Ist barhuf oder ein Hufschutz besser fürs Pferd? Diese Frage spaltet die Reitergesellschaft in zwei Extreme. Doch so wie ein Sattel, der individuell aufs Pferd angepasst wird, sollte auch die Hufbearbeitung und gegebenenfalls der Hufschutz auf das jeweilige Pferd abgestimmt werden.
Es gibt Pferdebesitzer und Hufexperten, die jede Form des Hufschutzes, vom Eisen über einen Klebeschuh bis hin zu Hufschuhen, kategorisch ablehnen. Ein Pferd muss für sie zwangsläufig barhuf laufen. Doch auch das andere Extrem –
das prophylaktische Beschlagen jedes Reitpferdes – ist an nahezu jedem Stall zu finden. Beim Thema Hufschutz gibt es kein richtig oder falsch, vielmehr ist die Entscheidung und die Wahl des passenden Hufschutzes von dem individuellen Pferd abhängig. Ob ein Pferd barhuf laufen kann oder einen Hufschutz benötigt, hängt von der Haltung, den Leistungsanforderungen und Bedingungen im Training, der Hufqualität sowie von möglichen Fehlstellungen oder Erkrankungen ab.
Der Hufschutz: Barhuf oder Beschlag?
Unbestritten ist und bleibt, dass das Barhuflaufen generell gesünder und artgerechter fürs Pferd ist. Aus diesem Grund gilt auch beim Thema Hufschutz die Devise: „So viel wie nötig, so wenig wie möglich.“ Häufig ist es jedoch immer noch gang und gäbe, dass ein Jungpferd zu Beginn der Ausbildung beschlagen wird – weil sich das eben so gehöre. In vielen Fällen ist dieser Hufschutz jedoch nicht notwendig und sollte unbedingt mit einem Fachmann abgestimmt werden.
Strenge Befürworter des Barhuflaufens begründen wiederum häufig ihre Haltung damit, dass Wildpferde schließlich auch keinen Beschlag hätten. Wildpferde könnten auch bei harten und steinigen Bodenverhältnissen große Strecken ohne Hufschutz problemlos zurücklegen. Jedoch ist der Verzicht auf den Hufschutz mit Verweis auf das Leben der Wildpferde kritisch zu betrachten. Zum einen unterscheiden sich die Hufe domestizierter Hauspferde von denen wildlebender Pferde und sind meist weniger robust und abriebfest. Zum anderen sind die Haltungsbedingungen gänzlich andere.
Idealerweise im Gleichgewicht
Im Durchschnitt wächst das Horn bei einem Warmblut etwa sechs bis acht Millimeter in vier Wochen. Ob ein Pferd einen Hufschutz benötigt, hängt von dem Verhältnis zwischen Hornabrieb und -wachstum ab. Ist dieses ausgeglichen, so kann das Pferd problemlos barhuf gehalten und geritten werden. Aufgrund der zusätzlichen Belastung durch das Reitergewicht sowie die veränderten Haltungsbedingungen kann der Huf gegebenenfalls den Leistungsanforderungen nicht mehr standhalten, und es kommt zu einem höheren Abrieb als Hornwachstum.
Bei langen Ausritten über harten und teilweise steinigen Boden kann ein Hufschutz notwendig werden. (© Christiane Slawik)
In einem solchen Fall benötigt ein Pferd entweder einen Hufschutz, oder die Nutzung des Pferdes muss eingeschränkt werden. Bei zu hohem Abrieb werden die Hufe des Pferdes zu kurz, und es beginnt auf hartem oder steinigem Boden „fühlig“ zu laufen – dies bedeutet, dass es besonders vorsichtig läuft, so, als würden ihm die Hufe wehtun. Da Pferde jedoch still leiden, registrieren manche Besitzer gar nicht, was sie ihrem Pferd mit dem Barhuflaufen antun.
Einfluss der Bodenbedingungen auf den Hufschutz
Die Grenzen des Barhuflaufens sind von vielen Faktoren abhängig und von Pferd zu Pferd verschieden. Auch die Hufform entscheidet darüber, ob ein Pferd einen Hufschutz benötigt. Durch unterschiedliche Bodenverhältnisse und einen erhöhten Abrieb werden verschiedene Reize fürs Hornwachstum gegeben. Der Huf passt sich sozusagen den Bodenverhältnissen an. Dies dauert jedoch eine längere Zeit – meist länger, als es die Geduld des Besitzers zulässt.
Generell sind unterschiedliche Bodenreize in der Haltung förderlich für die Hufe, in einigen Haltungsformen besteht jedoch die Gefahr für einen höheren Hornabrieb: Beispielsweise sind in vielen modernen Offenstallanlagen die Bereiche um die Heuraufen gepflastert oder betoniert. Außerdem gibt es auch große Unterschiede in der Qualität des Sandes: Einige verursachen wenig Abrieb, wohingegen andere Körnungen das Horn nahezu abschmirgeln.
