Billboard Eigenwerbung
Billboard Eigenwerbung

Wienand: „Wir wollen mehr Menschen begeistern, diesen Sport zu unterstützen“


Bild vergrößern Melanie Wienand

Melanie Wienand (© Stefan Lafrentz)

Diese Woche starten die Europameisterschaften der Para-Dressurreiter in Ermelo. Parallel fällt der Startschuss für ein neues Projekt, das den Sport sichtbarer machen und stärker unterstützen soll. Im Interview spricht Melanie Wienand über ihren Weg mit Lemony’s Loverboy – und warum kleine Schritte manchmal der Schlüssel zum großen Ziel sind.

Melanie, was ging dir durch den Kopf, als du erfahren hast, dass Du für die diesjährigen Europameisterschaften nominiert bist?

Billboard Eigenwerbung

Das war schon ein bisschen spektakulär. Wir waren bei der Sichtung in Balve, bei den Deutschen Meisterschaften, dort lief es solide, aber nicht turboüberzeugend. Deshalb wurde ich zusammen mit Noah (Kuhlmann – Anm. d. Red.) aus Grade IV noch mal zu einem Lehrgang eingeladen. Dort haben letztendlich die Coolness, die Erfahrung von Loverboy, aber auch das das kleinere Grade, in dem ich starte und das für das Team wichtig ist, den Ausschlag gegeben.

Du warst im vergangenen Jahr als Reservereiterin für die Olympischen Spiele gesetzt. Was war das für eine Zeit für dich?

Olympia war mein großer Traum, schon immer. Aber ich glaube auch, dass ich zu verbissen an die Sache herangegangen bin, weil ich diesen Traum unbedingt erreichen wollte. Für mich mental und auch für mein Pferd war das eine Strapaze. Loverboy hat mir das ganz klar widergespiegelt und signalisiert.

Billboard Eigenwerbung

Was passierte dann?

Man geht in die Selbstanalyse, lässt das Pferd tierärztlich untersuchen, um zu checken, ob das Verhalten des Pferdes nicht ein gesundheitliches ist – oder vielleicht auch, um eine Entschuldigung zu finden. Letztendlich aber haben wir uns einfach auf solidere Beine gestellt. Ich habe Loverboy weitertrainiert in Zusammenarbeit mit Hanna Lena Augustin, die ihn auch mal mitreitet, mich unterstützt – was ich zugebenermaßen früher nicht zugelassen habe, weil ich meinte, ich könnte alles besser.

Nach Paris war eine Zeit, in der ich viel über mich selbst gelernt habe. Ich höre auch wieder viel mehr zu. Von daher sind wir jetzt auf einem guten Weg und freuen uns jetzt.

Du hast deine neue Trainerin Hanna Augustin gewechselt – warum?

Billboard Eigenwerbung

Es war ein glücklicher Zufall. Ich hatte mit meiner vorherigen Trainerin tolle Erfolge, aber manchmal ist einfach die Zeit gekommen, in der es einen anderen Wind braucht. Mit Hannah sind wir komplett zurück zur Basisarbeit gegangen.

Das gesetzte Ziel waren die drei Sichtungen plus Aachen, und Loverboy sollte die Prüfungen gut und in Gelassenheit absolvieren, um dann in Ruhe auf die Weltmeisterschaften nächstes Jahr hinzuarbeiten. Wir haben uns nicht unter Druck gesetzt und geguckt, wohin uns der Weg führt. Das hat auf einmal einige Türen geöffnet.

Im Vorgespräch hast du erzählt, dass Hannah Augustin eher die kleineren Erfolge im Blick hat und weniger die großen Träume – welche Rolle spielt diese Denke, die kleinen Ziele zu würdigen, für dich?

Also ich bin nach den großen Träumen sehr auf dem Boden der Tatsachen und freue mich, dass Loverboy so gleichmäßig läuft. Denn das ist ja auch eine Stärke. Ich muss allerdings zugeben: Ich tue mich schwer damit, kleine Erfolge zu feiern – in mir steckt immer noch der Sportler, der träumen will. Aber Loverboy zeigt mir: Schritt für Schritt.

