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Ein Pferdebuch, das bewegt: Eine Sprache der Liebe


Bild vergrößern Hubertus Graf Zedtwitz und Loretta Würtenberger

Hubertus Graf Zedtwitz und Loretta Würtenberger bei ihrer Buchvorstellung an der Spanischen Hofreitschule in Wien. (© Ludwiga von Korff)

Eine Kunstexpertin und ein Grand Prix-Trainer. Ein Buch über Pferde, das auch über Menschen spricht. Loretta Würtenberger und Hubertus Graf Zedtwitz erzählen von der Reitkunst als Sprache der Liebe – und warum das Pferd ein Lehrer der Seele ist.

Bald beginnen die ersten Lesungen für ihr Pferdebuch „Eine Sprache der Liebe“. Berlin, Balve, Wien, Hamburg… Jetzt aber sitzen Loretta Würtenberger und Hubertus Graf Zedtwitz im Bistro Zicke in Düsseldorf – die Kunstexpertin, Juristin und ambitionierte Reiterin mit ihrem Reitlehrer, einem international gefragten Grand Prix-Ausbilder und Soziotherapeuten. Zwei, die eine Sprache sprechen. Mal sehen, wohin dieses nun folgende Gespräch führt.

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Würtenberger und Zedtwitz über Kunst

Hooforia: Ein Pferdebuch über Reiterei, Liebe und Selbstführung – wie kommt man auf so eine Kombination?

Loretta Würtenberger (LW): Hubertus und ich kommen aus völlig unterschiedlichen Welten. Er ist international im Reitsport aktiv, ich bin eine ambitionierte Amateurin, mit vielen anderen beruflichen Feldern.
Hubertus Graf Zedtwitz (HGZ): (lacht) Ja, mit vielen Spielfeldern. Loretta reitet nicht, weil sie sonst nichts macht. Sie schält sich ihre Reitstunden mühsam aus dem Alltag.
LW: Es ist eine tiefe Leidenschaft. Mit Hubertus könnte man aber auch nicht halbherzig trainieren. Er fordert dieses Commitment ein. Und ich habe mich entschieden: Wenn ich das mache, dann richtig.

Cover „Eine Sprache der Liebe“

Eine Sprache der Liebe von Loretta Würtenberger und Hubertus Graf Zedtwitz, im Buchhandel erhältlich für 24 Euro. (© Matthes & Seitz Berlin)

Aber wie entstand Ihre Verbindung zur Kunstwelt, die Sie in „Eine Sprache der Liebe“ beschreiben?

LW: Ich arbeite im Kunstbereich. Und ich hätte nie gedacht, dass ich diese Welt mit meiner Reitleidenschaft verknüpfen kann. Doch als wir uns kennenlernten, fand ich in Hubertus plötzlich ein Gegenüber, mit dem ich über Philosophie und Kunst sprechen konnte – ganz natürlich. Das hatte ich im Reitkontext noch nie erlebt. Und er wiederum hatte Gedanken, die er über Jahrzehnte mit sich herumgetragen hatte, aber nie mit jemandem teilen konnte – weil die gemeinsame Sprache dafür fehlte.

Was genau hat gefehlt, Herr Zedtwitz?

HGZ: Viele Sportreiter streben danach, am nächsten Wochenende 70 Prozent zu reiten – das ist okay. Den Ehrgeiz teile ich. Aber es geht mir um mehr. Das berühmte Wort „holistisch“ trifft es: Reiten als ganzheitlicher Prozess. Es ist eine Charakterbildung, eine innere Reise. Wer gut reiten will, muss bei sich selbst graben, an sich arbeiten.
LW: Wir sind tief in die Geschichte der Reiterei und in die Literaturgeschichte eingestiegen. Wenn man Gustav Steinbrecht liest, sieht man: Die Sprache war einst durchlässiger zwischen reiterlicher Fachliteratur und Literatur. Das Pferd war immer auch psychologisches, soziologisches und politisches Symbol für den Menschen, für die Seele des Menschen. Theodor Fontane etwa beschreibt die Pferde von Effi Briest mit einer Präzision, die heute verloren ist. Das zeigen wir in dem Pferdebuch – und erzählen zugleich eine emotionale Geschichte, unsere persönliche Geschichte mit der Stute Grace und miteinander.

„Eine Sprache der Liebe“ ist tiefgründig

HGZ: Wenn man sich die Fachmagazine der 60er ansieht, findet man dort richtig gut geschriebene und fachlich profunde Artikel. Und danach wurde vieles seichter, weil die Leute serviceorientierter wurden. Und das empfinde ich im Übrigen auch bei den Sportreitern so.

Wie haben Sie beide sich gesucht und gefunden?

