Billboard Eigenwerbung
Billboard Eigenwerbung

Pferdesport-Fotograf Karl-Heinz Frieler: „Ich war mit zwölf schon auf Krawall gebürstet“


Bild vergrößern So. Und nicht anders. Charakterkopf Karl- Heinz Kalle“ Frieler.

So. Und nicht anders. Charakterkopf Karl- Heinz Kalle“ Frieler. (© Stefan Lafrentz)

Seit mehr als drei Jahrzehnten bringt er den Pferdesport an die Öffentlichkeit. Mit seinen Bildern. Karl-Heinz Frieler ist Pferdesport-Fotograf und ein echtes Unikat aus dem Pott. Große Schnauze, großes Herz.

„Wat will der denn jetzt von mir? Der soll mich doch hier meine Arbeit machen lassen.“ Karl-Heinz Frieler steht mit Kamera und Gehstock mitten auf dem Turnierplatz von Münster und wird langsam ungemütlich. Drei Meter weiter: Breido Graf zu Rantzau, Präsident der Deutschen Reiterlichen Vereinigung, mit Mikro in der Hand und sichtlich bemüht, die Fassade zu wahren, während Turnierchef Hendrik Snoek versucht, Karl-Heinz Frieler unauffällig in Richtung Redner zu schieben. „… so wie jetzt auch, da macht er wieder Fotos …“ hört Frieler beiläufig. Langsam ahnt er den „Komplott“. Erst recht, als er seine Fotografenkollegen in der Ecke stehen sieht. „Diese Bande, eine ganz miese Tour war das“, sagt Frieler und schüttelt mit einem verschmitzten Lächeln im Gesicht den Kopf. Erinnerung an den Sommertag im Jahr 2017, als er mit dem Deutschen Reiterkreuz in Bronze ausgezeichnet wurde. Nun trägt er den kleinen bronzenen Orden an seinem linken Hosenträger. Ja, als „Breido“ ihm gratuliert habe, da habe er sich doch gefreut. „Wobei ich mir immer die Frage gestellt habe: Jetzt krieg’ ich das nur, weil ich meine Arbeit gemacht habe? Die hätte ich doch sowieso gemacht. Das war schon ungewöhnlich für mich.“

Billboard Eigenwerbung

Karl-Heinz Frieler, den die meisten im Pferdesport-Zirkus nur als Kalle kennen, sitzt in seiner Gelsenkirchener Wohnung am Esstisch. Graue Locken, Schnauzbart, Karohemd, Jeans mit Hosenträgern. Typisch. Wie seine schnodderige, direkte Art. So kennt man ihn, so mag man ihn – oder auch nicht. So erlebt man ihn auf den Plätzen der internationalen Turniere im In- und Ausland. Kalle Frieler ist Pferdesport-Fotograf. Seit über 30 Jahren schmücken seine Fotos die Reitsportartikel in Tageszeitungen und Pferdesport-Zeitschriften. 2003 hat ihn die Jury der „Silbernen Kamera“ in Aachen für sein Foto „Freudentränen“ ausgezeichnet. Frieler hat Zuchtkataloge bebildert, für Reportagen die wichtigsten Augenblicke eingefangen. Wir haben den „Querkopf“ zu Hause in Gelsenkirchen besucht und mit ihm geplaudert: über echte Freunde, Menschen im Pott, den nahenden Ruhestand und seine erste Begegnung mit Dr. Reiner Klimke.

Herr Frieler, sind Sie Einzelkind?

Ich bin ein verzogenes Einzelkind. Ich bin einerseits verwöhnt worden von meinen Eltern. Andererseits waren sie sehr streng. Ich sollte immer gut sein in der Schule – bis zu dem Tag, als ich Fünfen geschrieben habe. Das war die Zeit, in der auch meine Eltern merkten, dass ich ganz aus der Art schlage.

Mit Hündin Amba im Park. „Die Leute staunen,wie grün es im Ruhrgebiet ist“, sagt Kalle Frieler.

Mit Hündin Amba im Park. „Die Leute staunen,
wie grün es im Ruhrgebiet ist“, sagt Kalle Frieler. Foto: Stefan Lafrentz (© Stefan Lafrentz)

Waren Sie denn schon als Kind so aufmüpfig, wie Sie es heute sind?

Ich war schon mit zwölf auf Krawall gebürstet.

Wie muss man sich die Kindheit von Karl-Heinz Frieler vorstellen?

Mein Vater war wie viele hier Malocher auf Zeche. Meine Mutter war vor meiner Geburt Verkäuferin in einem kleinen Gemischtwarenladen. Da gab es Rollmöpse, Kernseife, Mehl und Zucker. Früher war es dann so: Sobald das Kind da war, hat sich die Frau um das Kind und den Haushalt gekümmert. Mein Vater ging arbeiten und war sehr streng. Und daher, denke ich, kommt so meine Art.

