Im tiefen Allgäu bringt die Berlinerin Katrin Rheinländer Mix kleine Kinder und Ponys zusammen. Ein Herzensprojekt. Es geht um mehr als um junge Reiter von morgen finden. Sie will Vorbild sein und Werte schaffen.
Der Leuchtturm von Legau trägt weder rot weiße Streifen, noch sendet er Lichtsignale. Und hoch ist er auch nicht. Er steht inmitten eines Wohngebietes und fast schon könnte man ihn im Vorbeifahren übersehen. Der Leuchtturm von Legau ist die Ponyschule Lutz – ihre Größe ist eine ganz andere: Durch das Reiten im Kindergarten bringt sie Kinder ans Pferd. Und ist genau deshalb als erster Betrieb überhaupt vom Verein „Pferde für unsere Kinder“ als Leuchtturm ausgezeichnet worden.

Willkommen auf dem Ponyhof Lutz bei Katrin Rheinländer-Mix, die sagt: „Das Pferd ist ein Schatz, den ich Kindern näher bringen möchte.“ (© Roland Rupp)
Katrin Rheinländer-Mix kommt durch das Gartentor, eine energiegeladene Frau mit Berliner Dialekt – und das mitten im Allgäu, außergewöhnlich. Der Weg in den tiefen Süden der Republik führte über ihren Mann und die Pferde: Sie arbeitete zuvor bei einem Hengsthalter nahe Berlin und lernte bei einer Hengstschau in der Oberpfalz ihren Mann kennen, und zog nach Bayern.
Wie Katrin Reiten im Kindergarten möglich machte
Katrin war staatlich anerkannte Erzieherin, hatte in Neustadt/Dosse ihren Reitwart gemacht und – „es war schon immer mein Traum, eine Kinderreitschule zu haben“. Es fehlt schlichtweg das Geld und die familiären Umstände hatten es bis dato auch nicht zugelassen. „2005 lernte mein Mann Herrn Lutz kennen“, in Legau, mitten im Allgäu. „Herr Lutz hatte Ponys, das Herz am rechten Fleck und die Vision, Kindern hier in Legau das Thema Pferd zu ermöglichen, aber Herr Lutz war kein Pferdemann.“

In der Kita Arche Noah steht ein Holzpferd der Initiative „Pferde für unsere Kinder“. 20 Stück dieser Vierbeiner hat Katrin Rheinländer-Mix mittlerweile in Kitas der Umgebung gestiftet, teils allein, teils mit Sponsoren. (© Roland Rupp)
Mit ihrem Wissen, einem Pony sowie einem Großpferd an ihrer Seite zog sie mit ihrem Mann nach Legau und baute den Ponyhof zu einer Reitschule auf. „Das war anfangs nicht einfach, als Berlinerin und Frau“, sagt sie. „Niemand hat hier für Reitstunden gezahlt, und als Sportreiterin musste ich mich erst an die neue Situation gewöhnen.“ Sie hat sich den Respekt erarbeitet – jetzt wird sie sehr geschätzt. Das Erfolgsrezept: einfach nicht aufgeben und diszipliniert weiterarbeiten.
Das ist, was vielen Menschen heutzutage fehlt. Wir müssen lernen, nicht nur das schnelle Geld zu sehen. Denn Geld verdient habe ich am Anfang gar nicht.
– Katrin Rheinländer-Mix –
Bereits im jungen Alter Werte schaffen

An den Haken hängen die Utensilien der Ponys, unter dem Namen gibt es eine klitzekleine Beschreibung des jeweiligen Ponys – mit einem Augenzwinkern versehen. Und mit den Klammern an den bunten Pferden, können die Kinder festhalten, welche Bereiche sie schon geputzt haben. (© Roland Rupp)
Katrin Rheinländer-Mix hauchte ihrem Lebenstraum Leben ein: Sie bot Reitstunden für Kinder an, Wanderritte, baute das Projekt „jung und alt“, bei dem sie das örtliche Seniorenheim einlud, eine große Kaffeetafel aufbaute und die Kinder etwas vorreiten ließ.
2008 brachte sie das Reiten in den Kindergarten Arche Noah. Mit Barbara Fleschutz, der stellvertretenden Kitaleiterin, fand sie eine Mitstreiterin. „Ich bin neben einem Pferdehof groß geworden. Und für mich bedeuteten die Pferde immer totale Freiheit und Unbeschwertheit. Sie waren nur mit positiven Gefühlen verbunden und ich glaube deshalb war ich dafür von Anfang an offen“, erzählt uns an diesem Tag Barbara Fleschutz, als wir die Arche Noah besuchen.
Der Ponyhof Lutz ist in dem offenen Kita-Konzept der Arche Noah ein eigener Raum, den die Vorschulkinder einmal in der Woche aufsuchen, um gemeinsam Zeit mit den Ponys zu verbringen, in kleinen Teams den Auslauf abäppeln, mit den Spielzeugtreckern über den Hof fahren oder auch die anderen Tiere des Ponyhofs aufsuchen und über sie lernen. „Es ist eine Bereicherung“, sagt Barbara Fleschutz. „Es ist ein fester konzeptioneller Bestandteil. Die Kinder lernen dort, dass da jemand ist, der nichts von ihnen erwartet, sondern erst mal nur auf das reagiert, was sie machen.“
Reiten im Kindergarten hat positive Auswirkungen

