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Reitersitz verbessern: In Balance mit dem Pferd


Bild vergrößern Reitersitz verbessern

Wird der Oberkörper im Sattel zu weit vor oder zurück geneigt, mangelt es an schnell Balance. (© Julia Adams)

Reiter und Pferd beeinflussen sich stets gegenseitig. Als gemeinsame Trainingspartner müssen ihre Bewegungsabläufe übereinstimmen, um miteinander zu harmonieren. Das gelingt, wenn der Reiter seinen ganz persönlichen Sitz im Sattel findet und Gefühl anstatt Kraft einsetzt.

Welcher Körper entspricht einer Norm? Keiner. Er besteht nur rein theoretisch in einem Anatomiebuch. Und deswegen sind wir, wie wir sind – einfach rundherum verschieden. Unterschiede finden sich in allen Bereichen: in der Breite der Schultern und Becken, in der Länge der Oberkörper, Arme und Beine. Auch die Längenverhältnisse von Ober- und Unterarmen sowie Ober- und Unterschenkeln variieren. Nicht zu vergessen sind die verschiedenen Größenverhältnisse im Stehen und Sitzen. Sie alle beeinflussen maßgeblich unsere Haltung auf dem Pferderücken und damit auch, wie wir unseren Reitersitz verbessern können.

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Von Natur aus besitzt beispielsweise eine Person mit schmalen Schultern, einem kurzen Oberkörper und einem breiten Becken einen tiefen Schwerpunkt im Sattel. So jemand wird es höchstwahrscheinlich einfacher haben, in die Bewegungsbalance zu kommen. Schwieriger könnte es hingegen mit der Gewichtsverlagerung in Wendungen sein.

Funktionelle Bewegung – ganz persönlicher Sitz

Denn ein kurzer, breiter Oberkörper hat es schwerer, sein Gewicht zu einer Seite zu verlagern. Einer Person mit breiten Schultern und einem schmalen Becken hingegen gelingt die Gewichtsverlagerung oft ohne großen Aufwand. Ihr fällt jedoch das Halten der Balance aufgrund des höheren Schwerpunkts eventuell nicht ganz so leicht. Das bedeutet aber nicht, dass der eine Körpertyp besser reiten kann als der andere. Die Vielfalt der Körperproportionen führt lediglich zu einem ganz persönlichen Sitz.

„Unsere individuellen, körperlichen Unterschiede stellen kein Problem für den Reitsport dar. Das Problem ist die idealtypische Vorstellung eines perfekten Sitzes, die nur die Farben Schwarz und Weiß kennt. Sie lässt einfach zu wenig Grautöne zu. Vielen Reitern wird deshalb eine bestimmte äußere Vorgabe übergestülpt, obwohl nicht nur ihre Funktionalität als Reitsportler, sondern auch das Pferd in seinem Bewegungsablauf darunter leidet“, sagt Imke Schuon.

Im Vollsitz ausbalanciert: Reitersitz verbessern

Reiter auf Pferd

Jeder Reiter nimmt Bewegungen anders wahr und benötigt seinen eigenen Weg, um sie zu lösen. (© Julia Adams)

Sie ist Physiotherapeutin, Dozentin an der Physiotherapieschule der Universitätsklinik in Münster und Lehrtrainerin bei Functio (Institut für funktionelle Therapie und Sportmedizin). Die Expertin verteufelt herkömmliche Ideale aber nicht generell. Ein Beispiel: Das Lot, welches eine senkrechte Linie von der Schulter über die Hüfte bis zum Absatz fällt, sei für die Dressurarbeit sinnvoll.

„Es sorgt dafür, dass ich im Vollsitz ausbalanciert bin. In diesem Fall liegt der Körperschwerpunkt, der bei einem normal gebauten Menschen etwas unterhalb des Bauchnabels im Körper liegt, dicht über dem Sattel, der die Unterstützungsfläche darstellt. Durch ein Vor- oder Zurückneigen des Oberkörpers weicht der Reiter von dieser Senkrechten ab und gerät aus der Balance“, erklärt sie.

Unglücklich interpretierte Floskeln

In der Folge käme es im Falle der Rückneige zu einem Stuhlsitz, der seine Beckenbewegung erschweren würde. Für die Dressurarbeit ergebe der Stuhlsitz also keinen Sinn, für den Westernreiter in der Rinderarbeit allerdings schon. „Wird ein Rind gefangen und das Seil am Horn des Sattels festgebunden, kann er sich damit im Sattel besser stabilisieren. Auch bei Tiefsprüngen in der Vielseitigkeit schiebt der Reiter die Unterschenkel in der Landephase vermehrt nach vorne und das Gesäß nach hinten. Einen Stuhlsitz grundsätzlich als falsch hinzustellen, wäre daher nicht richtig. Man muss sich immer fragen: Welches Ziel verfolgt die spezielle Sitzform?“, meint sie.