Wie hat sich die geäußert?

Ich bin zum Beispiel relativ schnell aus der Kirche ausgetreten, mit 16, direkt am ersten Tag, als es möglich war. Mit 14 war ich das erste Mal bei einer Demonstration vorne mit dabei. Ich habe eine Art entwickelt, vielem erst mal mit Ablehnung zu begegnen. Für mich war wichtig, dass für die Malocher was getan wird. Für mich zählten die Gewerkschaften.

Und wie kamen Sie zur Fotografie?

Bei der Bundeswehr hat es angefangen, hobbymäßig. Ich war bei der Marine und hatte mir einen Fotoapparat gekauft, um Erinnerungsfotos zu machen. Als ich später nach dem Abitur in Bochum anfing, Maschinenbau zu studieren und danach Fotodesign, begegnete ich zufällig einem Kriegsberichterstatter. Der hat Fotos in Kriegen gemacht. Das hat mich fasziniert.

Was genau?

Dass diese Leute mit ihren Bildern den Schrecken des Krieges deutlich machten. Aber ich habe auch erfahren, wie diese Kriegsberichterstatter zurückkommen – völlig fertig mit den Nerven, abgewirtschaftet mit ihrer Gesundheit, oft mittellos. Da habe ich relativ schnell gesagt: So mutig bin ich dann doch nicht.

Was wurde es stattdessen?

Ich hab Fotos bei Krupp gemacht, habe Hochöfen fotografiert, lange Zeit für einen Garten- und Landschaftsbau-Architekten gearbeitet, dann für einen Stoffdesigner. Da habe ich Kissen und Gardinen fotografiert. Alles quer durch den Garten.

Und wie kamen Sie ans Pferd?

Über Raimund Hesse. Das war 1976 oder 77. Ich habe mich eine Zeit lang für Vögel interessiert, und da gab es die Firma Novoflex, die hatten so ein Schnellschussobjektiv. Da konnte man über einen Griff ganz schnell die Schärfe einstellen. Das habe ich mir gekauft. Und als ich in dem Fotoladen in Gelsenkirchen stand, war neben mir einer, der sah aus wie ein Wikinger – rote Haare, riesiger Bart, so ein Kerl. Der sprach mich an: „Wat is dat denn?“ – „Wat quatscht der dich jetzt an?“, habe ich gedacht. Der ließ aber nicht locker, und ich wollte nicht unhöflich sein, obwohl ich das ja gut kann, wenn ich Leute nicht mag. Also hab ich dem das erklärt. Und Hesse sagte: „Das wäre was für den Reitsport! Du solltest doch mal vorbeikommen.“ Er hatte in Gelsenkirchen ein Büro, später hieß das Pressedienst Rhein-Ruhr.

Pott-Kulisse Rhein-Herne-Kanal. Kalle Frieler hat früher viel für die Industrie fotografiert.

Pott-Kulisse Rhein-Herne-Kanal. Kalle Frieler hat früher viel für die Industrie fotografiert. Foto: Stefan Lafrentz (© Stefan Lafrentz)

Und wo hatten Sie Ihren ersten Einsatz auf einem Turnier?

Das war ein ländliches Turnier in Siegen. Fürchterlich!

Was ist denn passiert?

In der Dressur beschwerte sich einer über mich im Vorbeireiten. Da habe ich auch zwei, drei patzige Antworten gegeben. „Reit’ du mal zu Ende“, hab ich gesagt. Als der fertig war, schaute ich Löcher in die Luft und hörte plötzlich: „Der Fotograf aus der Ecke soll mal zu den Richtern kommen.“ Ein patziges Wort ergab das andere. Raimund Hesse in der anderen Ecke versteckte sich schon. Und ich meine, das wäre Dr. Reiner Klimke gewesen, der mich danach auch nochmal versammelt hatte. Ich hab ihn reden lassen und mir meinen Teil gedacht. Damit war das Turnier in Siegen für mich erledigt.

Und wie stand es danach um das Verhältnis zu Dr. Reiner Klimke?

Später, beim Turnier der Sieger in Münster, kam er auf mich zu und sagte: „Weißt du, warum ich deine Bilder kaufe? Weil da kann ich gucken, ob ich richtig sitze!“ Er hat sich natürlich feiner ausgedrückt. Und so sind wir keine Freunde geworden, aber wir haben uns immer wieder auf Turnieren getroffen und gut unterhalten.

Sie sind dem Reitsport treu geblieben – was fasziniert Sie so sehr daran?

