Der Begriff Burnout ist in aller Munde. Einst als Mode- oder Managerkrankheit abgetan, ist Burnout heutzutage ein sehr weitverbreitetes und voll akzeptiertes Krankheitsbild in der Humanmedizin, das durch seine vielfältigen Ausprägungen eine große Herausforderung für Betroffene, Ärzte und Therapeuten darstellt. Doch was ist ein Burnout? Wie lässt sich dieser diffuse Symptomkomplex, von dem immer mehr Personen betroffen sind, treffend umreißen?
Ein Burnout ist ein chronischer Erschöpfungszustand durch lang anhaltende Überforderung der eigenen physischen und psychischen Kräfte. Dieser Zustand wird sehr oft durch starken Stress hervorgerufen und kann beim Mensch durch große Belastung, das Fehlen eines sozialen Netzes, ein Helfersyndrom, Angst und ausgeprägten Ehrgeiz bedingt sein. Doch nicht nur der Mensch ist davon betroffen – Burnout bei Pferden zeigt sich vor allem in ihrem Ausdrucksverhalten gegenüber Artgenossen und dem Menschen.
Die Ursachen sind ähnlich: Permanenter Stress durch Überforderung, falsche Haltung und Kommunikationsprobleme bringen die Seele und den Körper eines Pferdes dauerhaft aus dem Gleichgewicht. Ein Burnout ist keine Krankheit, die innerhalb weniger Tage ausbricht. Sie entwickelt sich über mehrere Phasen und verstärkt sich über die Länge der Zeit – bei Mensch sowie Pferd.
Missachtung natürlicher Bedürfnisse: Burnout bei Pferden
Wenn wir die Grundbedürfnisse von Pferden betrachten, wie beispielsweise den sozialen Kontakt zu anderen Pferden in einer homogenen Gruppe oder Herde, artgerechtes Futter und ausreichenden Auslauf, werden wir feststellen, dass diese in ganz vielen Fällen nicht einmal ansatzweise erfüllt sind. Bei Missachtung der natürlichen Bedürfnisse eines Pferdes ist das Burnout-Risiko groß. So kann jedes Pferd davon betroffen sein – Freizeitpferde sowie Turnier- und Showpferde.
Durch immer intensivere Pferdeverhaltensforschung werden immer neue, nuancierte Verhaltensmuster festgestellt, die man früher nicht wahrgenommen, falsch interpretiert oder einfach nicht beachtet hat. Viele Pferde werden noch nach Methoden ausgebildet und gehalten, die nicht dem neusten Wissensstand entsprechen, womit oftmals Kommunikationsprobleme einhergehen.
Pferde werden heute anders betrachtet als früher – psychische Probleme werden früher erkannt. (© KOK Fotodesign)
Symptome und Phasen des Burnouts
Diese führen gepaart mit den immer höher werdenden Ansprüchen der Halter im Freizeit- sowie im Turniersport zu extremen Belastungen bei Pferden, denen sie auf Dauer nicht gerecht werden können. Besonders bei Turnier- und Showpferden sind die Burnout-Symptome früher oder später gut erkennbar, da immer ein starker Leistungsabfall mit dem Krankheitsbild einhergeht.
Die erste Burnout-Phase, die Alarmphase, ist Ausdruck dafür, dass ein Dialog zwischen Mensch und Pferd schwieriger zu führen ist als unter seinesgleichen. Mensch und Pferd haben je eigene Kommunikationswege. Dies kann zu Störungen und Konflikten zwischen beiden führen. Oft versucht der Mensch bei gestörter Kommunikation zum Pferd, seine Ziele mittels Druck und Gewalt durchzusetzen. Dadurch entsteht für das Pferd ein hoher, oftmals anhaltender Stresslevel. Dieser Stress kann durch falsche Haltung, Überforderung bei der Arbeit und nicht harmonischem Umgang verursacht werden.
Anhaltender Stresspegel – Burnout bei Pferden
Über die Nebennieren wird das Hormon Kortisol ausgeschüttet, welches das wichtigste Stresshormon des Fluchttiers Pferd ist. Langfristige Ausschüttung von Kortisol allerdings kann das Immunsystem des Pferdes schwächen und es anfälliger für Krankheiten machen. In der Alarmphase kann man einen erhöhten, zu lang anhaltenden Wert an Kortisol im Blutbild feststellen; das Pferd befindet sich fortwährend im Stress.
Oft können erste Verhaltensauffälligkeiten beobachtet werden, mit denen das Pferd den anhaltenden Stresspegel zu kompensieren versucht. Solche Bewältigungsstrategien können starke Unruhe, Aggression, Koppen, Weben und Stereotypie sein. Wird die Alarmphase beim Pferd nicht erkannt und behandelt, wird es nahtlos in die Widerstandsphase übergehen: Das Tier versucht sich gegen Überforderung zu wehren, mit seinem ablehnenden Verhalten etwas mitzuteilen.