Eisen? Kunststoff? Schuh? Welcher ist der passende Hufschutz?
Neben den traditionellen Hufeisen aus Eisen gibt es mittlerweile eine Vielzahl an Hufschutzvarianten mit unterschiedlichen Vor- und Nachteilen: zum einen die permanenten Varianten wie Hufeisen unterschiedlichster Art – aus Stahl, Aluminium oder Kunststoff, zum Nageln oder Kleben – und zum anderen den temporären Schutz durch Hufschuhe.
Die Art des Hufschutzes hängt dabei von den Anforderungen an das Pferd ab: Ein Westernpferd benötigt spezielle Eisen für einen Sliding Stop, ein Springpferd benötigt Eisen mit viel Grip, ein Distanzpferd ist mit einem stoßdämpfenden Kombibeschlag meist gut beraten und Kutschpferde brauchen einen sehr verschleißfesten und rutschfesten Beschlag. Hingegen benötigt ein Freizeitpferd möglicherweise nur bei einem längeren Ausritt einen Schutz für die Hufe.
Eigentlich ist dies selbstverständlich, aber noch einmal erwähnenswert: Der Hufschutz wird an den Huf angepasst – nicht andersherum! Ein Hufschutz dient der Verringerung des Hornabriebs und dem Schutz der Sohle, kann jedoch nur in wenigen Fällen reelle Stellungskorrekturen vornehmen. Außerdem sollte die Art des Hufschutzes zu den Bedürfnissen von Pferd und Reiter passen und die Anforderungen der jeweiligen Haltungsform erfüllen. So sind in vielen Herdenhaltungen keine traditionellen Eisen, sondern lediglich Kunststoffbeschläge an den Hinterhufen erlaubt.
Hufeisen
Nach wie vor sind traditionelle Hufeisen aus Metall der weit verbreitetste Hufschutz. Mittlerweile sind sie aus verschiedenen Materialien wie Stahl oder Aluminium sowie in verschiedenen Formen und Stärken erhältlich. Hufeisen schützen den Huf vor hohem Abrieb und stabilisieren den gesamten Huf. Die Eisen werden mit vier bis acht Hufnägeln an den Huf genagelt und sollten je nach Hufwachstum und Abnutzung des Eisen alle vier bis acht Wochen erneuert werden.
Ein großer Vorteil der Eisen ist die millimetergenaue individuelle Anpassung durch den Hufschmied. Sie haben jedoch den Nachteil, dass sie keine dämpfende Wirkung haben, die Gleitphase besonders auf Asphalt künstlich verlängern und auf harten Böden eine Vibration erzeugen, die sich negativ auf den Bewegungsapparat auswirken kann.
Hufeisen stabilisieren den ganzen Huf, ihnen fehlt jedoch jede dämpfende Wirkung. (© Ilja van de Kasteele)
Hufschuhe
Längst sind Hufschuhe kein exotisches Randprodukt mehr, und es gibt sie in den unterschiedlichsten Formen, Farben und Ausführungen. Sie sind ein temporärer Hufschutz und werden nur bei Bedarf angezogen, beispielsweise bei einem längeren Ausritt. Dies hat den großen Vorteil, dass das Pferd weiterhin barhuf laufen kann und so der Hufmechanismus nicht langfristig eingeschränkt wird.
Da Hufschuhe nur bedingt verstellt werden können, ist eine gute Passform entscheidend: Sind die Hufschuhe zu locker, gehen sie in einer höheren Gangart oder bei matschigen Bodenverhältnissen schnell verloren. Sind sie hingegen zu eng, sind unangenehme Druck- und Scheuerstellen die Folge. Auch für die Umstellung von Eisen auf barhuf sind Hufschuhe eine gute Lösung. In der Anschaffung sind Hufschuhe teurer als ein Eisenbeschlag, halten jedoch auch wesentlich länger.
Hufschuhe können nur bei Bedarf verwendet werden. Eine gute Passform ist hier entscheidend. (© Ilja van de Kasteele)
Klebeschuh
Da Hufnägel kleine Verletzungen in der Hufwand verursachen, dürfen sie nur von einem Fachmann eingesetzt werden. In manchen Situationen ist ein Beschlagen mit Nägeln aber nicht möglich, da eine gewisse Hornstabilität benötigt wird. Ist diese aufgrund von White Line Disease, ausgebrochenem Horn oder hohlen Tragwänden nicht gegeben, kann ein Klebebeschlag die Lösung sein.