Müssen Para-Reiter ihren Pferden noch stärker zuhören als Regelsportler?

Definitiv. Und ich habe mich selten so viel reflektiert wie in den vergangenen Wochen, auch mit den Pferden von meinen Schülern. Man kommt immer wieder in eine Euphorie, will dies und das verbessern – aber nein, man muss immer wieder zurückrudern, sich in den Spiegel gucken und sagen, es geht nur nacheinander. Auch das war hart für mich, weil ich eben nur dieses eine Pferd habe.

Erhöht das den Druck?

Klar, da habe ich mich immer wieder triggern lassen von Stimmen, die sagen ‚der ist nicht gut genug‘, ‚ ‚du musst dir einen Neuen kaufen‘. Aber ich habe nun mal nur diesen einen. Und ich glaube auch, dass dieser eine schon besonders und auch besonders gut ist.

Was ist dabei in dir vorgegangen?

Ich habe irgendwann in den Entschluss getroffen: Ich will’s mit dem, ich will’s genauso und ich will, dass er dabei gesund bleibt. Und dazu die Erkenntnis, dass wir es im letzten Jahr übertrieben haben mit den Turnieren und den Reisen. E hat das brav absolviert, aber das hält er nicht ein Leben lang durch. Loverboy soll gesund bleiben und bis LA (2028 finden die Olympischen Spiele in Los Angeles statt; Anm. d. Red.) laufen. Natürlich ist da auch ein Trotz: Ich will es allen zeigen.

Ist der Trotzkopf in dir gut oder schlecht?

Der Trotz ist schon gut, ich muss ihn nur kontrollieren. Manchmal will er zu früh mit dem Kopf durch die Wand.

Frederic Wanderes hat mal gesagt, Konstanz kommt nie aus der Mode.

Ja, gleichbleibende Leistung, dieses immer wieder abliefern, das kann Gold wert sein.

Was sind für dich so die größten mentalen, sportlichen oder organisatorischen Herausforderungen im Para-Reitsport?

Für mich fängt der Stress an, wenn ich morgens aufstehe und meinen Tag geplant haben muss, um den Faktor Wohlbefinden des Pferdes sicher zu stellen. Letztes Jahr habe ich mich aber noch in jeder Kleinigkeit verloren und wollte alles kontrollieren. Wahrscheinlich haben wir uns gegenseitig auch wahnsinnig gemacht. Er hat eine Zeit lang schlecht gefressen und wenn ein Pferd nicht frisst, ist man selbst wiederum gestresst. Dieses Jahr gehen wir alles mit etwas mehr Gelassenheit an.

Melanie Wienand und Regine Mispelkamp, gemeinsam für das Projekt "100 für 100".

Melanie Wienand und Regine Mispelkamp, gemeinsam für das Projekt „100 für 100“. Foto: Stefan Lafrentz (© Stefan Lafrentz)

Regine Mispelkamp und du seid seit einiger Zeit daran, das Thema Sponsoring für den Para-Dressursport zu forcieren. Kannst Du uns einmal ein Gefühl dafür geben, wie es hier in Deutschland um dieses Thema steht?

Das ist ein Thema, das sich in diesem Jahr parallel zum Sport sehr stark entwickelt hat. Sponsoring allgemein ist ja eine schwierige Sache, nicht nur im Parasport. Und wir sind wir schon etwas privilegiert dadurch, dass wir das DOKR hinter uns haben, das die Kader-Mitglieder sehr unterstützt. Aber im Vergleich zu anderen Parasport-Nationen ist das dennoch wenig. In England, Dänemark, China oder in den Niederlanden werden diese Sportler vom Staat deutlich mehr unterstützt. Da sind wir jetzt gerade im Hinblick auf die WM nächstes Jahr Aachen, aktiv dabei und wollen uns für mehr Sichtbarkeit im Sport einsetzen. Wir wollen mehr Menschen begeistern, diesen Sport zu unterstützen.

