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Pferde in Boxenhaltung – Knast oder Schutz?


Bild vergrößern pferde in Boxenhaltung

Stereotypes, anhaltendes Schlagen oder Giften in der Box zeigt oft ein Defizit der Haltung an. (© Christiane Slawik)

Das Pferd ist ein sozial lebendes Lauf- und Fluchttier. Unter natürlichen Bedingungen bewegt es sich ca. 16 Stunden am Tag im Schritttempo beim Grasen vorwärts. Der gesamte Verdauungs-, Bewegungs- und Herz-Kreislauf-Apparat hat sich auf diese Gegebenheiten eingestellt. Ein paar Quadratmeter Box und tägliches Training bieten dafür keinen Ersatz. Trotzdem stehen immer noch sehr viele Pferde die meiste Zeit des Tages in der Box.

Die individuelle Haltungsform muss für jedes Pferd einzeln entschieden werden. Fünf grundlegende Dinge müssen aber in jeder Haltung gegeben sein: Bewegung, Licht, frische Luft, qualitativ gutes Futter und soziale Kontakte. Denkt man an die Gesundheit des Pferdes und die Fakten zum Bewegungsbedürfnis, so scheint die reine Boxenhaltung bei Pferden absurd.

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Allerdings fühlt sich auch nicht jedes Pferd in einem reinen Offenstall wohl. Für manche Pferde ist bei dieser Haltungsart der Stressfaktor zu hoch, sie sind rangnieder und kommen nicht zur Ruhe. Ebenso gibt es Pferde, die es nicht stört, den ganzen Tag bei Wind und Wetter draußen zu sein. Anderen wiederum reicht es nach ein paar Stunden draußen, und sie wollen wieder in ihre Box, weil sie die Freiheit nicht zu genießen scheinen, ihnen langweilig ist oder diese nicht gewohnt sind. Man sollte sich loslösen von der eigenen Wunschhaltungsform und den eigenen Bedürfnissen und an das Pferd als Tier denken.

Boxenhaltung ja oder nein? Eine Frage der Zeit

Pferde im Offenstall

Für viele Pferde ist die Gruppenfreihaltung auf ausreichend Fläche am Tag, kombiniert mit der Box für die Nacht, eine optimale Lösung. (© Christiane Slawik)

Die Pferdeverhaltensexpertin und Buchautorin Barbara Schöning hat mal erklärt: „Eine Faustregel besagt, dass es rund 20 Jahre dauert, bis eine neue wissenschaftliche Erkenntnis unter Fachleuten als Allgemeinwissen akzeptiert wird, und weitere 20 Jahre, bis sie auch bei den Laien (also den Pferdebesitzern) angekommen ist“. Hält man sich die Anfänge des Pferdebooms Mitte der 70er Jahre mit ihrer kasernenartigen Haltungsform vor Augen (in Deutschland, wohlgemerkt, in England beispielsweise nicht), kommen diese Erkenntnisse dann hoffentlich auch bald beim letzten Pferdebesitzer an.

Romo Schmidt ist gelernter Bauingenieur und hat zahlreiche Boxen in Lauf- und Offenställe umgebaut. Er ist Autor diverser Fachartikel und -bücher. „Artgerechte Pferdehaltung findet für mich nicht in der Box statt, sondern jedes Pferd sollte selbst bestimmen können, was es wo zu welcher Zeit und mit wem es was machen will. Es hat also die freie Entscheidung, ob und mit wem es in einem Innenraum ruhen, Fellpflege durchführen, sich draußen aufhalten oder bewegen möchte. Es geht vor allem darum, dass ein Pferd seine Triebe so weit ausleben kann, dass es zu keinen Triebstaus mit nachfolgenden ‚Untugenden‘ kommt.“

Pferde müssen jeden Tag auf die Weide

Dr. Max Jördens ist Tierarzt und arbeitet vorrangig mit Sportpferden, die zumindest einen Teil des Tages in der Box stehen. Das sieht er auch für vollkommen in Ordnung an, solange eine dennoch artgerechte Haltung des Pferdes gewährleistet wird.

Egal wie teuer das Pferd ist, es muss jeden Tag auf die Weide und aufs Paddock können. Dass das Verletzungsrisiko dadurch deutlich erhöht ist, halte ich für nicht richtig. Zumindest dann nicht, wenn die Pferde es gewohnt sind und man das Pferd bei jedem Wetter rausbringt, was man auch tun sollte. Und dass sie es gewohnt sind, das ist unsere Aufgabe. Freie Bewegung, Bocken, Kontakt zu anderen Pferden – das ist nicht nur für den Kopf wichtig, sondern auch für den Bewegungsapparat. Denn Pferd bleibt Pferd.
– Dr. Max Jördens –

Pferde auf Weide

Freie Bewegung in Pferdegesellschaft ist sowohl für Sportpferde als auch Freizeitpferde existenziell. (© Frank Sorge)

So gut ist die freie Bewegung für Pferde

  • Erhöhung der Grundkondition: Dies erfolgt durch die täglich zurückgelegten Strecken (Lokomotion). Ideale Basis auch für Sportpferdehalter, um ein Pferd beispielsweise für den Distanzsport zu trainieren. Wichtig: Die kontinuierliche Bewegung sorgt außerdem für eine reibungslose Verdauung.