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Kritisch betrachtet die Physiotherapeutin den anweisungsorientierten Reitunterricht mit Floskeln wie „Schultern zurück“, „Fersen tief“, „Beine ruhig“ oder „Hände runter“. Diese würden nicht nur einem Sitzideal folgen, sondern allzu häufig unglücklich von den Lernenden interpretiert. „Hat der Reiter z. B. ein falsches inneres Bild von dem Bewegungsablauf des Pferdes im Schritt, spürt er vielleicht nur die Vor- und Zurückbewegung des Sattels.

Auf reale Bewegungen achten: Reitersitz verbessern

Daher fängt er an, mit seinem Becken ebenfalls vor und zurück zu schieben, um der Anweisung des Reitlehrers nach einem fleißigeren Viertakt zu entsprechen. Diese Einwirkung passt aber nicht zur realen Bewegung des Trainingspartners, denn es gibt noch zwei weitere Bewegungsdimensionen des Pferderückens. Durch das wechselseitige Heben und Senken der Rückenhälften, welche durch die Hang- und Stützbeinphasen der Hinterbeine initiiert werden, heben sich auch die Sitzbeinhöcker des Reiters wechselseitig.

Zusätzlich entsteht u. a. durch das wechselseitige Vorschwingen der Vorderbeine eine gewisse Seitneigung im Pferderumpf. Schwingt das rechte Vorderbein vor, wird automatisch die rechte Beckenseite des Reiters mit nach vorne unten bewegt. Es sind also insgesamt drei Bewegungsdimensionen, die zum Schrittreiten – wie auch zu den anderen Gangarten – gehören“, erläutert sie.

Vorlieben sind natürlich

Ausbilder gibt Tipps

Ein kompetenter Ausbilder verhilft nicht nur dem Pferd, sondern auch dem Reiter zu einem korrekten Bewegungsgefühl. (© Julia Adams)

Hinzu kommen die Vorlieben unseres Körpers. Es gibt Bewegungen, die fallen uns auf der einen Seite leichter als auf der anderen. Mit einem Bein kann man besser abspringen als mit dem anderen, mit der einen Hand besser werfen als mit der anderen, sich nach links besser drehen als nach rechts. Das sei ganz natürlich, weiß Imke Schuon. So fühlt sich die „gute“ Reiterseite immer sehr harmonisch an, als würde alles wie von selbst geschehen.

Der Mensch wirkt sanft mit seinen Hilfen auf das Pferd ein und hat scheinbar beide Körper unter Kontrolle. Doch aufgepasst, das schöne Gefühl kann trügen: „Ein Problem kann entstehen, wenn die Händigkeit von Reiter und Pferd zusammenpassen, d. h. beide auf der gleichen Seite gut sind. Oft neigt ein weniger erfahrener Reiter dazu, die hohle Seite des Pferdes als Geschenk anzunehmen und übersieht die Probleme, die damit einhergehen“, warnt die Expertin.

„Schlechte“ Reiterseite: Reitersitz verbessern

Das nach rechts hohle Pferd nimmt den Kopf und Hals stärker nach innen, bricht aber v. a. in Wendungen über die äußere, linke Schulter aus. Es tritt nicht sicher an den rechten Zügel heran, sondern stützt sich vermehrt auf den linken. Das rechte Hinterbein fußt außen an der Spur des Vorderbeins vorbei, nimmt weniger Last auf und entwickelt weniger Schub im Gegensatz zum linken. Beim Rückwärtsrichten tritt das Pferd oft nach rechts schräg zurück. In Linkswendungen neigt es zum Abkürzen. Es setzt den Reiter im Sattel vermehrt nach links. Bei einem nach links hohlen Pferd ist es genau andersherum.

Auf der „schlechten“ Reiterseite stimmen die Bewegungen des Menschen im Sattel meist nicht mit denen des Pferdes überein. Alles fühlt sich steifer und anstrengender an. Die eigenen Körperteile scheinen gegeneinander zu arbeiten. Es mangelt ferner an Harmonie mit dem Vierbeiner, wobei alle Punkte der Ausbildungsskala (Anlehnung, Takt, Losgelassenheit, Geraderichtung, Schwung und Versammlung) in Mitleidenschaft gezogen werden können.