Aber es geht am Ende des Tages nicht nur um die Sichtbarkeit, sondern vor allem um finanzielle Unterstützung.

Genau. Wir haben die Aktion „100 für 100“ ins Leben gerufen. Dabei geht es darum, jeden Monat 100 Euro von 100 Unternehmen zu bekommen – das ganze wird betreut von der Stiftung Deutscher Pferdesport.

Was erhofft ihr euch mit dieser Aktion, wie lang ist sie angesetzt und was passiert mit dem Geld?

Das ist großer Topf, der dafür genutzt werden soll, den Nachwuchs noch stärker zu unterstützen, um spezielle Lehrgänge gesondert durchzuführen, um einen Physiotherapeuten zu finanzieren für die Reiter, für die Pferde, um letztlich besser auftreten zu können. Die Laufzeit ist immer ein Jahr. Das heißt, man kann jederzeit einsteigen

Wenn Du ein Unternehmen für deinen Sport begeistern möchtest, was würdest Du ihm als Allererstes erzählen?

Ich glaube, man muss uns live erleben, um jede unserer Geschichten mitzufühlen. Das Pferd gibt uns so viel Stärke, das Leben zu meistern, den Alltag zu schaffen. Das Pferd ist für uns jeden Tag eine Motivation zu sagen, wir machen weiter, egal, wer wie auf die Welt gekommen ist oder welche Einschränkungen da sind. Aus dieser Zusammenarbeit mit dem Pferd entsteht so viel innere Kraft, dass man nicht aufhören möchte und immer weitermacht.

Ich danke dir für das Gespräch.

Über das Projekt „100 für 100“

Para-Dressurreiterin Regine Mispelkamp hat gemeinsam mit Melanie Wienand und weiteren Aktiven die Initiative „100 für 100“ ins Leben gerufen. Mit dieser wollen sie die Zukunft der Para-Dressur sichern und zugleich ein Zeichen für Inklusion, Leistung und gesellschaftlichen Zusammenhalt setzen. Die Idee: Gesucht werden 100 Unternehmen, die jeweils 100 Euro pro Monat beisteuern. Mit diesen Mitteln werden: Nachwuchstalente gefördert, Trainer und Betreuer weitergebildet, physiotherapeutische Maßnahmen für Reiter und Pferde ermöglicht, Ausrüstung und Materialien finanziert, professionelle Strukturen auf Landesebene aufgebaut, die Sichtbarkeit von Para-Sportlern in Gesellschaft und Leistungssport gestärkt. Wer die Initiative unterstützen möchte, meldet sich direkt bei Regine Mispelkamp.


Sie ist mit Pferden groß geworden und verbrachte jede freie Minute im Stall, im Sattel oder auf der Weide. Während ihres Studiums entdeckte sie ihre zweite Leidenschaft: den Journalismus – in Praktika und unzähligen Stunden als „rasende Reporterin“ auf Sportplätzen bei Wind und Wetter. 20 Jahre lang begleitete sie journalistisch die Fachzeitschrift Reiter Revue International – erst als Volontärin, dann als Redakteurin, und zuletzt als Redaktionsleiterin print. Zwischendurch machte sie für drei Jahre selbstständig, um an ihren Studienort Münster zurückzukehren (das private Glück konnte nur dort warten) und sich beruflich breiter aufzustellen. Später schrieb sie ein Kindersachbuch – natürlich über Pferde – und engagiert sich seit Gründung der Bewegung #doitride, deren Talks sie bis heute regelmäßig moderiert. In ihrer Rolle bei Hooforia möchte sie den Pferdesport mit konstruktivem Journalismus begleiten – kritisch hinschauen, Lösungen aufzeigen, Zusammenhänge erklären und den Dialog fördern.

Tags:
Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

HOOFORIA - Logo - gold-1
Billboard Eigenwerbung
Hilfe Icon