LW: Zum Ende der Corona-Zeit. Ich war auf der Suche nach einem Trainer in Berlin, ein Freund gab mir Hubertus’ Nummer.
HGZ: Ich stand auf dem Kirchhof in Düsseldorf und bekam einen Anruf von jemandem, der sagte: „Ich bin in Berlin und möchte gerne Unterricht haben.“ Dann habe ich erst mal gefragt, ob sie sich das überlegt hätte – ich sei ja schwierig. (beide lachen) Aber im Ernst, ich lehne Reiter ab, wenn ich merke, dass es nicht passt. Ich will keine Servicepartnerschaft. Ich will echte Entwicklung.

Warum haben Sie sich darauf eingelassen?

LW: Ich habe erst mit Anfang 20 mit dem Reiten begonnen. Ich komme aus einer ländlichen Familie, mein Vater war ein sehr guter Reiter. Aus diversen Gründen wurde ich in dieser Hinsicht aber vergessen. Als ich das erste eigene Geld verdiente, habe ich Reitstunden genommen und mir ein Pferd gekauft. Ich musste mir alles hart erarbeiten, es ist ein Unterschied, ob man als Kind oder als Erwachsener anfängt zu reiten.

Bis 30 bin ich geritten. Dann wurde mein Pferd krank, ich hatte beruflich wahnsinnig viel zu tun, ich habe Kinder bekommen. Mit 40 zog es mich zurück zu den Pferden. Ich kaufte Grace. Ein tolles Pferd, aber ich war nicht gut genug. Ich merkte jedoch, ich will das noch mal richtig lernen. Ich hörte mich um und rief schließlich Hubertus an. Er sagte, ich solle ihm ein Trainingsvideo von mir schicken. Danach hörte ich nichts. Ich hakte nach. Zwei Tage später kam die Nachricht: „Ich habe das Grauen der Welt gesehen, unter den Top 100 sind Sie nicht.“ (lacht)

Wie schwierig war er – wie angekündigt?

LW: Auf unterschiedlichsten Ebenen, ja. Und dann auch wieder nicht.
HGZ: Wir haben mit Schritt-Trab-Übergängen angefangen und mit Sitzübungen. Das ist für viele erst mal schockierend. Aber es zeigt mir: Wollen sie wirklich etwas verändern, oder ist das nur Makulatur? Es ist ein kleiner Eignungstest.

LW: Diese Unbedingtheit habe ich sofort gespürt. Ich musste mich bewusst entscheiden, ihm zu folgen. Außerhalb des Dressurvierecks tue ich das nicht immer. Aber ich habe auch noch mal über das Schüler-Lehrer-Verhältnis nachgedacht unter dem Gesichtspunkt der Hingabe. Es ist ja ein bisschen aus der Mode gekommen, gerade in der Reiterei. Man „shoppt“ gerne rum, reitet ein halbes Jahr bei dem einen, ein halbes Jahr bei dem nächsten Reitlehrer, und dann noch einen Lehrgang.

Sie sind eine erfolgreiche Frau – fiel Ihnen diese Hingabe schwer?

LW: Ja und nein. Ich bin jetzt 52. Man ist in vielen Dingen geübt und keine „Anfängerin“ mehr. Reiterlich bin ich damals eine ordentlich L geritten, aber im Verhältnis zu dem, was ich von Hubertus mittlerweile gelernt habe, hatte ich ein „Beginner’s mind“. Die Hingabe war irgendwie ein wohltuendes Gefühl. Es lässt einen sich in gewisser Weise wieder jung fühlen. Und es ist ein Gefühl von „Verantwortung abgeben“. Hubertus kommt alle vier Wochen und ist jemand, der ganz klar verlangt, was er als System möchte und nicht nur in der einzelnen Stunde. Im Unterricht ist er autoritär. Aber zwischen den Einheiten verlangt er, dass man Eigenverantwortung übernimmt. Diese Ambivalenz muss man aushalten können.

Die Entstehung von „Eine Sprache der Liebe“

HGZ: Wir hatten in der Historie genügend Trainer, die ihre Schüler über Jahrzehnte wie Marionetten behandeln. Das will ich nicht. Ich will Menschen formen, zum Mitdenken anregen. Ich möchte, dass auch eine geistige und emotionale Entwicklung stattfindet.
LW: Es geht um Anlehnung, aber sie funktioniert nur mit Selbsthaltung. Hubertus gibt mir im übertragenen Sinne die Hand, sodass ich an die Hand herantrete, aber ich würde mich auf das Gebiss lehnen, wenn ich keine Selbsthaltung hätte.

