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Missbrauch am Pferd: Prof. Dr. Kathrin Schütz im Interview


Bild vergrößern Missbrauch am Pferd: Nahaufnahme Pferdeauge

Pferde sind hochsensible Tiere, die oft viel über sich ergehen lassen (müssen). (© Christiane Slawik)

Die immer häufiger werdenden Vorkommnisse von Missbrauch im Reitsport führen nicht nur zu Entsetzen, sondern lassen auch die Frage aufkommen, was Menschen wie Charlotte Dujardin, Andreas Helgstrand oder Cesar Parra dazu treibt, Tiere so zu behandeln. Wir haben mit der Psychologin Prof. Dr. Kathrin Schütz darüber gesprochen.

Was ist Ihrer Meinung nach der Grund für den Missbrauch an Tieren?

Bei Missbrauch gibt es verschiedene und individuelle Gründe, das lässt sich gar nicht pauschal sagen. Auf der einen Seite sind es beispielsweise das Leistungs- und Machtmotiv der Menschen, auf der andere Seite hochsensible Tiere, die eine andere Sprache als wir sprechen und sich meist nicht offensichtlich wehren. Es geht auch um Emotionen und das Kontrollerleben. Als Menschen sind wir bestrebt, die Kontrolle zu haben.

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Haben wir keine Kontrolle, führt das zu einer Disbalance, und wir möchten uns sie zurückholen. Dabei gehen jedoch einige über Grenzen. Machtmotivierte Personen versuchen, gute Gefühle über das Ausüben von Macht auf andere Menschen – oder die Tiere zu erreichen. Menschen gegenüber kann dies durch Status und Prestigegüter erreicht werden. Einfluss, Überlegenheit und Stärke Tieren gegenüber werden allerdings nicht durch teure Objekte erzielt, sondern über körperliches (Miss-)Handeln.

Nicht zu vergessen ist der Faktor Geld. Das Pferd „muss funktionieren“, um ganz oben mitzuspielen und das Tier gewinnbringend zu verkaufen. Es geht um das Streben nach Erfolg und Geld, aber auch um den Druck von Sponsoren. Wir kennen es wahrscheinlich im Kleinen alle: Unser Stressfass ist voll, alles läuft gerade schief, wir sind extrem genervt, und dann reicht nur eine Kleinigkeit, dass eine andere Person (oder ein Tier) dies zu spüren bekommt. Dann flippen wir aus – manchmal völlig unverhältnismäßig. Wir wollen dies vielleicht nicht, weshalb es uns im Nachhinein leid tut, aber es ist passiert.

Warum fällt Missbrauch am Pferd scheinbar so vielen Reitern leichter, als an einem Hund oder einer Katze? Oder ist das nur ein Irrglaube?

Das kommt natürlich auch darauf an, wo man gerade hinschaut. Sieht man, was aktuell in anderen Ländern mit Hunden und vielen anderen Tieren passiert, scheinen einige hier wenige bis gar keine Skrupel zu haben, egal welchen Tieren gegenüber. Medial werden bestimmte Bilder von Missbrauch besonders hervorgehoben, sodass der Eindruck entsteht, es wären vor allem genau diese oder jene Tiere. In unserer „Pferdebubble“ sehen wir vielleicht als erstes die Pferde – genau diese Themen bewegen uns (andere Tiere natürlich auch), das toucht uns emotional.

Pferde sind friedliebend und leiden meist still. Bis sich ein Pferd wirklich körperlich wehrt und nicht hilflos (Stichwort: erlernte Hilflosigkeit) alles über sich ergehen lässt, dauert es oft lange, bei manchen passiert das Wehren nie. Die Menschen sehen die Grenze dann erst recht nicht. Wenn dann im Stall die Mitmenschen das Ganze menschliche Verhalten auch noch fördern („Jetzt zeig ihm mal, wo der Hammer hängt!“) oder einfach wegschauen, gibt es vielfach kein Halten mehr. Die feinen Signale der Pferde werden übersehen (oder man kennt sie gar nicht erst).

