Der Belgier Justin Verboomen schreibt Geschichte: Mit dem erst neunjährigen Zonik Plus gewinnt er bei den Europameisterschaften in Crozet Doppelgold. Hinter ihm reihen sich Cathrine Laudrup-Dufour und Isabell Werth ein.
Der Krimi von Crozet – er hat einen Helden. Nein, es sind zwei: der Belgier Justin Verboomen und der neunjährige Hannoveraner Hengst Zonik Plus. Sie haben heute in der Kür ihre zweite Goldmedaille bei den Europameisterschaften der Dressurreiter gewonnen. So wie bereits vergangenen Freitag im Grand Prix Special. Und genau so sind auch die Dänin Cathrine Laudrup-Dufour mit Mount St. John Freestyle erneut zu Silber geritten und Isabell Werth mit Wendy de Fontaine zu Bronze. Ein Rückblick.
Verboomen und Zonik Plus: Die Entdeckung der Schwerelosigkeit
Es war, als würden Justin Verboomen und Zonik Plus schweben. Wieder einmal. Der Hannoveraner Hengst hatte bereits im Special durch Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit in den Lektionen für Aufsehen gesorgt. Getragen von klassischer Musik – die Kür war kurz vor dem CHIO Aachen fertig geworden – tanzte Zonik Plus durch das Viereck, spielte mit Lektionen wie den Piaffen, Passagen und Galopppirouetten. Es wirkte so mühelos, sowohl beim Pferd als auch bei seinem Reiter. Und all das trotz des jungen Alters des Hengstes – aber die beiden kennen sich in- und auswendig, den gesamten Ausbildungsweg sind sie gemeinsam gegangen.
Einzig in der Trabtraversale nach rechts galoppierte der Rappe zweimal an – ein Missverständnis, oder weil Zonik Plus genau weiß: An dieser Stelle ist auch eine Galopptraversale eingeplant. 89,964 Prozent – Gold. Und damit schreibt der 38-jährige Justin Verboomen erneut Geschichte, weil er der erste Belgier ist, der Europameister wurde und nun sogar Doppel-Europameister ist. Und das mit einem Pferd, das er selbst ausgebildet hat und das übrigens barhuf geht – weil Zonik früher ständig die Eisen verlor und die Hufe litten.
Sichtbar überwältigt von den Gefühlen und den Ereignissen war Verboomen nach seinem Ritt – er ist ein stiller Geselle, schüchtern. Um ihn herum jedoch wurde gefeiert, er bekam Standing Ovations. „Sein Ergebnis ist eine Überraschung für mich“, sagte Verboomen. „Ich bin so stolz, Zonik ist noch so jung. Prüfung für Prüfung spüre ich, wie er reifer wird. Er ist immer aufmerksam bei mir.“
Laudrup-Dufour und Freestyle: Harmonie und Erfahrung
Die 16-jährige Fidermark-Tochter Mount St. John Freestyle verfügt über die Routine von mittlerweile drei Championaten. In Crozet zeigte die Hannoveraner Stute unter der Dänin Cathrine Laudrup-Dufour eine harmonische, technisch präzise Kür mit einer frischen Trabtour und stets sicherer Anlehnung. Der Bewegungsablauf wirkte natürlich, ohne unnötiges Spektakel und ohne negative Spannung.
Bei den Zweierwechseln unterlief dem Paar ein teurer Fehler, die 33-Jährige merzte ihn durch die Joker-Linie aus – sie ritt die Zweierwechsel über die Diagonale, dieses Mal für eine 8,0. Ein Highlight war die außergewöhnliche Choreografie zum Ende, als das Paar vom starken Schritt in die Galopppirouette überging und dann in die Piaffepirouette mit Richtungswechsel. 89,821 Prozent – Silber. „Ich war sehr zufrieden mit unserer Prüfung, aber ein wenig enttäuscht, dass wir Gold knapp verpasst haben. Es war so eng – sowohl zwischen unseren Ritten als auch bei den Wertungen. Eines ist sicher: Justin und ich werden in Zukunft noch viele Male um Medaillen kämpfen“, sagte sie rückblickend.
Werth und Wendy: Mit mehr Lässigkeit
Für Isabell Werth ist Wendy de Fontaine bereits das zehnte Pferd, das sie zu Europameisterschaften brachte. Mit der elfjährigen Sezuan-Tochter holte sie nun in Crozet nach Team-Gold und Einzel-Bronze im Grand Prix Special auch Bronze in der Kür. Sie war noch vor Becky Moody, Cathrine Laudrup-Dufour und Justin Verboomen an der Reihe und musste entsprechend vorlegen – was sie aber sicherlich auch bei anderer Reihenfolge getan hätte.
Das Paar überzeugte insbesondere in der Trabtour sowie in den Piaffen und Passagen durch Ausdruck und Gleichmaß. Die Stute arbeitete heute noch besser durch den Körper, alles wirkte ein Stück weit lässiger, müheloser. Manche Lektion, darunter auch die Pirouetten, schien Isabell Werth schlichtweg zu zelebrieren.