Erschöpfung als Folge von Überforderung
Der Widerstand wird am Boden sowie beim Reiten sehr direkt gezeigt. Klare Signale sind u. a. Steigen, Buckeln, Beißen, mit Angriff drohen, totale Verweigerung. Das Pferd wird solange Widerstand leisten, bis es sich entweder von der Überforderung oder dem Nicht-Wohlfühlen befreien kann oder – und das ist der meist zutreffende Fall – sein Wille gebrochen wird; ein Zustand, der meistens mit Gewalt und Demütigung erreicht wird. Immer währenden Widerstand können nur ganz wenige Pferde auf Dauer durchhalten, die meisten haben keine Kraft, diesen aufrechtzuerhalten. Sie sind schlicht und ergreifend vom Widerstand erschöpft.
Die Erschöpfungsphase ist ein ganz deutliches Zeichen einer dauerhaften, über einen längeren Zeitraum anhaltenden Überforderung. Dieser Zustand kann nicht mit einer kleinen Pause oder durch kurzes Ausspannen korrigiert werden. Oft zeigt das Pferd chronische Symptome: eine anhaltende Kraftlosigkeit, Magengeschwüre, Atembeschwerden und ständige Lahmheit, um nur einige zu nennen.
Verwechslung mit Gehorsam: Burnout bei Pferden
Das Pferd entwickelt ein Desinteresse an seiner Umwelt und an sozialen Kontakten zu anderen Pferden und zum Menschen. Man findet keinen Zugang mehr, das Pferd zieht sich immer mehr zurück. In der Rückzugsphase des Pferdes fallen sofort seine Teilnahmslosigkeit sowie sein apathisches Verhalten auf. Sein Ausdruck in den Augen ist nicht lebendig, seine Reaktionen sind eher zurückhaltend und energielos – als würde es am eigenen Leben nicht mehr teilnehmen.
Viele Besitzer erkennen die Anzeichen jedoch nicht, sondern verwechseln diese oft mit absolutem Gehorsam. Andere Verhaltensauffälligkeiten können bis zur Selbstverletzung als Emotionsregulation oder unkontrollierten Aggressionsausbrüchen führen.
Diagnose – Oftmals nicht erkannt
Die Diagnose eines Burnouts ist nicht einfach zu stellen: Es wird oftmals nicht erkannt, was das Pferd mitteilen will. Wir neigen dazu, Verhaltensauffälligkeiten schnell und schematisch zu beurteilen, wir nehmen uns sehr wenig Zeit zu beobachten und zu hinterfragen, warum das Pferd verschiedene Symptome aufweist und was es uns damit sagen möchte. Wenn das Pferd sich in einem erschöpften Zustand zeigt, wird sehr schnell der Tierarzt verständigt, Änderungen an der Fütterung vorgenommen und/oder ein Physiotherapeut gerufen.
Allerdings bleibt bei diesen singulären, nicht ganzheitlichen Behandlungsmethoden der erhoffte Erfolg im Falle eines Burnouts aus. Auch der psychische Zustand des Pferdes muss bei der Anamnese genau beleuchtet werden. Die Diagnose eines Burnouts bedarf einer zusammenfassenden Beurteilung eines veterinärmedizinischen Befunds und typischer Gruppen von Symptomen. Erst nach gründlicher und umfassender Bewertung der Ausgangslage kann der Therapieplan individuell erstellt werden.
Therapie: Burnout bei Pferden
Einen Burnout beim Pferd zu therapieren, bedarf Zeit und Geduld. Die Therapierung muss interdisziplinär erfolgen und verschiedene Ansätze verfolgen. Wenn diese letztendlich ineinandergreifen, sind die Chancen, eine psychische sowie physische Balance wiederherzustellen, gut. Die Heilungszeit ist jedoch individuell verschieden und nicht vorab planbar. Die oberste Maxime der Therapie lautet Stressvermeidung.
Im Wesentlichen sollte eine ganzheitliche Therapie folgende Faktoren berücksichtigen: Haltung, Ernährung, Pflege/Betreuung durch den Mensch, Entspannungsmethoden, Bodenarbeit und eine konsequent durchgeführte Aufbauphase.
Checkliste für Pferdebesitzer:
- Verhält sich Ihr Pferd seit einiger Zeit anders?
- Ist Ihr Pferd plötzlich aggressiv gegenüber Pferden, mit denen es vorher keine Probleme hatte?
- Widersetzt es sich plötzlich beim Reiten ohne ersichtlichen Grund?
- Reagiert es auf Dinge mit Ablehnung, die es vorher mochte?
- Meidet es plötzlich den Kontakt auf der Weide zu anderen Pferden?
- Wendet es sich ab, wenn Sie den Stall betreten?
- Frisst Ihr Pferd schlechter?
- Steht es in der Boxenecke mit dem Hintern zur Tür?
- Reagiert es nicht, wenn Sie es rufen?
- Wirkt es müde und lustlos?
- Ist es in letzter Zeit öfters krank?