Was genau bedeutet sportlicher Ehrgeiz, und wie passt dieser zu den Vorkommnissen?

Neben dem Machtmotiv gibt es auch noch das Leistungsmotiv. Diejenigen mit einem hohen Leistungsmotiv und einem großen Ausmaß an intrinsischer Motivation (von innen heraus) visieren Erfolge an. Teilweise haben sie mehr den Erfolg im Blick als den Teamgedanken. Es geht um etwas – oftmals gepaart mit dem Druck von außen (wir erinnern uns an die vergangenen Szenen des Fünfkampfs).

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Wichtig: So sind nicht alle! Wir dürfen an dieser Stelle nicht verallgemeinern, denn es gibt auch viele, die auf ihre Pferde und deren Wohlergehen achten. Hinzukommt, dass wir die Vorkommnisse vor allem im Leistungssport sehen, denn hier sind viele Augen und Kameras, die auch mehr sehen. Im kleinen Reitstall nebenan kann das Thema genauso vorhanden sein, es sieht nur keiner (hin).

Gibt es etwas, was alle Menschen, die besonders ehrgeizig sind, teilen? Auf was lässt sich ein extremer Ehrgeiz zurückführen? Was möchten ehrgeizige Menschen mit dem vermeintlichen Gewinn wirklich erreichen?

Eine Pauschalantwort gibt es leider nicht. Von innen heraus sind einige leistungsmotivierter und ehrgeiziger als andere. Ob im Sport, in der Schule, im Studium oder auf der Arbeit – Menschen ticken da ganz unterschiedlich. Ein Gewinn kann das Selbstwertgefühl stärken, das macht Menschen stolz und treibt sie an, weitere Erfolge anzuvisieren. Das Lob von außen kann eine Rolle spielen oder das Gefühl, es den Neidern „gezeigt“ zu haben.

Welche Krankheitsbilder oder Charaktertypen sind Ihrer Meinung nach anfälliger für ein Verhalten, das über die Grenzen des Wohlergehens des Tieres geht?

In der Psychologie gibt es die „Dunkle Triade“, die vor allem im personalpsychologischen Kontext beschrieben wird. Hierzu zählt der Narzissmus (sich für etwas Besseres halten), Machiavellismus (ohne Rücksicht auf andere und ohne Empathie Ziele erreichen) und Psychopathie (Rücksichtslosigkeit und Kaltblütigkeit ohne Angst vor Konsequenzen). Es fehlt leider an Studien, was das Überschreiten von Grenzen bei Tieren angeht, ich könnte mir aber vorstellen, dass diese Persönlichkeitsmerkmale auch in Bezug auf Missbrauch eine Rolle spielen können. Andere haben (zusätzlich) eine geringe Selbstkontrolle. Hier geht es darum, die eigenen Reaktionen zu regulieren und Handlungen zu steuern.

Glauben Sie, dass die Reiterwelt den Menschen den groben Umgang mit dem Pferd noch immer stark vorlebt?

In einigen Kreisen ist das sicherlich noch der Fall, es tut sich aber einiges im Reitsport. Glücklicherweise schauen viele genauer hin und agieren im Sinne der Pferde. Hier schauen wir vor allem auf Deutschland. Wirft man den Blick in andere Länder, steht das Wohl der Tiere leider nicht im Fokus. Das, was für uns so wichtig ist und von dem wir denken, dass es anderen Menschen (in anderen Ländern) genauso wichtig ist, ist dann ein Fehlschluss. Auch im Alltag haben wir die Tendenz, dass andere doch so „ticken“ müssten wie wir. Und dann sind wir enttäuscht, wenn dem nicht so ist.

Wieso lernen Menschen nicht aus den Fehlern von anderen bzw. wann tun sie das?

