitlinien für viel besser, da sie viel flexibler in der Aktualisierung sind und sie in vielen Bereichen Auslegungs- und Ermessensspielräume erlauben, die es in der Regel bei Gesetzen und Verordnungen nicht gibt.
Aktuell stehen Reitsport aber auch Pferdehaltung mehr und mehr in der Kritik. Was können oder sollten auch hier die Leitlinien beitragen, um das Pferdewohl zu sichern?
Es gibt, wie in anderen Bereichen der Tierhaltung auch, NGO´s, die grundsätzlich jede Nutzung von Tieren kompromisslos ablehnen, unabhängig davon, ob Gesetze, Verordnungen und/oder Leitlinien eingehalten werden. Leider gibt es auch immer wieder Negativbeispiele der Vernachlässigung in der Haltung und/oder des missbräuchlichen Umgangs bei der Nutzung von Pferden. Erfahrungsgemäß sind solche Missstände in einer Überforderung sowie Fehleinschätzung und/oder mangelnder Kenntnisse und Fähigkeiten der Pferdehalter und Nutzer begründet. Hier können die Einhaltung der Leitlinien mit Sicherheit viel Leid und öffentliche Kritik vermeiden.
In den Leitlinien wird oft von „artgerechter Haltung“ gesprochen. Wie definieren Sie diesen Begriff im Kontext von Sportpferden und wie lässt sich dies mit den hohen Anforderungen im Turniersport vereinbaren?
Artgerecht kann eine Pferdehaltung nicht sein, da sie immer mit Einschränkungen für das Pferd verbunden ist. Wir sprechen daher immer von einer „artgemäßen“ oder „pferdegerechten“ Haltung. Pferdegerecht kann eine Haltung nur sein, wenn die Pferde ihre arteigenen Bedürfnisse und Verhaltensweisen ausleben können. Dazu zählen unter anderem der Sozialkontakt zu anderen Pferden (Herdentiere), das Bewegungsverhalten (freie Bewegung) oder das Fressverhalten (Fresspausen maximal vier Stunden). Diese Kriterien sind natürlich auf alle Pferde anzuwenden, egal ob es sich um Freizeit- oder Sportpferde handelt.
Gerade die Haltung von vielen Sportpferden muss immer wieder kritisch gesehen werden, wenn die ethologischen Grundbedürfnisse eben nicht eingehalten werden. Auch für Sportpferde gelten die Leitlinien uneingeschränkt. Es gibt ja erfreulicherweise immer mehr positive Beispiele, auch bei den Turnierpferden, nur sind es leider immer noch zu wenige.
Die Tatsache, dass ein Pferd im Sport eingesetzt wird, rechtfertigt keine defizitäre Haltung. – Dr. Andreas Franzky –