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Dressurreiterin Regine Mispelkamp und ihr Weg zum Parasport


Bild vergrößern Regine Mispelkamp ist eine der erfolgreichsten deutschen Para-Dressurreiterinnen.

Regine Mispelkamp ist eine der erfolgreichsten deutschen Para-Dressurreiterinnen. (© www.sportfotos-lafrentz.de/Sharon Vandeput)

Regine Mispelkamp ist eine der erfolgreichsten deutschen Para-Dressurreiterinnen. Nach der Diagnose Multiple Sklerose wagte sie den Schritt in den Parasport – erfolgreich.

Im Interview spricht Regine Mispelkamp über ihren Weg, besondere Momente mit ihrem Pferd und ihre Vision für mehr Inklusion im Reitsport.

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Frau Mispelkamp, wie und wann sind Sie zum Reitsport gekommen?

Ich bin schon früh über meine Eltern zum Reiten gekommen. Mit drei Jahren saß ich das erste Mal auf einem Esel. Ab sechs ritt ich dann täglich Ponys, später dann das Springpferd meines Vaters. Alle fanden das „süß“, weil ich so klein und das Pferd so groß war. Ich wollte aber nicht niedlich wirken, sondern ernst genommen werden. Mein Ehrgeiz war schon damals größer als ich selbst (lacht).

Wie kam der Wechsel zur Dressur?

Kurz nach meinem 18. Geburtstag, als ich noch zur Schule ging und das Abitur vor der Tür stand, bekam ich ein neues Pferd zum Reiten. Das Pferd war so untalentiert fürs Springen. Bevor ich mir mit dem Pferd beim Springen etwas antue, dachte ich mir: Probier’s halt mal mit Dressur. Und so bin ich zur Dressur gekommen.

Wie sieht Ihr beruflicher Werdegang aus?

Nach dem Abitur habe ich erst Biotechnik studiert, wollte in Richtung Pathologie gehen. Doch durch familiäre Veränderungen musste ich mein Studium abbrechen und eine Ausbildung zur medizinisch-technischen Assistentin (MTA) machen. Nebenbei habe ich schon immer viel geritten, später Kundenpferde ausgebildet. Als mir dann ein Job im Blutgruppenlabor angeboten wurde – was mir ehrlich gesagt nicht viel Freude versprach – habe ich mich entschieden, voll auf den Reitsport zu setzen. Über die klassischen Prüfungen habe ich mich weiterqualifiziert, bis hin zur Meisterprüfung und zum Diplom-Trainerstudium 2019.

Regine Mispelkamp und Highlander Delight’s.

Regine Mispelkamp und Highlander Delight’s. (© Stefan Lafrentz)

Wie kamen Sie zum Parasport?

Die Diagnose Multiple Sklerose war ein großer Einschnitt in meinem Leben. Ich hatte lange Angst, sie öffentlich zu machen, aus Sorge um meine Existenz als Reiterin. Erst durch ein Gespräch mit meiner Trainerin Ulrike Nivelle, die mich dazu ermutigte, überlegte ich es mir anders. Nach mehreren Monaten innerer Auseinandersetzung entschied ich mich, in den Parasport zu wechseln.

Rückblickend war das eine der besten Entscheidungen meines Lebens. Ich bin dadurch offener und befreiter geworden, auch wenn ich sicher nie der geselligste Typ werde. Der Anfang war hart, besonders das erste Jahr nach der Bekanntmachung 2018, aber es hat mich stärker gemacht und mir gezeigt, dass ich meinen Weg gehen kann.

Was war Ihr bisher größter Erfolg im Para-Dressursport?

Seit meinem Einstieg 2018 durfte ich jedes Jahr Deutschland bei einem Championat vertreten – mit verschiedenen Pferden, die ich mit Unterstützung von Silke Fütterer-Sommer und Ulrike Nivelle selbst aufgebaut habe. Die Paralympics in Tokio waren sicher ein besonderer Meilenstein: mit dem jüngsten Pferd im Feld und als einzige Deutsche mit Medaille nach Hause zu kommen, das hat mich auch persönlich sehr geerdet.

Gibt es einen besonderen Erfolg, der Ihnen im Gedächtnis geblieben ist?