Feinkoordination und Kraft der Muskulatur nicht identisch

„Biegt sich das Pferd z. B. rechts nicht so gern, versucht der Reiter es oft verstärkt mit dem inneren, rechten Schenkel hohl zu machen. Wenn das rechte Bein aber schwächer ist als das linke, muss viel Aufwand betrieben werden, um die gewünschte Wirkung zu erzielen. Der erhöhte Schenkeleinsatz führt zu einer vermehrten Anspannung, die wiederum in einem festen Becken mündet. Jetzt gelingt das Eingehen in die Pferdebewegung nicht mehr.

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Dieser Mangel wird nun über die Hand kompensiert, weil sie ein Körperteil ist, das wir sehr leicht ansteuern können“, zeichnet die Ausbilderin ein typisches Bild. Wird versucht, die eigene Schiefe mit mehr Kraft auszugleichen, hört aber das Fühlen auf. „Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass unsere Feinkoordination und damit auch die Kraft unserer Muskulatur nicht identisch sind. Und je mehr Kraft ich aufwende, desto asymmetrischer wird meine Einwirkung, denn ich nutze hauptsächlich die Muskeln, die ich gut einsetzen kann“, betont Imke Schuon.

„Gute“ und „schlechte“ Seite – Reitersitz verbessern

Reiter macht Übungen

Gelingt die Drehbewegung nach links oder rechts besser? Die Vorlieben für bestimmte Bewegungen können variieren. (© Julia Adams)

Die Folge? Der Reiter sitzt nach außen, knickt innen in der Taille ein, zieht mit der rechten Hand am Zügel und krallt sich mit dem rechten Bein am Pferd fest. Auch die steifere bzw. gedehnte Seite des Pferdes wird als unharmonisch empfunden. Nicht verwunderlich, versucht der Vierbeiner die fehlende Biegung im Rumpf häufig durch eine Außenstellung auszugleichen. Es verwirft sich und drängt insbesondere in Wendungen mit der stärkeren Schulter nach innen.

Das innere Hinterbein weicht nach innen aus und fußt nicht mehr in Richtung Schwerpunkt. Auf dieser Seite ist zudem der Rumpf höher, so dass es dem Reiter schwerer fällt, im Trab auszusitzen und in Wendungen den inneren Gesäßknochen für eine Gewichtsverlagerung zu belasten. Viele beschreiben ihr Pferd ferner als widersetzlich, weil es gegen die Hand geht oder den Rücken wegdrückt. Dabei resultieren alle Probleme lediglich aus der fehlenden Dehnungsbereitschaft der hohlen Seite.

Menschen müssen auch durchlässig sein

„Wenn ich wahrnehme, dass eine Seite von mir und meinem Pferd immer deutlich schlechter ist als die andere, bin ich aufgefordert, mich damit auseinanderzusetzen. Wir Menschen sind diejenigen, die etwas vom Pferd wollen, also sollten wir immer zuerst etwas verändern. Das Equipment, die Stellung der Hufe und die Auswahl des Sattels spielen hierbei eine wichtige Rolle und man sollte sie überprüfen. Ein Teil der körperlichen Probleme, die Pferde im Laufe der Zeit entwickeln, sind aber auch auf einen nicht ideal sitzenden Reiter und eine nicht funktionelle Einwirkung zurückzuführen“, ist sich die Ausbilderin sicher.

Der Mensch müsse ebenso durchlässig und beweglich zu beiden Seiten sein wie sein Trainingspartner. „Haben wir ein schiefes Becken, bei dem der eine Sitzbeinhöcker weiter vorne positioniert ist als der andere, und schieben damit ungewollt die Hinterhand zu einer Seite heraus, brauchen wir uns nicht darüber zu ärgern, dass die Volten und Zirkel auf der einen Hand immer größer sind als auf der anderen und unser Pferd immer schiefer wird“, meint die Expertin.

Individuelle Wahrnehmung: Reitersitz verbessern

Es gibt unzählige solcher Beispiele, in denen der menschliche Körper den Pferdekörper beeinflusst – und andersherum. Nicht selten weisen sogar Mensch und Pferd dieselben körperlichen Verspannungen und Blockaden auf, ergänzt sie. Schnell beginnt ein Teufelskreis. Dieser kann durchbrochen werden, indem ein neues Bewegungsmuster erlernt wird. Die Herausforderung dabei?

