Für Kinder und Jugendliche ist der Umgang mit Pferden in Bezug auf ihr eigenes Selbstbewusstsein ganz besonders prägend. Wir haben nachgefragt, worauf es ankommt.
„Jedes Kind sollte die Möglichkeit bekommen, einmal mit einem Pferd in Kontakt zu treten“, sagt Rosi Schreiber-Jetzinger. Sie unterrichtet im Reitverein Pferdeerlebnis Bierbaum Kinder im Alter von 3 bis 14 Jahren und führt sie behutsam an Pferde heran. Einige der Kinder hat sie im Zuge unseres Interviews gefragt, ob sie durch den Umgang mit den Pferden selbstbewusster geworden sind. „Die Antwort war, dass sie gelernt hätten, sich selbst besser wahrzunehmen und zu spüren“, erzählt sie. Die Reitlehrerin war beeindruckt. Mit so einer reflektierten und tiefgründigen Antwort hatte sie gar nicht gerechnet.
Der Grund sei, dass sie vom Pferd immer direkt ein Feedback bekommen. Rosi Schreiber-Jetzinger achtet bei ihrem Unterricht darauf, dass es nicht nur ums Reiten geht. „Auch der ganze Umgang mit dem Pferd ist wichtig“, sagt sie. Und für verschiedene Kinder gibt es auch verschiedene Ponys und Pferde. Nicht nur was die Größe angeht, auch die Persönlichkeit spielt eine Rolle. „Die Paare, die zueinander passen, finden sich“, sagt sie. So lernen unsichere Reitschüler von selbstsicheren Pferden. Mutige Kinder mit einer ordentlichen Portion Selbstvertrauen kommen gut mit den ängstlicheren Pferdepersönlichkeiten zurecht. Dabei lernen sie von und miteinander und wachsen daran.
Pferde und Kinder – ein starkes Team
Dass Pferde und Ponys etwas in der Persönlichkeitsentwicklung bei Kindern bewirken, kann auch Ulrike Mohr bestätigen. Sie leitet das Kinderreitsportzentrum Bensheim. „Kinder im Alter von drei bis fünf Jahren haben noch keine Selbstreflexion. Sie erleben vieles zum ersten Mal und probieren viel aus“, beschreibt Trainerin Maja Baier, die Ulrike Mohr bei ihrer Arbeit unterstützt. „Sie müssen erst lernen, dass nicht alles sofort funktioniert“, sagt sie.
Bei den Vorschulkindern stehe der Umgang mit den Ponys im Vordergrund, nicht das Reiten. Dadurch lernen sie Empathie und feste Strukturen kennen und das Pferd als Partner zu schätzen, denn das sind die Pferde auf dem Hof. „Pünktchen ist schon lange dabei und genießt auch hier seine Rente. So lernen die Kinder, dass jeder wertvoll an seinem Platz ist“, sagt Ulrike Mohr. Auch die Eltern werden mit eingebunden. Das sei wichtig, weil einige erst ein Verständnis für das Pferd entwickeln müssen“, erklärt sie.
Kleine Entdecker, große Wirkung
Grundschulkinder sind zwischen sechs und zehn Jahren alt. Sie sitzen den halben Tag im Klassenzimmer, müssen sich konzentrieren und haben deutlich weniger Bewegungserfahrungen im Alltag. Das ist die besondere Herausforderung dieser Gruppe, die schon selbstständiger ist. „Wenn sie schon länger bei uns sind, sind sie ganz stolz, weil sie bereits viel über Pferde wissen und ihre Ponys zu großen Teilen selbstständig pflegen und satteln können“, erzählt Maja Baier.
Der Unterschied fällt besonders auf, wenn Kinder in diesem Alter erst in das Kinderreitsportzentrum kommen. „Die Kinder, die von Grund auf auch im Umgang mit den Ponys geschult wurden, sind viel mutiger und haben auch andere Lösungen im Kopf, die sie sich auch trauen auszuprobieren“, erzählt sie und gibt ein Beispiel: „Klappt etwas beim Reiten nicht, steigen unsere Kinder ab und versuchen es vom Boden.“ Das läge auch daran, dass sie jede Menge Selbstvertrauen haben, weil sie routiniert sind und die Regeln und Abläufe kennen.
Prägende Ponyzeit: Selbstvertrauen stärken
„Eine weitere Besonderheit ist, dass die älteren Kinder nun mit der Benotung in der Schule auch mit unserer fehlerorientierten Gesellschaft konfrontiert werden“, erzählt Ulrike Mohr und verdeutlicht: „Ältere Kinder erzählen, was nicht geklappt hat. Jüngere erzählen, was toll war.“ Im Kinderreitsportzentrum lernen die Reitschüler daher, dass sich auch immer ein Blick auf die Stärken lohnt. „Wenn die Kinder auf ein Turnier fahren, dann kann in einer Prüfung nur einer gewinnen“, erklärt die Reitlehrerin.
Diese Erfahrung gehört dazu. Doch auch wenn die Kinder ohne Schleife nach Hause fahren, sollen sie daran denken, was alles schon geklappt hat und dass es alleine dadurch kein Misserfolg war. „Das ist wichtig für ihr Selbstvertrauen und sie lernen selbstständig kleine Erfolge und Verbesserungspotenzial zu erkennen“, sagt sie.
Pferde und Kinder – eine Bindung fürs Leben
Ab dem Alter von zwölf Jahren können die Kinder eine Ausbildung zum Nachwuchstrainerassistenten machen. „Das macht eine Menge mit dem Selbstbewusstsein der Kinder“, betont Ulrike Mohr. „Das ist auch ein Alter, in dem Kinder sehr schnell lernen. Allerdings sorgt die Pubertät auch wieder für Unsicherheiten“, beschreibt Maja Baier die Altersgruppe. Die Pubertät ist andererseits auch die Zeit, in der viele das Interesse am Reitsport verlieren.
„Aber es kommen immer wieder ehemalige Reitschüler zu uns zurück, um ihre alten Schulponys zu besuchen“, erzählt Ulrike Mohr. Das berührt die Leiterin des Kinderreitsportzentrums sehr. „Die ehemaligen Reitschüler erzählen häufig, dass sie ohne die Pferde nicht da wären, wo sie jetzt sind. Das bestätigt mich auch in meiner Ansicht, dass alles mit gut ausgebildeten Trainern steht und fällt, die pädagogisch mit Kindern arbeiten. Es ist mein Herzenswunsch, dass darauf mehr Wert gelegt wird, weil es die Kinder für ihr ganzes Leben prägt.“