Auch bei einer Hufrehe können Klebeeisen sinnvoll sein, da sich ein normaler Beschlag aufgrund der Nagellöcher nicht unendlich oft erneuern lässt und manchmal kurze Beschlagsintervalle notwendig sind. Die ersten Modelle der Klebeeisen hielten häufig nicht allzu lange. Durch stetige Weiterentwicklung in den letzten Jahren ist ein fachmännisch angebrachter Klebebeschlag nun auch eine gute Alternative zu einem genagelten Beschlag.
Wenn Hufnägel unerwünscht oder keine Option sind, ist ein Klebebeschlag eine gute Alternative. (© Ute Nevel)
Kombibeschlag
Ein Kombibeschlag besteht aus einem Stahlkern mit einer Kunststoffummantelung, beispielsweise werden häufig die abgebildeten Duplos verwendet. Dieser Beschlag gleicht einige der Nachteile der Metall-Eisen aus: Er wirkt stoßdämpfend, erzeugt keine verlängerte Gleitzeit und hat ein sehr geringes Gewicht. Ein weiterer großer Vorteil ist auch das geringere Verletzungsrisiko, weshalb die Duplos häufig auch für die Hinterhufe von Pferden in Herdenhaltung verwendet werden.
Ein Nachteil des Kombibeschlags ist hingegen die fehlende Möglichkeit der individuellen Anpassung. Es gibt zwar einige Größen und Formen, jedoch können sie nur unwesentlich auf den einzelnen Huf angepasst werden. In höheren Gangarten auf rutschigem Boden bieten sie dem Pferd außerdem weniger Halt als Metall-Eisen.
Der Kombibeschlag gleicht die Nachteile des Hufeisens aus, lässt sich allerdings weniger individuell anpassen. (© Ilja van de Kasteele)
Entscheidungshilfe: Wenn´s um den Huf geht
Es gibt einige grundsätzliche Fragen rund um den Huf, die man sich als Pferdebesitzer immer wieder stellt. Das sagen unsere Experten dazu.
Barhuf oder Hufeisen?
Einen klaren Standpunkt vertritt Uwe Lukas: „Der beste Beschlag ist der, den ein Pferd nicht braucht!“ Der erfahrene Hufschmied ist sich sicher: Jedes Pferd kann so lange ohne Beschlag gehen, bis der Huf zu kurz ist oder der Mensch das Pferd mehr nutzen möchte, als ein Barhuf das aushält. „Ich bin eher Minimalist und empfehle auch öfters mal eine Zeit ohne Beschlag“, fügt er hinzu.
Auch in den Augen von Dr. Appelbaum ist der Hufbeschlag „ein notwendiges Übel“. Er weist aber auch daraufhin, dass es grundsätzlich im Sinne des Pferdes abzuwägen gilt: „Meiner Meinung nach kann man weder das eine noch das andere völlig ablehnen, schließlich wird das gleiche Ziel verfolgt: die Erhaltung der Hufgesundheit.“ Der Hufbeschlag werde bereits seit Jahrhunderten praktiziert und habe auch seine Berechtigung, betont der Veterinär. Um den Huf vor Abrieb zu schützen, gebe es keine geeignete Alternative, sonst wäre diese schon erfunden worden.
Hufschutz ist oberstes Ziel – auch im Rennsport
Aus der sportlichen Nutzung des Pferdes ist der Beschlag nicht wegzudenken, im Galopprennsport ist er sogar laut Rennordnung vorgeschrieben. Zudem ist der orthopädische Hufbeschlag wichtiger Bestandteil bei der Behandlung von Erkrankungen des Bewegungsapparates des Pferdes, nicht zuletzt wirken sich Fehlstellungen der Gliedmaßen – also der Knochen und Gelenke – ebenfalls auf die Form des Hufes aus.
Nicht selten wird auch versucht, mithilfe des Beschlags das Gangbild des Pferdes zu beeinflussen. Auch hier sieht Uwe Lukas aber klare Grenzen: „Ich lehne es ab, irgendwelche obskuren Hufeisenprothesen an einen Huf anzubringen, um zum Beispiel mehr Trabmechanik zu erreichen. Das ist nicht unser Job! Wir haben den Auftrag, Pferde gesund zu erhalten und nicht, sie zu zerstören.“
Beschlag und der Hufmechanismus
Ein häufiges Argument der Barhuf-Befürworter: Das Hufeisen schränke den Hufmechanismus ein. Dazu sagt Dr. Appelbaum: „Die horizontale Bewegung der Hufkapsel im Sinne des Hufmechanismus’ wird durch den regelmäßigen Hufbeschlag nicht grundsätzlich behindert. Beim Barhuf trägt der Strahl bereits im Stand in gewissem Maße mit. Beim beschlagenen Huf ist in der Regel durch das Hufeisen ein gewisser Abstand zwischen Strahl und Untergrund entsprechend der Dicke des gewählten Hufeisens gegeben.“
Dadurch sei ein vermehrtes Absinken des Strahls und eine vermehrte Abflachung des Sohlengewölbes bei gleichzeitiger seitlicher Erweiterung der Hufkapsel möglich. Was allerdings die vertikale Hufbewegung angeht, sprich die Anpassung an den Untergrund durch das Heben und Senken der Ballen, sieht Dr. Appelbaum diese durch das Hufeisen behindert, weil ein einseitiges Absenken oder Hochdrücken der Ballen nicht möglich ist.
