Pferd mit Kopfverletzung – so leisten Sie erste Hilfe


Bild vergrößern Kopfverletzung beim Pferd durch Beißen

Kopfverletzungen sind häufiger, als man denkt: Bisse, Hängenbleiben nach dem Scheuern und vor allem stumpfe Traumata passieren im Alltag schnell. (© Christiane Slawik)

Im diesem Beitrag widmen wir uns Notfällen im sensiblen Kopfbereich des Pferdes. Erste Hilfe ist hier nur in begrenztem Umfang möglich – in den meisten Fällen muss bei einer Kopfverletzung schnell der Tierarzt gerufen werden. Umso wichtiger ist es, dass Sie als Pferdebesitzer wissen, welche Symptome wirklich gravierend sind. Wir möchten Ihnen diese Anzeichen näherbringen und zeigen Ihnen, wie Sie im Ernstfall richtig reagieren.

Um Kopf und Kragen – auch hier steckt viel Wahrheit drin. Jeder Pferdebesitzer weiß, wie empfindlich der Kopf eines Pferdes ist. Hier sitzen die Sinnesorgane: Augen für das Sehen, Ohren für das Hören, Nüstern für den Geruch, das Maul für Geschmack und Tastsinn – und dazu das Gehirn als Schaltzentrale für alle lebenswichtigen Funktionen und Teile des Atmungs- und Verdauungsapparates.

Geschützt wird dieser sensible Bereich lediglich durch die Haut und eine dünne Muskelschicht. Darunter liegt ein komplexes Gerüst aus über 30 einzelnen Knochen, die bei Schlägen oder Stürzen schnell Schaden nehmen können. Deshalb gilt: Kopfverletzungen sind immer ernstzunehmen. Was Pferdebesitzer im Ernstfall tun können, bis der Tierarzt eintrifft, und welche Symptome auf schwerwiegende Notfälle hinweisen, das erklärt Ihnen unsere Tierärztin Kathleen Teegen.

Selbst beim Schütteln kann es zu einer Kopfverletzung beim Pferd kommen

Selbst beim Wälzen in der Box passieren regelmäßig Verletzungen durch die seitlichen Begrenzungen der Wand oder des Trogs. (© Christiane Slawik)

Generelle Verletzungen am Pferdekopf

Obwohl man denken könnte, dass Verletzungen an den Beinen viel schneller entstehen können, sind Kopfverletzungen gar nicht so selten. Generell werden Wunden hier ähnlich behandelt wie an den Beinen oder an anderen Stellen des Körpers, jedoch wartet der Kopfbereich mit seiner speziellen Anatomie mit einigen Besonderheiten auf.

Erst mal liegen hier die wichtigsten Strukturen, wie das Gehirn oder die Sinnesorgane. Hier können also selbst kleinste Verletzungen zu gravierenden Folgen führen. Geschützt sind die Sinnesorgane durch den kräftigen Pferdeschädel, der bis zu 80 Kilogramm wiegen kann: Jeder Pferdehalter, der versehentlich mal im Wege stand und eine Kopfnuss bekommen hat, kann davon ein Lied singen.

Wichtig ist, dass sich hier keine dicke Muskelmasse zwischen Haut und Knochen befindet, so kann eine Kopfverletzung sehr schnell in Knochennähe sein. Außerdem ist der Kopfbereich sehr gut durchblutet.

Knochenbrüche – auch am Kopf möglich

Nach einem Tritt oder einem Stoß ist es gar nicht so selten, dass der Unterkiefer des Pferdes bricht. Da die Mandibula als beweglicher Teil des Kiefergelenkes für die Nahrungsaufnahme wichtig ist, muss bei einem Pferd, das plötzlich nicht mehr frisst oder stark speichelt, daher auch daran gedacht werden.

In einigen Fällen können jedoch auch nur eine Schwellung am Unterkiefer und Druckempfindlichkeit auftreten. Bei der Untersuchung ist auch beim Tierarzt Fingerspitzengefühl gefragt, denn ein Einsetzen des Maulgatters kann selbst schon bei intaktem Kiefer zum Bruch führen. Deshalb ist hier das Röntgenbild unabdingbar.