Diese Sportart mit zwei Lebewesen, Pferd und Reiter. Wie man ein Pferd dazu kriegt, zu springen und in der Dressur diese Lektionen zu bewältigen. Ich selbst bin in meinem Leben drei Mal auf einem Pferd gesessen, einmal auf einem Haflinger, der den Weg zum Picknickplatz kannte und wusste, wann die Pause zu Ende ist.

Wen bewundern Sie im Reitsport?

Für mich ist Marcus Ehning der große Held. Er ist das Beste, was stilistisch da ist. Großen Respekt habe ich vor Ludger Beerbaum, der sich ganz viel hart erarbeitet hat, in der Szene eine hohe Anerkennung genießt und bei passender Gelegenheit auch den Mund aufmacht.

Sie fahren zu jedem Turnier mit dem Auto – warum fliegen Sie nicht?

Das hat mit mir persönlich zu tun. Ich bin nicht gerne abhängig von anderen Leuten. Ich fahre auch nicht Zug. Da muss ich umsteigen, dann muss ich das ganze Gerödel schleppen. Das ist mir zuwider.

Oder haben Sie doch Flugangst?

Nein, ich bin schon geflogen, in den Urlaub. Ich bin einfach nicht gerne von anderen bestimmt. Dann hat der Pilot keinen Bock, dann ist Nebel, dann ist ’ne Rauchwolke über Island … Ich war in Arezzo mit dem Auto, in Lyon mit dem Auto, in Caen mit dem Auto, in Göteborg mit dem Auto. Das macht mir alles nichts. Aber das ist meine Art, ich will nicht von anderen abhängig sein. Ich will auch nicht auf jemanden warten müssen, der mit mir nach einem Turnier nach Hause fahren will, aber die Schuhe noch nicht zugemacht hat.

Sie leben mit Ihrer Frau Monika in Gelsenkirchen – hat es Sie nie woanders hingezogen?

Ich bin ein Kind des Ruhrgebiets. Ich bin in Gelsenkirchen geboren, hier wollen wir nicht mehr weg. Einen Umzug wird’s noch geben, das heißt hier in Rotthausen „auf dem Hilgenboom“, das ist der Friedhof.

Was schätzen Sie so sehr am Pott?

Ich mag die Mentalität. Man schnauzt sich auch mal an, und eine halbe Stunde später geht man zusammen Bier trinken, dann is’ gut. Und die Menschen aus dem Ruhrgebiet sind hilfsbereit.

Ein Leben ohne Firlefanz, ein Leben im Ruhrgebiet – so mag es Kalle Frieler.

Ein Leben ohne Firlefanz, ein Leben im Ruhrgebiet
– so mag es Kalle Frieler. Foto: Stefan Lafrentz (© Stefan Lafrentz)

Welche Menschen haben Sie geprägt?

Durch die strengen Eltern und meine Zeit bei der Gewerkschaft bin ich geprägt worden. Leute wie Robert Kennedy oder Che Guevara haben mich fasziniert. Auf der anderen Seite die ganze Familie Ehning. Da habe ich viel gelernt, bin viel mitgefahren. Zu den wenigen Freunden, die ich habe, gehören die Ehnings. Ob das Richard ist oder Hilde, Johannes, Marcus – und Karina besonders. Ich mag so eine, die so eine freche Schnauze hat und sich nichts sagen lässt. Dat muss Hand und Fuß haben, dann find ich das toll.

Wollten Sie schon mal alles hinschmeißen?

Ach, das hatte ich öfter. Wenn mich einer aufregt, hab ich schon gesagt, dann soll der seinen Scheiß alleine machen. Aber nach vier Stunden ist der erste Rauch auch wieder weg. Wenn ich mich zoffe, lasse ich mich auch nicht abhalten, dann schreie ich und tobe. Ein paar Stunden später ist es erledigt, und das kann ich auch gut vergessen. Aber nur bei Leuten, die meine Art verstehen und nicht hinterhältig sind.

Ihr Freund, der Journalist Dieter Ludwig, hat über Sie geschrieben: „Wer ihm nicht passt, den lässt er es auch spüren. Ist er eines Freund, bleibt er es ein Leben lang.“ …

Ich mag nicht die Leute, die aus Eigeninteresse mit einem befreundet sein wollen. Und dann gibt es Menschen, die mag ich vom ersten Tag an nicht. Und Leute, die ihre Arbeit nicht machen, kann ich überhaupt nicht haben.

Sie gelten als der Malocher in der Szene, der jede Prüfung vom ersten bis zum letzten Reiter durchfotografiert, und weniger als Künstler wie Ihr Kollege Jacques Toffi. Hat Sie das nie gestört?

Ich bewundere Jacques. Der raucht erst mal sein Zigarillo, muss Ruhe haben, sich darauf einstellen. Das finde ich toll, aber das ist nicht meins. Ich könnte auch nicht in der Pressestelle stehen, während schon eine Prüfung läuft. Mir war immer wichtig, dass ich alles hab’, um die Zeitungen bedienen zu können.