Da bin ich ein bisschen zwiegespalten. Natürlich war Paris mit drei Medaillen, darunter zwei Einzelsilbermedaillen, ein absolutes Highlight. Aber ein ganz besonderer Moment war tatsächlich mein erster öffentlicher Auftritt im Parasport 2018 in Mannheim. Es war überwältigend. Ich gewann drei Prüfungen und wurde als „Ass im Ärmel“ bezeichnet. Besonders die Siegerehrung mit der Nationalhymne hat mich tief berührt. Mir liefen die Tränen über das Gesicht, aber gleichzeitig habe ich mich auch ein bisschen geschämt. Damals war ich emotional noch nicht so weit, das alles offen zu zeigen.

Welche Momente im Sattel waren für Sie emotional besonders bewegend?

Die Weltreiterspiele in Tryon 2018 waren mental besonders herausfordernd. Aber eben auch unglaublich prägend. Tokio war dann auf vielen Ebenen ein emotionaler Höhepunkt. Besonders bewegt hat mich die Erfahrung, mit Menschen unterschiedlichster Einschränkungen gemeinsam Höchstleistungen zu erbringen. Das hat meine Sicht auf Sport und Menschsein noch einmal verändert.

Wie würden Sie Ihr Pferd Highlander Delight’s charakterlich beschreiben?

Anfangs glaubten nur wenige an das Pferd, aber wir haben immer an ihm festgehalten und jetzt, wo er erfolgreich ist, heißt es plötzlich: „Den hätten wir auch genommen.“ Er ist eine eigene Persönlichkeit, irgendwo zwischen Macho und sensibel (lacht). Wasser findet er total blöd, Fliegen sind furchtbar, und wenn es los geht, entscheidet er auch mal spontan, dass er gerade keine Lust mehr hat. Aber sobald eine Kamera auf ihn gerichtet ist, zeigt er sich wie ein Profi. Man denkt wirklich: Der ist dafür gemacht.

Gab es in Paris einen Moment, der Ihnen besonders in Erinnerung blieb?

Ja, absolut. Vor dem Einritt zur Prüfung ging es vom Vorbereitungsplatz ein kleines Stück bergab, um einen Turm herum, und plötzlich fing er wieder an, sich über irgendetwas aufzuregen. Was auch immer er da gesehen hat. Ich habe ihn angeschaut und einfach gesagt: Jetzt reiß dich zusammen. Los jetzt! Und dann – die Schranke geht auf – und er ging da rein, als wäre es das Schönste überhaupt. Die gesamte Prüfung war er so fokussiert, so bei mir. Nicht ein einziger Moment, in dem ich das Gefühl hatte, dass er etwas anderes im Kopf hatte. Bei der Grußaufstellung, als der Applaus einsetzte, stand er einfach da wie ein Monument. Ganz ruhig, ganz stolz.

Ich hatte die Zügel lang gelassen, habe ihn gelobt, gewunken und er hat das alles mit einer unendlichen Gelassenheit aufgesogen. Kein Schreckmoment, nichts. Er ist ganz lässig aus dem Stadion rausgelaufen. Das war ein emotionaler Gänsehautmoment für mich. Wenn ich heute noch die Aufzeichnung sehe oder die Szene irgendwo eingespielt wird, bekomme ich Tränen in den Augen. Es macht mich einfach unglaublich glücklich, dass dieses Pferd so viel Vertrauen aufgebaut hat und dass er diesen Moment wirklich genossen hat. Das ist schon etwas ganz Besonderes.

Eingeschworenes Team: Regine Mispelkamp und Highlander Delight’s.

Eingeschworenes Team: Regine Mispelkamp und Highlander Delight’s. (© Stefan Lafrentz)

Wie gehen Sie mit Leistungsdruck um, besonders bei großen Turnieren wie den Paralympics?

Ganz ehrlich? Eigentlich hilft mir mein starker Fokus sehr. Ich bin jemand, der gut alles ausblenden kann. Ich stelle mir vor, das Viereck sei wie jedes andere, die Buchstaben immer an derselben Stelle. Das hilft mir enorm. Natürlich bin ich trotzdem aufgeregt, besonders bei großen Ereignissen wie Tokio, aber das Vertrauen in mein Pferd gibt mir Sicherheit.

Was macht für Sie die Beziehung zwischen Reiter und Pferd aus?