Auch andere Knochen im Kopfbereich können betroffen sein. Nasenbeinfrakturen fallen häufig durch Blutungen oder Schwellungen auf, während schwerere Schädelverletzungen die Atmung oder sogar das Gehirn in Mitleidenschaft ziehen können. Für Pferdebesitzer gilt: Treten plötzlich Schwellungen, blutiger Ausfluss aus Maul oder Nüstern oder auffällige Verhaltensänderungen auf, ist höchste Aufmerksamkeit gefragt.

Pferd mit Nasenbluten nach Kopfverletzung

Nasenbluten nach Belastung kommt vor, wenn feine Blutgefäße in der Nase reißen. Alles, was über Rinnsäle hinaus geht, sollte tierärztlich untersucht werden. (© Christiane Slawik)

Pferd bei Kopfverletzung ruhigstellen!

In allen Fällen von Kopf- oder Kieferfrakturen gilt: das Pferd ruhigstellen, weitere Belastung vermeiden und Blutungen vorsichtig stillen. Manipulationen im Maul oder am Kopf sollten unterlassen werden, bis der Tierarzt vor Ort ist. Er entscheidet anhand von Röntgenbildern oder weiteren Untersuchungen über das Vorgehen.

Kopfverletzung beim Pferd: Aus der Praxis

Empfindliche Gemüter sollten zum Punkt Facialislähmung springen, denn es gibt auch Fälle, die selbst hartgesottene Tierärzte schocken. Ich kam eines Abends zur Dienstübergabe in die Klinik und sah auf Box 11 ein Pferd, welches eine erschütternde Wunde hatte: Das rechte Auge war durchbohrt, und auch hinter dem Ohr war eine riesige Wunde. Auf Nachfrage erfuhr ich: Das Pferd hatte sich im Stall losgerissen und war in einen Frontlader gelaufen, der mit hochgefahrener Gabel abgestellt worden war. Ein Zinken bohrte sich vom Auge durch den Kopf hindurch.

Dieses Pferd konnte nicht gerettet werden, da wichtige Strukturen verletzt worden waren. Man kann manchmal leider gar nicht so verrückt denken, wie es mit Pferden kommen kann. Deshalb ist es sinnvoll, alles, was Verletzungspotenzial hat, zu entfernen – von der Mistgabel bis hin zum Nagel in einer Ecke der Reithalle kann alles zu einem Unfall führen.

Facialislähmung nach Kopfverletzung

Auch die Nerven können durch Traumata geschädigt werden – besonders der Gesichtsnerv, der für die Bewegungen von Ohren, Augenlidern, Nüstern und Lippen zuständig ist. Wenn folgende Symptome auftreten, sollten Pferdebesitzer aufmerksam werden: ein herabhängendes Ohr, eine schlaffe Oberlippe, eine schiefgezogene Nüsternöffnung, Futterverlust aus dem Maul oder ein Auge, das nicht mehr richtig geschlossen werden kann.

Auslöser sind oft Schläge oder Druckstellen am Kopf, zum Beispiel durch Zaumzeug oder das Halfter oder auch nach einer Narkose. Seltener stecken Entzündungen im Kopfbereich dahinter. In jedem Fall gilt: Tritt eine solche Lähmung plötzlich auf, muss der Tierarzt gerufen werden. Er kann die Ursache abklären und die Heilung unterstützen. Die Chancen auf Besserung sind meist gut, wenn rechtzeitig behandelt wird.

Pferd schaut aus Außenbox

Wenn das Pferd Teile des Kopfes schief hält, Gesichtshälften oder ein Ohr herunterhängt oder das Pferd unnormale Verhaltensauffälligkeiten aufweist, muss man genauer hinsehen. Oftmals ist ein Kopftrauma die Ursache. (© Christiane Slawik)

Suturitiden – häufiger als angenommen

Traumata können aber nicht nur Schädelbrüche auslösen, sondern auch sogenannte Suturitiden. Dabei handelt es sich um Entzündungen der Schädelnähte – jener feinen bindegewebigen Verbindungen zwischen den einzelnen Knochen, die dem Schädel seine Stabilität geben. Anders als lange angenommen, sind viele dieser Suturen beim Pferd nicht mit zwei Jahren vollständig geschlossen, sondern bleiben auch im Erwachsenenalter teilweise offen. Genau hier können Entzündungen entstehen.