Jeder Mensch nimmt Bewegungen auf dem Pferderücken anders wahr, oder fühlt bestimmte Bewegungen auch gar nicht. Der Zugang zur feinen Wahrnehmung sei manchmal schwierig, gesteht die Physiotherapeutin, weil v. a. das Becken, der untere Rücken und die Hüftgelenke (sensomotorisch betrachtet) nicht besonders gut auf unserer Großhirnrinde im Gehirn dargestellt würden.

Bewegungen sind als Daten gespeichert

Bewegungstraining beim Reiten

Die individuellen körperlichen Unterschiede führen dazu, dass es nicht einen korrekten Sitz für alle geben kann. (© Julia Adams)

Wie schön wäre es, wenn wir unsere Reitgewohnheiten mal eben schnell ändern könnten. Doch da macht uns das Gehirn einen Strich durch die Rechnung. Es tut am liebsten das, was es immer tut. Nur deshalb arbeitet unser Körper so ökonomisch. „Im jugendlichen Alter verlieren wir das intuitive und spielerische Bewegungslernen, das den Kindern eigen ist. Gelingt ihnen eine Bewegung nicht auf die eine Art, versuchen sie es eben auf die andere – frei nach dem try and error-Prinzip. Als Erwachsene können wir nur noch auf das zurückgreifen, was wir bis dato an Bewegungserfahrungen bzw. -abläufen gemacht haben“, erläutert sie.

Alle Bewegungen, die wir ausführen, können Sie sich als Bewegungsdaten vorstellen, die im Gehirn wie auf einer Festplatte gespeichert werden. Aus diesen Daten sucht sich der Körper die beste Lösung heraus, um auf ein bestimmtes Bewegungsproblem zu reagieren. Stehen aber wenig Daten zur Verfügung, findet das Gehirn nur die zweit- oder drittbeste Lösung. Das heißt: Wir müssen unserem Denkzentrum neuen Input geben und Alternativen anbieten.

Nicht die Komfortzone verlassen: Reitersitz verbessern

„Doch häufig klammern wir uns an Erlerntem fest und wollen unsere Komfortzone nur ungern verlassen. Dann hocken wir wie ein starres Playmobilmännchen auf dem Pferd und erwarten von ihm wundervoll elastische Bewegungen. Das kann auf Dauer nicht gut gehen“, gibt die Ausbilderin zu bedenken.

Daher rät sie zu einem funktionellen Bewegungstraining. Damit werden die körperlichen Fähigkeiten des Reiters zunächst am Boden und ohne Pferd geschult, um sie später wieder in die Reitbewegung im Sattel zu integrieren. „Die Umsetzung der Aufgaben im Reitunterricht kann deutlich besser gelingen, wenn der Schüler oder die Schülerin an der eigenen Mobilität, Symmetrie, Balance, Koordination und der Körpereigenwahrnehmung arbeitet, bevor er oder sie auf das Pferd einwirkt.

In kleinen Schritten

Habe ich am Boden z. B. eine gute innere Vorstellung von der Aussitzbewegung im Trab entwickelt und gelernt, die dafür notwendigen Muskeln anzusteuern, werde ich es auf dem Pferd viel leichter haben, genau diese Bewegung in meinem Datenpool wiederzufinden und sie dann im Sattel auszuprobieren“, erklärt Imke Schuon.

Im Reitsport hat der Mensch ferner den großen Vorteil, dass er mit einem anderen „Besitzer eines Nervensystems“, dem Pferd, zusammenarbeitet, welches ihm permanent eine Rückmeldung über sein eigenes Handeln gibt. „Ich spüre sofort, ob mein Pferd die Veränderung in meinem Bewegungsablauf als angenehm empfindet oder nicht. Dadurch kann ich die passende Bewegung oder Einwirkung noch schneller herausfinden. Und dazu sehr effektiv lernen. Das gelingt aber nur, wenn ich mein Pferd wirklich bewusst in diesen Prozess miteinbeziehe“, sagt sie.

Ausgleichssport um Reitersitz zu verbessern

Genau diese Fähigkeit besäßen gute Reiter. Sie könnten sich deshalb in kürzester Zeit auf unterschiedliche Pferde und ihre Bewegungsabläufe einstellen sowie ihre Hilfengebung anpassen. Vielfach wird auch empfohlen, andere Sportarten auszuüben, um das eigene Reiten zu verbessern. Das sei ein guter Rat, jedoch sollte man sich dabei über die Ziele im Klaren sein.