Kleine Fehler hatten sich in der Galopptour noch eingeschlichen, etwa beim Galoppwechsel aus der Traversale von rechts nach links und bei den Einerwechseln. 88,046 Prozent lautete am Ende das Ergebnis. „Wendy war heute super. Zwei Kleinigkeiten hatten wir, aber das große Ganze und diese Leichtigkeit hat gestimmt. Und ich glaube nicht, dass ein Pferd Piaffe, Passage und die Übergänge besser gemacht hat oder besseren Schritt gezeigt hat als sie.“
Wendy habe sich über die Saison super entwickelt, analysierte Werth: „Wir sind mit wenig Vorbereitung nach Balve gekommen, wir haben uns in Aachen permanent gesteigert. Wir können ja alle die Vibes der Veränderung spüren und wir sind hier angetreten mit dem Wissen, dass es schwer wird mit Team-Gold – und ehrlicherweise hat uns Lotty (Charlotte Fry; Anm. d. Red) dabei geholfen, denn es war nicht ihr Turnier.“ Mehr Konstanz wünsche sie sich nun mit Wendy – und „deshalb habe ich überhaupt kein Problem damit, Dritte zu werden. Es war ein super spannendes Rennen.“
Moody und Jagerbomb: frisch, frech, harmonisch
Becky Moody und Jagerbomb eröffneten ihre Kür zu britischem Pop mit einer starken Galopptour, Highlights sind ganz sicher die Pirouetten und Serienwechsel. Ein Fehler in den Zweierwechseln kostete zwar Punkte, doch die übrigen Wechsel gelangen wie am Schnürchen. Moody ritt frisch und frech nach vorne und vor allem sieht man den beiden an, dass sie ein eingespieltes Team sind – Moody kennt ihren Dante Weltino-Sprössling sein Leben lang, sie ist seine Züchterin und Besitzerin. Harmonie und Ausstrahlung sind das Resultat – in Zahlen waren es dieses Mal 86,900 Prozent. Damit landete das Paar knapp hinter den Medaillenrängen.
Wandres und Bluetooth: Konstanz zahlt sich aus
Als erster deutscher Starter ritt Frederic Wandres mit Bluetooth OLD ins Viereck, noch vor jenen Reiterinnen, die am Ende auf dem Podium standen. „All you need is love“ das Motto seiner Kür – „all you need is Konstanz“ ist seit Jahren sein Motto im Turniersport. Und das zeigten beide auch in der Kür von Crozet. Auf sie war Verlass. Mit 81,771 Prozent beendete das Paar die Prüfung, das war letztendlich Platz fünf. „Ich habe die Prüfung genossen. Wir hatten keine Fehler. Ich bin rundum happy und ich hatte ein wirklich gutes Gefühl mit ihm“, sagte Wandres im Anschluss.
Hemmer und Denoix: Ein wichtiger Schritt
Katharina Hemmer und Denoix PCH, die bei dieser EM das Turnier ihres Lebens haben, im Grand Prix und vor allem im Grand Prix Special alles auf den Punkt bringen konnten. Ihre Kür ritten sie in Crozet gerade mal zum fünften Mal und Katharina Hemmer sagte schon im Vorfeld, hier fehle Denoix noch Routine. In Aachen war ihnen schon vieles sehr gut gelungen, sodass das Publikum dem Paar auf der Schlusslinie begeistert mitklatschte – nur das war zu viel für die Nerven des Fuchswallachs. Und auch in Crozet fehlte Denoix in Crozet die nötige Gelassenheit – und das merkte man schon beim ersten Halten. Die spannungsgeladene Atmosphäre und auch die Lautstärke der Musik machten ihm zu schaffen. Aber Katharina Hemmer und er brachten es ordentlich zu Ende. Mit 78,882 Prozent belegte das Paar Rang elf – knapp unter der eigenen Bestmarke. Für Katharina Hemmer war das ein wichtiger Entwicklungsschritt mit Denoix, um noch mehr Routine zu sammeln. „Nun bekommt er erst einmal eine Pause und wird nur betüddelt. Die Europameisterschaften machen uns ganz viel Lust auf mehr.“
Tatsächlich, eine bemerkenswerte, beeindruckende, spannende EM! Große Anerkennung den Richtern, die den Zeichen der Zeit gefolgt sind – und die Leichtigkeit, Harmonie und Verbundenheit zwischen zwei- und vierbeinigem happy athlets im vollen Maße gewürdigt haben. Gut auch, dass „Neulinge“ entsprechend ihrer erbrachten Leistung fair bewertet wurden, anders als zu früheren Zeiten, als sie sich erst noch „hochdienen“ mussten. Und dann auch noch einmal ein großen DANKE an all jene, die den Boden für diese Art zu reiten im Namen des Horsemenship zu einer Zeit geebnet haben, als einiges aus dem Ruder zu laufen drohte: Uta Gräf, die Geschwister Bredow-Werndl, Hubertus Schmidt, Ingrid Klimke, die Reiter der Légèrité und viele mehr. (Queen Dalera hat nun einen würdigen Nachfolger gefunden, mit dem sie sicherlich zufrieden wäre: immerhin führt auch er über Hohenstein / Caprimond Trakehnerblut.)
Da stimme ich zu, wobei es weiterhin ausbaufähig bleibt. Katharina Hemmer hätte im Spezial meiner Meinung nach auf’s Treppchen gehört, weil sie Dressur gezeigt hat, wie sie sein soll. Endlich mal wieder eine Reiterin, bei der es von von hinten bis vorne Spaß macht, zuzuschauen. Ihre jüngere Kollegin und U25 Europameisterin Anna Schölermann übrigens von gleicher Machart. Einfach feines Reiten. Daher auch noch einmal ein Dank an Ausbilder Hubertus Schmidt!