Sie waren immer der Erste und der Letzte in der Pressestelle …

Das lässt nach, ich bin nicht mehr der Letzte in der Pressestelle. Das hat auch gar nichts damit zu tun, dass ich gesundheitlich angeschlagen bin. Gut, ich hab das Knie nicht in Ordnung, die Hüfte ist nicht in Ordnung, die Wirbelsäule nicht. Aber da gibt es Menschen, die müssen sich wirklich durchkämpfen im Leben. Da bin ich ein Waisenkind dagegen. Vielleicht muss ich mir irgendwann doch eine künstliche Hüfte einsetzen lassen. Aber dann hätte ich gerne eine, die so ein bisschen quietscht bei jedem Schritt.

Wen würden Sie gerne fotografieren?

Wenn es das Pferd noch geben würde, würde ich gerne Milton fotografieren. Das war wirklich ein Ausnahmepferd. Wobei ich sagen muss: Totilas und For Pleasure, Ratina Z oder Rembrandt – von dieser Art von Pferden kommt auch meine Begeisterung her. Oder Gigolo mit Isabell Werth, obwohl das kein schönes Pferd war. Aber was sie aus den Pferden macht, ist schon beeindruckend.

Was macht Kalle Frieler, wenn er nicht fotografiert?

Faulenzen. Und von der Couch aus unserer Hündin Amba zugucken, wie sie den Schrank hypnotisiert, wo ihre Leckerchen drin sind. Das kann sie stundenlang. Amba ist unser Ein und Alles.

Apropos, wie kamen Sie und Ihre Frau an Amba?

Sie kam von einer Tötungsstation auf Mallorca, bei „Tiere suchen ein Zuhause“ hat meine Frau sie entdeckt. Da war sie ein Jahr alt. Es hieß, sie mag keine großen Männer. Zweieinhalb Stunden hab ich auf dem Küchenboden gelegen, dann hat die Chemie gestimmt.

Sie sind ein ausgesprochener Tierfreund …

Ich kann es einfach nicht haben, wenn jemand seinen Hund hinter sich herreißt, wenn der gerade am Schnüffeln ist. Und ich kann es auch nicht haben, wenn Pferde schlecht behandelt und gehalten werden.

Wenn hier einer kocht, dann Kalle Frieler. Nicht vor Wut, sondern am Herd. Hausmannskost für Feinschmecker, denn ein solcher ist er.

Wenn hier einer kocht, dann Kalle Frieler. Nicht vor Wut, sondern am Herd. Hausmannskost für Feinschmecker, denn ein solcher ist er. Foto: Stefan Lafrentz (© Stefan Lafrentz)

Eigentlich sind Sie in Rente, fahren nur noch auf ausgewählte Turniere. Haben Sie sich eine Grenze gesetzt, wie lange Sie das noch machen wollen?

Ich lass das offen. Das werden im nächsten Jahr nochmal weniger Turniere werden. Das, wo ich Spaß dran habe, das will ich noch machen. Schlussstrich wird sein, wenn ich das offizielle Rentenalter habe, wahrscheinlich 2019.

Und was machen Sie dann?

Ich glaube nicht, dass da eine Lücke bei mir entsteht. Vielleicht renne ich dann mit der Knipse herum und fotografiere Spinnweben morgens im Tau.

Dieser Artikel erschien erstmals in der Dezember-Ausgabe 2017 der Reiter Revue International.

 


Sie ist mit Pferden groß geworden und verbrachte jede freie Minute im Stall, im Sattel oder auf der Weide. Während ihres Studiums entdeckte sie ihre zweite Leidenschaft: den Journalismus – in Praktika und unzähligen Stunden als „rasende Reporterin“ auf Sportplätzen bei Wind und Wetter. 20 Jahre lang begleitete sie journalistisch die Fachzeitschrift Reiter Revue International – erst als Volontärin, dann als Redakteurin, und zuletzt als Redaktionsleiterin print. Zwischendurch machte sie für drei Jahre selbstständig, um an ihren Studienort Münster zurückzukehren (das private Glück konnte nur dort warten) und sich beruflich breiter aufzustellen. Später schrieb sie ein Kindersachbuch – natürlich über Pferde – und engagiert sich seit Gründung der Bewegung #doitride, deren Talks sie bis heute regelmäßig moderiert. In ihrer Rolle bei Hooforia möchte sie den Pferdesport mit konstruktivem Journalismus begleiten – kritisch hinschauen, Lösungen aufzeigen, Zusammenhänge erklären und den Dialog fördern.

Tags:
Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

HOOFORIA - Logo - gold-1
Billboard Eigenwerbung
Hilfe Icon