Hufschutz: Beschlagsintervalle und Barhufpflege
Grundsätzlich ist es beim Hufbeschlag unverzichtbar, die Beschlagsintervalle individuell an die Bedürfnisse des Hufes anzupassen und nicht pragmatisch an einem einmal festgelegten Zeitplan festzuhalten. Gleiches gilt auch für die Intervalle der Barhufpflege.
Der Barhuf ist die natürlichste Form – sofern es die individuellen Nutzungs- und Haltungsbedingungen zulassen. Eines gibt Dr. Appelbaum aber zu bedenken: „Plant der Besitzer, seinem jahrelang beschlagenen Pferd die Eisen abnehmen zu lassen, sollte dieser Schritt nicht unüberlegt geschehen. Idealerweise berät man sich zuvor mit seinem Hufschmied und/oder Tierarzt. Nicht selten habe ich Pferde gesehen, die mit dieser spontanen Veränderung nicht zurechtkamen.“
Für den Hufschutz: Hufschmied oder Hufbearbeiter?
„Während der „staatlich geprüfte Hufbeschlagsschmied“ eine mehrjährige Ausbildung absolvieren muss, ist der „Hufpfleger“ nicht als Ausbildungsberuf anerkannt. Verschiedene Institutionen bieten mittlerweile Lehrgänge an, deren Inhalte sind aber nicht einheitlich geregelt. Auch Dr. Appelbaum gibt die mangelnde Transparenz zu bedenken: „Für den Hufpfleger gibt es keine Grundvoraussetzungen, der Schmied hat sein Handwerk hingegen von der Pike auf gelernt.
Außerdem ist unklar, inwiefern der Hufpfleger versichert ist. Ein staatlich geprüfter Hufbeschlagsschmied geht mit seinen Kunden einen Werkvertrag ein, muss also für eventuelle Fehler haften.“ Grundsätzlich habe er mit Hufpflegern bisher positive und negative Erfahrungen gemacht: „Egal bei welchem Aspekt rund um den Huf: Es darf niemals in Schubladen gedacht werden, das dient der Sache nicht.“
Auch Uwe Lukas stimmt dem zu: „Ich habe kein Problem mit Hufpflegern oder anderen Berufsbezeichnungen, solange sie eine ordentliche und fachlich gute Arbeit abgeben. Diese Arbeit darf nämlich nicht nach ideologischen Ausbildungsinhalten ausgeführt werden, sondern muss sich eng an der Anatomie des Pferdes und im Besonderen der Hufe orientieren.“
Was macht einen guten Hufschmied aus?
„Für mein Pferd nur das Beste“, diesen Anspruch hat wohl jeder Pferdebesitzer. Gerade wenn es um die Gesundheit des Pferdes geht, ist Vertrauen in die Fähigkeiten der behandelnden Person wichtig. Das gilt auch für den Hufschmied! Dr. Appelbaum sagt: „Ein gut ausgebildeter Hufschmied, der sein Handwerk versteht, wird grundsätzlich mit jeder Aufgabenstellung zurechtkommen. Entscheidend ist, dass die Zusammenarbeit zwischen Hufschmied und Tierarzt auf Augenhöhe erfolgt und die Kommunikation stimmt.“
Der direkte Austausch zwischen beiden Parteien sei für ihn auch daher so wichtig, weil er als Tierarzt den Huf nur in einer Momentaufnahme kenne. „Der Hufschmied kann mir dagegen sagen, wie sich der Huf in der Bearbeitung verhält, was geht – und was nicht. Daher ist ein konstruktiver Dialog gefragt!“
Uwe Lukas legt Wert auf die persönliche Einstellung: „Ein/e gute/r HufschmiedIn kann nur sein, wer seine Arbeit liebt und lebt. Er oder sie betrachtet das Pferd in der Gesamtheit und nicht nur die Hufe.“ Für ihn sei jeder falsch am Platz, der nur am Pferd arbeite, um Geld zu verdienen. „Wer aber seine Arbeit gut und fachlich ordentlich macht, wird im Moment nicht verhungern können, der Markt an guten Hufschmieden ist relativ eng“, fügt er hinzu.