Yoga, Pilates und Co. könnten die Funktionalität der Bewegungen steigern, aber viele Bewegungsabläufe des Reitens, wie z. B. die Aussitzbewegung im Trab, würde man in keiner anderen Sportart wiederfinden. „Es ist daher schwierig zu sagen: Du brauchst jetzt nur ein bisschen Core-Training machen und schon sitzt du besser aus. Das wage ich zu bezweifeln.“ Die Ausbilderin rät deshalb, die Arbeit am eigenen Sitz, an der Einwirkung und der Kommunikation mit dem Pferd als einen fortwährenden Prozess zu betrachten und sich von einem Außenstehenden eine kompetente Unterstützung und schrittweise Anleitung zu holen.

Loben und positiv bestärken

Ausritt

Jedes Reiter-Pferd-Paar ist individuell und muss andere Herausforderungen meistern. (© Julia Adams)

Das funktionelle Bewegungstraining sollte als Ergänzung zur Arbeit des heimischen Reitlehrers verstanden werden. Leider würde das Bewegungslernen immer noch zu wenig in den Trainerausbildungen thematisiert, meint Imke Schuon. „Wenn ich einem Pferd das Schulterherein beibringen möchte, würde ich von ihm nicht verlangen, die ganze lange Seite in perfekter Stellung und Biegung auf drei Hufschlägen zu laufen. Ich würde klein anfangen, mit zwei, drei Schritten, und wenn das Pferd die richtige Idee hat, lobe ich es, mache eine Pause, lasse die Zügel lang und bestärke es positiv.

Soll der Mensch aber das Aussitzen im Trab erlernen, erwarten viele Ausbilder, dass er dies problemlos 20 Minuten durchhält, obwohl seine Bauchmuskeln vielleicht schon nach zwei Minuten streiken und der Sitz sich zunehmend verschlechtert“, bemängelt die Expertin. Im praktischen Reitunterricht bestünde ihrer Meinung nach noch Handlungsbedarf.

Körperscan im Sattel – Reitersitz verbessern

Wer viel alleine reitet und noch keinen Bewegungsexperten an der Seite hat, kann dennoch an sich arbeiten. Imke Schuon hat zwei Praxis-Tipps für Reiter jeden Ausbildungsstandes parat. Tipp 1: „Schaffen Sie zu Beginn der Trainingseinheit ein Ritual und nutzen Sie die ersten zehn bis 15 Minuten im Schrittreiten, um Ihren Körper zu scannen.“

Wie sitze ich im Sattel? Habe ich unter einem Sitzbeinhöcker oder Fußballen mehr Druck als unter dem anderen? Klemme ich mit den Oberschenkeln? Fühlen sich meine Schultern locker oder angespannt an? Und kann ich die Position meiner Körperteile unabhängig voneinander verändern? Denselben Check können Sie beim Warm-up im Leichttraben durchführen mit Fragen wie z. B.: Wie elastisch bin ich? Habe ich einen gleichmäßigen Kontakt am linken und rechten Zügel? Bewege ich mich wirklich im Rhythmus des Pferdes? etc.

In Selbstreflexion investieren

Tipp 2: Nutzen Sie einige Minuten einer jeden Trainingseinheit nur für sich und verbessern Sie Ihre Einwirkung, indem Sie sich selbst beobachten und folgende Fragen beantworten: Was macht Ihr Sitz in den Gangarten und in den einzelnen Lektionen? Wie leiten Sie eine Wendung ein oder galoppieren Sie an? Betreiben Sie genug Aufwand, um von einer Gangart in die nächste zu wechseln? Wie wirken Sie mit welchen Hilfen wann auf Ihr Pferd ein?

„Ich bin mir sehr sicher, dass sich die in die Selbstreflexion investierte Zeit extrem auszahlen wird, weil viele Pferde dadurch schneller durchlässig werden“, meint die Physiotherapeutin. In ihrer täglichen Arbeit wäre es ähnlich. Obwohl hierbei der Reitersitz und nicht das Pferd im Fokus stünde, sei nach einer Sitzschulungsstunde auch der Vierbeiner deutlich beweglicher und zufriedener.