Vertrauen. Und Geduld. Ich mag Pferde, die etwas spezieller sind. Mein aktuelles Championatspferd Highlander Delight’s zum Beispiel: Als ich ihn gekauft habe, war er äußerlich hübsch, aber nicht ausdrucksstark. Ich habe ihn körperlich und mental umgebaut. Heute ist er eine echte Persönlichkeit. Die tägliche Arbeit zeigt mir: Pferde spiegeln alles, was wir ihnen geben. Und wenn sie anfangen zu strahlen, ist das ein ganz besonderes Gefühl.

Wie sieht Ihr tägliches Training aus?

Individuell angepasst. Jedes Pferd hat andere Bedürfnisse, andere Tagesformen. Ich achte darauf, sie nicht zu überfordern, sondern ihre Talente gezielt zu fördern. Der Schlüssel ist das Zuhören. Reiten ist Kommunikation.

Was motiviert Sie Tag für Tag?

Die Arbeit mit den Pferden selbst. Und der Wunsch, immer noch ein Stück besser zu werden: für mein Pferd, für mich, für meine Schüler. Es hört nie auf. Es gibt immer etwas zu verfeinern, zu entdecken.

Wie hat sich der Parasport Ihrer Meinung nach in den letzten Jahren entwickelt?

Der Parasport hat in den letzten Jahren viele Fortschritte gemacht, ist aber in der Öffentlichkeit noch immer nicht präsent genug. Ich bin seit einigen Jahren Aktivensprecherin und versuche, mehr Sichtbarkeit zu schaffen. Viele Menschen – selbst im Reitsport – wissen kaum etwas über unsere Leistungen oder die Klassifikationen. Dabei machen wir im Prinzip dasselbe wie die Regelsportler nur eben mit Einschränkungen.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft des Para-Reitsports?

Mehr Anerkennung, mehr Aufmerksamkeit in den Medien, mehr Nachwuchs. Es müsste viel mehr Aufklärung geben, über die Reiter, die Pferde, den Sport an sich. Ich finde es traurig, wie wenig Interesse teilweise da ist. Dabei zeigen gerade Grade I-Reiter – also mit den stärksten Einschränkungen – beeindruckende Ritte. Wer das einmal erlebt hat, wird den Parasport mit anderen Augen sehen.

Was tun Sie gerne, wenn Sie nicht im Sattel sitzen?

Ich gebe viel Unterricht, gehe mit meiner Hündin spazieren und koche und backe gern – das ist ein schöner Ausgleich.

Welchen Rat würden Sie jungen Menschen geben, die trotz Handicap Leistungssport machen wollen?

Ich glaube, jeder Mensch verarbeitet Schicksalsschläge anders – und das ist auch völlig okay. Rückblickend kann ich für mich sagen: Hätte ich früher öffentlich dazu gestanden, wäre es mir mental früher besser gegangen. Aber man kann die Zeit nicht zurückdrehen. Ich kann nur immer wieder betonen: Sucht euch etwas, das euch wirklich Freude bereitet – etwas, das so stark ist, dass es diesen Schicksalsschlag in den Hintergrund rücken lässt. Dann lernt man, damit umzugehen. Natürlich braucht man dafür auch Eigenantrieb – ohne den wird es schwerer. Aber das Leben hat so viel Schönes zu bieten, egal ob mit oder ohne Einschränkungen. Das zu suchen, lohnt sich. Immer.

Gibt es etwas, das Ihnen besonders am Herzen liegt?

Ja, wir haben eine Initiative gestartet, um den Parasport sichtbarer zu machen und Unterstützer zu gewinnen. Besonders wichtig ist die WM im kommenden Jahr in Deutschland, gemeinsam mit dem Regelsport. Das ist ein Meilenstein für Inklusion, und ich wünsche mir mehr Aufmerksamkeit und Begeisterung für diesen Sport. Medial mit Artikeln, Social-Media-Aktionen, Hashtags, und so weiter. Alles, was hilft, um diesen tollen Sport auf gesündere Füße zu stellen. Im Hinblick auf L.A. und alles, was noch kommt, brauchen wir Begeisterung, Mitträger und Sichtbarkeit. Und ich freue mich über jeden, der ein Stück dieses Weges mitgeht.

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