Gab es einen Schlüsselmoment, gemeinsam ein Buch zu schreiben – und nicht „nur“ zu trainieren?

LW: In den ersten acht Wochen musste er sich nicht nur in Grace, sondern auch in meine Sprache, die aus der Kunst in der Philosophie kommt, hineindenken. Und ich mich wiederum in seine Sprache und in ihn als Menschen. Dann kam ein Moment, in dem wir über emotionale Erfahrungen beim Reiten sprachen – erst mit Lachen, dann wurde es ernst. Da ging ein ganzes Universum auf. Ich habe gesagt, wir müssen ein Pferdebuch schreiben.
HGZ: Ich hatte diese Gedanken schon lange, aber keinen Zugang gefunden. Mit Loretta hat es sich gefügt.

Was hat der Schreibprozess für „Eine Sprache der Liebe“ bei Ihnen ausgelöst?

HGZ: Das war eine krasse Reise der Entwicklung, denn wir sind gestartet mit einer Aufzählung entlang der Ausbildungsskala. Ich hatte ein inneres Bild, das es am Ende gar nicht wurde. Es hat sich anders entwickelt, es wurde viel autobiografischer. Ein ständiger Rhythmus zwischen Training und Gedankenreise.
LW: Der Text gab uns den Takt vor. Wie das Pferd den Takt vorgibt. Das war ein künstlerischer Prozess. Wir hatten im Vorfeld keine Botschaft, keine Zielgruppe. Wir haben es zwischen uns entstehen lassen.
HGZ: Natürlich war das auch ein sehr emotionaler Vorgang mit Ups und Downs, der uns viel Durchhaltevermögen abverlangte. Wie in der Ausbildung eines Pferdes.

Sie greifen in „Eine Sprache der Liebe“ auch immer wieder Begriffe aus der Reiterei auf.

LW: Diese Begriffe der Reiterei machen emotionale Welten auf, auch hinsichtlich der Beziehungserfahrung.
HGZ: Es ist auch kein Pferdebuch oder Fachbuch. Es ist ein Buch über Beziehungs- und Lebensweisheit.

Weil Sie eine innere Haltung teilen wollen?

LW: Ja, um die Zärtlichkeit und die Tiefe der Sprache zurückzubringen. In die Reiterei und darüber hinaus. Deshalb war es uns am Anfang so wichtig, das Buch Nichtreitern zu geben, um zu sehen: Funktioniert dieser Aspekt auch? Und da sind wir mittlerweile sicher: Er funktioniert.
HGZ: Selbst Leute, die am Anfang gesagt haben, Pferde interessieren sie nicht, haben es verschlungen oder sind zurückgekommen und haben gesagt, das war ihnen alles gar nicht klar.

„Die Reiterei hat ein Kommunikationsproblem“

Wie deuten Sie das für das Image der Reiterei, wenn doch die „Social license“ immer wieder Thema ist?

HGZ: Die Erkenntnis ist: Die Reiterei hat gar nicht so ein krasses Imageproblem, wie wir immer annehmen – sie hat ein Kommunikationsproblem.
LW: Viele, denen wir von unserem Projekt erzählten, fingen an, von Charlotte Dujardin und der Fünfkämpferin zu sprechen. Das war erschreckend.
HGZ: Und von diesen Skandalen wollen wir uns klar abgrenzen. Dennoch hatten wir nicht ein Gespräch, bei dem das Gegenüber nicht gesagt hat: „Krass, darüber habe ich noch nicht nachgedacht. Das macht total Sinn.“ Die Leute spürten natürlich unsere Emotionalität. Und diese zu transportieren ist ein ganz wichtiger Punkt unserer – im übertragenen Sinn – Lobbyarbeit.

Wie genau meinen Sie das, was ist Ihre Hoffnung?

HGZ: Wenn das Buch ein Impuls ist für jemanden, sich tiefer auf das Pferd oder das Leben einzulassen – dann haben wir alles erreicht.
LW: Die Reiterei muss wieder berühren – Herz und Seele, nicht nur den Kopf. Wir wollen nicht belehren, sondern eine persönliche Geschichte zeigen mit allen Höhen und Tiefen, die wir nicht auslassen.

Wie haben diese Höhen und Tiefen mit Grace Sie in Ihrer Persönlichkeit, in Ihrem Alltag, in Ihrem Leben verändert?

LW: Ich würde eher sagen, das Buch hat mich verändert auf der Ebene, wie ich Beziehungen führe: diese Sprache der Reiterei als eine Sprache der Liebe zu leben. Ich führe heute Beziehungen anders. Ob Liebesbeziehungen, Freundschaften oder auch die Beziehung zu den Pferden. Und da will ich auf den Aspekt Bildung zu sprechen kommen. Ich wusste viel von dem, worüber wir in dem Buch unter diesem Aspekt geschrieben haben, vorher nicht. Und ich habe mich teilweise geschämt, wie wenig ich über Reitgeschichte wusste. Dabei müsste sie Teil jedes Reitabzeichens sein.