Als Menschen vergleichen wir uns ständig mit anderen. Wir sehen diejenigen, die unsere Vorbilder sind („So wäre ich auch gerne“; Aufwärtsvergleiche) und andere, die schlechter sind als wir (Abwärtsvergleiche). Ich muss mich mit der anderen Person möglichst gut identifizieren können und dieser ähnlich sein, um – im besten Fall – aus deren Fehlern zu lernen. Zeige ich eher von oben herab auf die Person (Abwärtsvergleich), fehlt die Ähnlichkeit oftmals („Das würde ich so ja nie machen“), und somit fehlt auch die Vergleichbarkeit.

Wie ist Ihrer Meinung nach eine Sensibilisierung für das Thema Missbrauch möglich, sodass bei möglichst vielen Reitern ein Umdenken für mehr Tierwohl stattfindet?

Ich glaube, die nonverbale Sprache der Pferde sollten wir uns alle noch genauer anschauen – Pferde sind so fein, nur wir sehen es oftmals nicht. Auch in den pferdegestützten Coachings sind es manchmal nur Nuancen, in denen das Pferd den Menschen spiegelt, ob es um das Verhalten oder Emotionen geht. Teilweise interpretieren die Personen das Ganze jedoch anders, und erst in den Videoanalysen werden Missverständnisse aufgedeckt.

Die großen Fälle, die wir aus den Medien kennen, sind (hoffentlich) für die meisten ziemlich weit weg. Wir sollten aber auch mal im Kleinen in unserem Stall hinschauen, wo uns das Verhalten den Pferden gegenüber Bauchschmerzen bereitet, und bei uns selbst anfangen. Mit dem Finger auf andere zu zeigen ist viel einfacher und angenehmer, als bei uns selbst hinzuschauen, ist anstrengender und unangenehmer.

Wir können im Umgang mit unserem Pferd anfangen, kleine Signale besser zu verstehen. Oder einfach mal fünf Minuten im Auto innehalten, wenn wir gerade gestresst und genervt im Stall ankommen, damit unser Pferd das nicht abbekommt. Das Handy im Spind zu lassen (und nicht vom Pferd aus oder beim Longieren Nachrichten zu beantworten oder Social-Media-Neuigkeiten zu lesen) ist auch schon eine respektvolle Achtsamkeitsgeste unserem Pferd gegenüber (ebenso wie im Café unseren Freunden gegenüber).

Vielen Dank für das Interview!

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Schon immer war die Leidenschaft für Pferde riesig, sodass Lara Wassermann mit zehn Jahren ihr erstes Pony bekam. Ein vierjähriges Deutsches Reitpony. Gerade erst Wallach, hatte Elvis einiges zu bieten: Neben einem großen Springtalent und einer durchaus ansehnlichen Dressurbegabung hatte er vor allem eines – Power im Hintern. Die Angst vor möglichen Stürzen kam bei Lara trotzdem nie so wirklich durch, sodass sie kurze Zeit später begann, wirklich knifflige Ponys auf einem Hof zu bereiten. Lara und Elvis gingen mit Erfolg einige Spring- und Dressurprüfungen. Die Liebe zu Pferden sollte nicht ihre Einzige bleiben – in der Jugend folgte die Leidenschaft fürs Schreiben. Während und nach ihres Journalismusstudiums an der Business and Information Technology School schrieb sie fleißig als freie Mitarbeiterin für die WAZ und das Brautmagazin „Braut und Bräutigam“. Anfang 2016 landete sie dann bei Mein Pferd und kann seitdem zwei Leidenschaften miteinander verbinden – wer kann das schon von sich behaupten? Die Vorliebe für knifflige Ponys ist geblieben – bleibt nur zu hoffen, dass ihr Leitspruch sie nicht im Stich lässt: Fortuna favet fortibus (das Glück ist mit den Mutigen). 040/38906-475

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