Pferd Pferd sein lassen: Reitersitz verbessern

Die Herausforderung sei jedoch, das Pferd Pferd sein zu lassen. „Verabschieden Sie sich einmal von der Idealvorstellung, wie Ihr Vierbeiner zu laufen hat. Verabschieden Sie sich auch von den stressigen Gedanken, die vielleicht auftauchen, wenn Ihr Pferd nicht korrekt am Zügel geht oder joggt, anstatt schwungvoll zu traben. Es wird nach einer solchen Reiteinheit weder dauerhaft auf der Vorhand laufen, noch mit den Hinterbeinen im Sand schlurfen. Und wer sagt eigentlich, dass in jeder Trainingseinheit Galopp geritten werden muss? Verlernt es das Galoppieren, wenn es den Dreitakt einmal nicht ausübt? Nein, sicher nicht“, so Imke Schuon.

Sie plädiert, das Schubladendenken ad acta zu legen und modernes Wissen aus der Bewegungslehre in die tägliche Praxis zu überführen. Ein guter Reiter sollte sich stets um die Verbesserung bzw. den Erhalt seiner eigenen körperlichen und koordinativen Fähigkeiten bemühen und nicht nur um die seines Pferdes. Nur so könne das gewünschte reiterliche Ziel schneller und in Harmonie mit dem Trainingspartner erreicht werden, sagt sie abschließend.

Aufs andere Pferd gesetzt

Reiter auf Pferd

Ein fremdes Pferd wird vom Reiter oft feinfühliger geritten als das eigene. (© Julia Adams)

Sie haben die Chance, andere Pferde zu reiten? Dann tun Sie es. Denn damit lassen sich die reiterlichen Fähigkeiten sinnvoll trainieren und schnell weiterentwickeln. Das fremde Pferd: „Oft sind wir im Sattel eines fremden Pferdes viel feinfühliger, weil wir uns erstmal Zeit nehmen müssen, um uns in die ungewohnten Bewegungen einzufinden und den neuen Trainingspartner zu verstehen“, erläutert Expertin Imke Schuon. Wie bewegst du dich? Was hast du für Bewegungsvorlieben? Wie kann ich deine Bewegung aufnehmen? Und wie reagierst du eigentlich auf meine Hilfen? Erst, wenn diese Fragen beantwortet sind, kann auf ein fremdes Pferd korrekt mit den reiterlichen Hilfen eingewirkt werden.

Das eigene Pferd: „Bei dem Pferd, das wir immer reiten, fühlen wir häufig nicht mehr, wie es sich wirklich bewegt. Wir überprüfen nicht, ob unsere Hilfen wirklich angekommen sind, und wie sie von ihm umgesetzt wurden. Die Hilfen werden nicht mehr ausgesetzt, obwohl sie die gewünschte Wirkung bereits erzielt haben“, gibt sie zu bedenken. Nimmt sich der Mensch hingegen Zeit, um in seinen eigenen Körper hineinzuhorchen und seine Bewegungen mit denen des Trainingspartners abzustimmen, gewinnen beide an Losgelassenheit und Durchlässigkeit.

Analyse per Video – Reitersitz verbessern

Reiter wird gefilmt

Mithilfe einer Videoaufnahme lässt sich das eigene Bild mit der Realität vergleichen. (© Julia Adams)

Regelmäßige Videoaufnahmen der Trainingseinheiten können den Reitersitz verbessern. Oft fühlt sich der Sitz im Sattel gut und richtig an, doch der Film zeigt eine andere Realität. „Um einen Bewegungsablauf möglichst nachhaltig zu entwickeln, braucht es ein möglichst deutliches inneres Bild der erwünschten Bewegung. Dafür ist es unerlässlich, sich mit den Bewegungsabläufen des Pferderückens in den unterschiedlichen Gangarten und Lektionen zu beschäftigen, denn von diesen lassen sich die Reitbewegungen und Hilfen ableiten“, sagt Physiotherapeutin Imke Schuon.

Dabei helfe der videogestützte Unterricht, die Realität mit der Körpereigenwahrnehmung abzugleichen und verschiedene Lernkanäle (sehen, hören, fühlen, selbst durchführen) für die Optimierung der Bewegungsabläufe zu nutzen.

Tipp der Expertin

„Formulieren Sie ein konkretes Teilziel. Wer z. B. seine Aussitzbewegung im Trab verbessern möchte, sollte diese von allen Seiten filmen und idealerweise jemanden bitten, auf den Bildausschnitt vom unteren Rücken bis zu den Kniegelenken zu zoomen. Besonders gut können Bewegungsmuster und -unregelmäßigkeiten dann in der Zeitlupe gut erkannt werden. Daraufhin lassen sich die nächsten Lernschritte formulieren.“

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