Würtenberger und Zedtwitz über Durchlässigkeit

HGZ: Ich nenne immer als Beispiel das Schulterherein in der Renaissance-Reiterei oder etwas vorher. Da haben sich Taktfehler entwickelt, die Pferde waren alle zügellahm. Das waren Fehler, die brauchen wir doch nicht wieder machen. Und das gestreckte Bein, mit dem komplett steifen Sitz, den scharfen Sporen und den Sattelpau­schen für Faule, das hatten wir auf den Barockhöfen doch alles schon mal. Wir wiederholen viele Fehler der Reitgeschichte – obwohl wir es besser wissen könnten. Das ärgert mich.
LW: Aber es ist typisch Mensch. Wir schreiben drei Seiten über den Zirkel als zentrale Figur der Reiterei. Wir versuchen ihn natürlich auch philosophisch aufzugreifen und nicht nur reittechnisch. Dass der Zirkel zur Spirale werden kann, bis hin zur Pirouette. Und ja, es gibt Wiederholung. Aber wenn man die Vergangenheit mit einbezieht, kann man den nächsten Entwicklungsschritt machen.

Sie haben den Begriff der Durchlässigkeit bereits angesprochen, was verstehen Sie darunter?

HGZ: Der Begriff der Durchlässigkeit ist in der Kunst und in der Kultur wahnsinnig wichtig. Und in zwischenmenschlichen Beziehungen. Viele Menschen haben im Alltag ihre Durchlässigkeit verloren, weil sie anderen nacheifern oder Themen von sich fernhalten. Dabei bedeutet sie, hinzuschauen und Emotionen zuzulassen.
LW: Aber nur mit Selbsthaltung. Ohne sie zergeht man an der Durchlässigkeit. In unserem Dreieck Grace, Hubertus und ich war die Durchlässigkeit entscheidend. Wenn einer dicht macht oder Spannung aufkommt, funktioniert es nicht.

Pferd-Mensch-Kommunikation: Eine Sprache der Liebe

Wie lösen Sie das?

HGZ: Durch Kommunikation. Pferde machen uns doch ständig Freundschaftsangebote, das ist unfassbar. An ihnen können wir uns ein Beispiel nehmen. Da versemmelt man an einem Tag alle Paraden, und am nächsten Tag kommt das Pferd wieder zu uns.
LW: Es öffnet sein Maul, sein empfindlichstes Körperteil, und lässt sich das Gebiss wieder hineinlegen. Ich finde, das ist zutiefst bewegend.

Der Mensch neigt dazu, dem Pferd Boshaftigkeiten zu unterstellen. Dann wird die Sprache grob.

HGZ: Was ich fast noch schlimmer finde, ist, dass viele Reiter vergleichen. Damit wird man dem Gegenüber in dem Moment nicht gerecht. Egal, ob Mensch oder Pferd. Ich habe das bei großen Reitern erlebt, die immer nur über das Pferd von vor zehn Jahren geredet haben und nicht im Hier und Jetzt waren. Viele Reiter scheitern an diesem Punkt.

Die Autoren von „Eine Sprache der Liebe“ über das Scheitern

Wie geht man mit diesem Scheitern um?

HGZ: Man wird gescheiter.
LW: Davon erzählen wir auch in dem Buch. Auch was es bedeutet, wenn man ein Pferd verliert. Wie schmerzhaft das ist. Und dann der Neuanfang mit einem anderen Pferd. Wir haben irgendwo formuliert, dass einem die Arbeit mit Pferden – die ja eine kürzere Lebensspanne haben – die eigene Sterblichkeit widerspiegelt. Das ist ein Mandala, das immer wieder zerstört wird. Jede neue Pferdebeziehung bedeutet einen Neuanfang.
HGZ: Und wieder den Takt zu finden. Den Takt der Entwicklung und der Bewegung. Dieser Sport ist weise. Die Begegnung mit dem Pferd ist weise.
LW: Nur wir Menschen sind es oft nicht.
HGZ: Ich bin sicher, die Welt wäre eine bessere, wenn das Pferd mehr vorkommen würde.

Vielen Dank für das Gespräch.

Hubertus Graf Zedtwitz, Karolin Leszinski und Loretta Würtenberger

Hubertus Graf Zedtwitz, Chefredakteurin Karolin Leszinski und Loretta Würtenberger nach dem Interview. (© privat)

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