Auslöser sind häufig Schläge oder Stürze, die die empfindlichen Nahtbereiche reizen. Auch nach Zahnoperationen, bei denen eine Kiefer- oder Nasennebenhöhle eröffnet wird, kann es in der Folge zu einer Suturitis kommen. Besitzer bemerken dies meist an auffälligen, harten Schwellungen entlang des Stirn- oder Nasenbeins, die sich längs einer Knochenlinie abzeichnen. Manche Pferde zeigen zusätzlich Tränenfluss, wenn die Entzündung den Tränenkanal beeinträchtigt.

Die Schwellungen sind oft erstaunlich schmerzarm, sodass die Veränderung leicht unterschätzt wird. Aufmerksam sollten Besitzer immer dann werden, wenn eine Schwellung am Kopf nicht zurückgeht oder größer wird, auch wenn das Pferd ansonsten unbeeindruckt wirkt. Dann ist tierärztliche Abklärung dringend nötig, um die Ursache zu klären und rechtzeitig eine Behandlung einzuleiten – denn je früher eine Suturitis erkannt wird, desto besser lassen sich Folgeschäden vermeiden.

Fremdkörper beim Fressen

Ein Fall aus den letzten Wochen macht deutlich, dass auch Fremdkörper im Kopfbereich möglich sind: Im holsteinischen Wedel präparierte ein Tierquäler Karotten mit Stecknadeln und legte sie in einem Offenstall aus – mit „Erfolg“: Ein Fuchswallach nahm den Köder auf, sodass eine Stecknadel mitten in seiner Zunge steckte. Diese konnte glücklicherweise entfernt werden, bevor sie in die Zunge rutschte.

Auch andere härtere Futtermittel wie Brötchen, Leckerlis oder Apfelstücke können sich im Kiefer so verkeilen, dass sie kurzfristig zu Speicheln oder unnatürlichen Kaubewegungen führen. Ein Abtasten von außen kann manchmal schon helfen zu lokalisieren, wo das Problem ist.

Augenverletzung nach Trauma beim Pferd

Bei Augenverletzungen nach Trauma, zum Beispiel Hängenbleiben am Halfter, muss immer auch der knöchernde Anteil der Augenhöhle gecheckt werden. Bei Druckschmerzen können Impressionsfrakturen dahinter stecken. (© Christiane Slawik)

Neurologische Symptome nach einer Kopfverletzung

Wenn nach einem Trauma folgende Symptome auftreten, ist besondere Vorsicht geboten: Taumeln oder unsicherer Gang, Gleichgewichtsstörungen, Schwäche oder Lahmheit einzelner Gliedmaßen, auffällige Schiefhaltung des Kopfes, plötzliche Blindheit oder veränderte Pupillenreaktionen.

Auch Krampfanfälle, Bewusstseinsstörungen, starkes Schreck- oder Benommenheitsverhalten sowie auffälliges Pressen gegen Wände oder unkontrollierte Bewegungen können auftreten. Solche Anzeichen deuten auf eine mögliche Gehirnerschütterung, eine Blutung oder die Schädigung von Nervenstrukturen hin.

Dicke Backen = Kopfverletzung beim Pferd?

Auch wenn es kein akuter Notfall ist, erreichen Tierärzte immer wieder Anrufe besorgter Besitzer, weil ihr Pferd plötzlich eine auffällige, bis zu fußballgroße Schwellung am Übergang vom Kopf zum Hals zeigt und es den Kopf nur eingeschränkt bewegen kann. Wenn dabei jedoch kein Fieber, keine Schmerzen und keine anderen Symptome auftreten, handelt es sich häufig um sogenannte „Grass Glands“ – eine Schwellung der Ohrspeicheldrüse (Parotis), auch Grass Mumps genannt.

Die Schwellung tritt besonders gegen Spätsommer auf, wenn das Gras stark abgefressen ist. Eine verbreitete Erklärung lautet: Da das Pferd weniger kauen muss (weil die Grashalme kurz sind), wird weniger Speichel gebraucht – und die Drüse „staut“ sich. Allerdings ist diese Theorie der Überproduktion und Ansammlung wissenschaftlich nicht ausreichend bestätigt. Häufiger wird eine reaktive Schwellung vermutet, z. B. durch allergische Reize oder andere Faktoren beim Grasen.

Hilfreich bei Grass Glands:

  • dem Pferd langfaseriges Heu anbieten (in hohem Heunetz), um wieder Kau- und Speichelfluss zu stimulieren.
  • beobachten, ob die Schwellung zurückgeht, wenn das Tier vom Gras weggebracht wird.

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