  • Wehrhaftes Immunsystem: Naturnahe Umweltbedingungen mit sauberer Luft, viel Sonnenlicht und regelmäßigen Thermoreizen schaffen den besten Schutz gegen eindringende Infektionserreger. Zudem werden die Atemwege durch den beständigen Luftaustausch sauber gehalten.

  • Stabiles Nervenkostüm: Ständige Außenreize verhindern Überreaktionen wie Scheuen, Steigen oder Stürmen. Eine hohe Reizschwelle hilft bei alltäglichen Situationen. Durch das Ausleben ständigen Komfortverhaltens ist die Psyche ausgeglichen.

  • Gesunder Rücken, widerstandsfähige Hufe, kräftige Knochen: Abwechslungsreiche Bodenbeschaffenheiten, dauerhafte Aktivitäten, ungehindertes Wälzen und eine bodennahe Fütterung halten den Bewegungsapparat und die Hufe gesund.

Boxenhaltung bei Pferden – sicherer für Sportpferde?

Boxenhaltung bei Pferden kann zu psychischer Belastung und Verhaltensauffälligkeiten führen. (© Frank Sorge)

Viele Sportpferdehalter halten noch immer an der Einzelhaltung mit Argumenten wie erhöhtem Verletzungsrisiko, eingeschränkter Verfügbarkeit, Schwierigkeiten beim Eindecken geschorener Turnierpferde sowie Motivations- und Leistungsdepression fest. Forschungsergebnisse der Uni München haben jedoch ergeben, dass beispielsweise der sogenannte Hinterhandschlag, wie das Austreten gegen andere Pferde mit den Hinterbeinen wissenschaftlich bezeichnet wird, gerade mal 1,5 Prozent aller Verhaltensweisen ausmachte und nur als Drohgebärde vorgenommen wurde.

Im Untersuchungszeitraum erfolgte kein einziges Mal ein „Treffer“. Allerdings hatten die beobachteten Pferde viel Platz zum Ausweichen. In beengten Verhältnissen hingegen kann es durchaus zu Körperkontakten mit den Hinterhufen kommen. Dicke Weidebäuche haben nichts mit der Haltung zu tun. In allen Fällen, gleich ob Freizeit- oder Turnierpferd, ist heutzutage durch veränderte Gräser die Aufnahme von Frischgras unbedingt einzuschränken.

Durch den Klimawandel: Staubiges Heu mit schlechter Qualität

Den Klimawandel bemerkt man in der Pferdehaltung vor allem durch das häufig sehr staubige Heu, was auch nicht mehr die gleiche Qualität hat wie noch vor einigen Jahren. Bei hoher Sonneneinstrahlung können Winde eine schnelle Austrocknung der Äcker und Wiesen nach sich ziehen. Trockenheit führt zu einer hohen Staubentwicklung und damit zu einer Belastung der Atemwege. Im schlimmsten Fall können chronische Lungenprobleme die Folge sein.

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Mit diesem staubigen und keimbelasteten Heu und Stroh sind Boxenpferde besonders häufig in Kontakt. „Die Bedampfung oder Bewässerung von Heu wird daher in Zukunft eine immer wichtigere Rolle spielen. Zudem kann der Staub durch die Umstellung von Stroh auf alternative Einstreu im Stall reduziert werden“, erklärt Dr. Olivier Brandenberger von der Hanseklinik für Pferde.

Ausreichend Luftzufuhr: Boxenhaltung bei Pferden

Als Einstreu bieten sich beispielsweise Späne, Granulat oder sogenannter Biowaldboden an. Viele dieser Einstreualternativen binden zudem Ammoniak besonders gut. Die gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels und des häufigen Kontakts mit Heu und Stroh ohne viel Frischluft reichen von Lungenproblematiken bis hin zu Entzündungen der Augen.

Für die Stallgebäude gilt aus diesem Grunde, dass diese entweder über spezielle Lüftungsanlagen mit ausreichend Luftzufuhr versorgt werden müssten oder die Pferde auf Paddockboxen umziehen oder nur nachts eingestallt werden sollten. Diese bieten dem Pferd die Option, sich vermehrt an der frischen Luft aufzuhalten, was Atemwegserkrankungen wirksam vorbeugt. „Staubreduktion spielt in jedem Fall eine Hauptrolle für die Gesundheit“, betont Olivier Brandenberger.

Pferde in Boxenhaltung: Terror und Unruhe

Viele Pferde entwickeln in Boxenhaltung auch Verhaltensweisen, die hinterfragt werden sollten. Viel Giften in der Box oder auch stereotypes, anhaltendes Schlagen gegen die Boxenwände kann ein nicht befriedigtes Bewegungsbedürfnis andeuten oder auch umgelenkte soziale Aggressionen, die sich gegen den Boxennachbarn richten. Entweder, weil die Tiere sich nicht verstehen, oder weil die Individualdistanz durch zu kleine Boxen unterschritten wurde.

Die erste wichtige Maßnahme gegen Verletzungen ist die Polsterung der Boxenwand. Außerdem muss für ausreichende Auslastung des Pferdes durch freie Bewegung gesorgt werden. Wenn sich das Pferd durch aktuelle Umstände nicht frei bewegen kann, dann zumindest durch lange Schrittphasen in interessanter Umgebung, da dies der Natur des Pferdes am nächsten kommt.

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