Hier ist was los. An dieser Holzkonstruktion lernen die Vorschulkinder der Elefantengruppe die ersten Basics über das Pferd und den Umgang mit ihm. (© Roland Rupp)
Heute ist die Ponyschule Lutz weit mehr als ein Ort für Reitstunden. Rheinländer-Mix vermittelt ihren Schülern nicht nur den Umgang mit Pferden, sondern auch soziale Kompetenzen, Verantwortung und Empathie. „Das Pferd ist ein idealer Lehrer, um Werte zu vermitteln“, erklärt sie. Für die Kinder beginnt der Weg zu diesen Werten schon in der Ponyschule mit den sogenannten Hippolini-Reitstunden, wo das Vertrauen zwischen Mensch und Tier im Vordergrund steht. „Die Kinder lernen erst zu führen und zu putzen, bevor sie überhaupt auf dem Rücken eines Ponys sitzen dürfen.“
Die Hippolini-Methode wird mittlerweile von Katrins früherer Schülerin Lena Auburger geleitet, die wiederum auch eine Kollegin in der Kita ist – so schließt sich der Kreis. Rheinländer-Mix selbst übernimmt den weiteren Unterricht. „Und ich sage den Eltern immer: ihr investiert nicht umsonst in eure Kinder, egal ob sie danach noch weiterreiten oder nicht. Motorische Fertigkeiten und soziale Kompetenzen, weil sie immer in Teams arbeiten – sie nehmen immer etwas fürs Leben mit“, ist sie überzeugt.
Das Leben mit Pferden ist eine Herzensangelegenheit

In den Fühlkästen liegen Heu, Stroh, Pferdemüsli oder auch eine Bürste – die Kinder tüfteln gemeinsam, was wohl drinsteckt. Das stärkt die Sinne, das Miteinander und nebenbei das Wissen. (© Roland Rupp)
Die Ponyschule hat inzwischen über die Grenzen von Legau hinaus Bekanntheit erlangt. Für ihre Verdienste wurde der Ponyhof Lutz vom Verein „Pferde für unsere Kinder“ 2015 im Rahmen der Munich Indoors mit der bundesweiten „Leuchtturm“-Auszeichnung geehrt. Das liegt auch daran, dass Katrin nicht nur in Legau sondern auch in anderen Orten der Region, Kindergärten mit Holzpferden der Initiative „Pferde für unsere Kinder“ ausgestattet hat. Teils aus dem eigenen Geldbeutel, teils mit Partnern. „Das Pferd ist ein Schatz, den ich Kindern näherbringen möchte“, sagt sie.
„Wer mit Pferden arbeitet, lernt auch viel über sich selbst“, sagt Rheinländer-Mix. Für die 54-jährige Mutter ist das Leben mit Pferden eine Herzensangelegenheit, die sie auch an die nächste Generation weitergeben möchte. „Ich versuche den Kindern zu vermitteln, was ich früher gespürt habe: die Faszination für das Pferd und die Freude an der Arbeit mit Tieren.“
Vorbild sein und Verantwortung lehren

„Es geht um mehr als das Reiten. Die Kinder werden zu richtigen Teams, arbeiten miteinander – das ist unglaublich wertvoll.“ Barbara Fleschutz, stellvertretende Leitung des Kindergartens, im Gespräch mit Karolin Leszinski. (© Roland Rupp)
Mit der Ponyschule hat sie einen Ort geschaffen, an dem Kinder nicht nur Reiten lernen, sondern auch soziale Werte wie Empathie und Teamarbeit erfahren können. „Wenn wir Kindern zeigen, was es heißt, Verantwortung zu übernehmen, dann helfen wir ihnen, Werte zu entwickeln, die auch im späteren Leben wichtig sind“, ist Katrin Rheinländer-Mix überzeugt.
In den vergangenen zehn Jahren hat sich viel hinsichtlich des Nachwuchses für den Pferdesport getan, Corona hat beschleunigt, im negativen Sinn. „Es ist heute noch mehr ‚ich‘ oder ‚Ich und mein Kind‘ geworden, die Angst ist größer geworden“, beobachtet sie in vielen Familien. „Weil die Generation Mütter nicht mehr den Zugang zum Pferd hatten.“
Ich glaube, wir haben im Pferdesport zwei Generationen verloren. Das macht es so schwer. – Katrin Rheinländer-Mix –
Reiten im Kindergarten bringt Kindern Tiere spielerisch näher

Lena Auburger hat als kleines Kind auf dem Ponyhof Lutz reiten gelernt und ist nun auch Hippolini-Trainerin bei Katrin Rheinländer-Mix. (© Roland Rupp)
Kann sie dennoch Mut machen? „Ich werde nächstes Jahr 55, ich habe drei Kinder groß gezogen und kann nur sagen: ‚Bleibt entspannt, habt sie lieb, seid da und lasst eure Kinder Kinder sein‘.“ Sie sagt aber auch ganz klar: „Diese Arbeit mit Kindern und Pferden ist die Entscheidende. Wenn wir das Verständnis zu den Pferden und auch zur Landwirtschaft nicht fördern und Kindern nicht ganz früh zeigen, wie wichtig es ist, Verantwortung zu übernehmen, dann werden wir den Wert von Tieren, Pferden, Kühen oder Schafen verlieren. Deshalb ist es so wichtig, den Zugang zu schaffen.“
