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Die Vorhand des Pferdes: Aufbau und Funktion beim Reiten


Bild vergrößern Die Vorhand des Pferdes stabilisiert es im Lauf

Die Vorhand ist deutlich flexibler und mobiler als die Hinterhand des Pferdes. Das liegt an ihrer Hängematten-Konstruktion. (© Christiane Slawik)

Warum kann ein Pferd abrupt bremsen und blitzschnell wenden? Wie beeinflusst das Reitergewicht die Vorhand? Und was bedeutet es, wenn es sich aktiv tragen soll? Alle diese Fragen und noch mehr Interessantes über die Vorhand erläutert Pferdephysiotherapeutin und -osteopathin Diana Landskron.

Der Motor des Pferdes sitzt hinten. Diesen Satz kennt jeder Reiter. Nicht verwunderlich, dass der Schwerpunkt im Training daher vielfach auf der Hinterhand liegt. Doch die Vorhand hat mindestens einen genauso großen Anteil an der Leistungsfähigkeit des vierbeinigen Sportpartners. Zeit, sie aus ihrem Schattendasein zu befreien und in den Fokus zu stellen.

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Der Aufbau der Vorhand des Pferdes

Die Vorhand lässt sich in zwei Teile einteilen: in Vorderbeine und Rumpf. Die Vorderbeine sind mit knöchernen Anteilen vom Schulterblatt bis herunter zum Huf verbunden und in ein Sehnen-, Bänder- und Muskelsystem eingebettet. Sie haben keine direkte Knochenverbindung zum Rumpf. „Den Pferden fehlt das Schlüsselbein, das bei uns Menschen die Rumpf-Gliedmaßen- Verbindung darstellt. Bei ihnen hält nur die Muskulatur die Vorhand zusammen“, sagt Diana Landskron, Pferdephysiotherapeutin, -osteopathin und -chiropraktikerin aus Görlitz (Sachsen).

Aufgrund der fehlenden Knochenverbindung übernehmen die Muskeln eine tragende Rolle in der Vorhand. „Die passive Stehvorrichtung der Vorderbeine wird unter anderem durch die Sehne des Bizepsmuskels gewährleistet, der am unteren Ende des Schulterblattknochens ansetzt, vorne das Buggelenk umspannt, nach unten in den Ober- und Unterarm sowie in die Streckmuskeln einstrahlt“, so die Expertin weiter. Wenn das Pferd steht, döst oder bodennah frisst, kann es dies ökonomisch und ohne eine große Muskelanstrengung tun, auch wenn es damit seine Vorderbeine belastet.

Gut bemuskelte Pferde

Sind Brust und Hals gut bemuskelt, trägt sich das Pferd aktiv mit den Muskeln und Strukturen seiner Oberlinie. (© Christiane Slawik)

Bei einer tiefen Kopf-Hals-Position mit der Nase auf Karpalgelenkshöhe sacken Widerrist, Brustbein und Brustkorb im Stand nach unten ab. Das zeigen Ergebnisse einer Studie, welche die Expertin im März 2022 durchgeführt hat. „Stützen Sie sich mit den Ellbogen auf den Tisch ab und lassen Sie die Rückenmuskulatur hängen, dann bekommen Sie ein Gefühl für diese Entspannung in einer Art Hängematte“, rät die Expertin.

Der Aufbau des Rumpfes

Wie ein Schiffsbug hängt dabei der Rumpf zwischen den Schultergliedmaßen und schwingt in Bewegung zwischen den Vorderbeinen. Sein Gewicht verteilt sich aber auch auf beide Vorderbeine und wird auf dem Boden abgestützt. Er besteht vorne vor allem aus dem Brustbein, den vorderen Brustwirbeln und den zugehörigen Rippen. „Die ersten acht Rippen sind fest mit dem Brustbein verbunden, wobei die erste Rippe direkt hinter dem siebten Halswirbel entspringt“, erklärt die Expertin.

An dieser Konstruktion sind hauptsächlich der Hauptrumpfträger (Musculus serratus ventralis) und die Brustmuskeln (Musculus pectoralis) beteiligt. Der Serratus ventralis, ein Muskel mit starker Sehnenplatte am Knochen, ist die wichtigste und stärkste Verbindung zwischen dem Rumpf und den Vorderbeinen. Er setzt am oberen Ende der „Hängematte“ an, innen am oberen Bereich des Schulterblattes, und besteht aus zwei Teilen: Der eine Teil führt fächerförmig entlang des vierten bis siebten Halswirbels, und der hauptsächlich tragende Teil bildet sich von der ersten bis zur achten (manchmal auch bis zur neunten) Rippe aus.

Der Hauptrumpfträger ist für das Anheben des Brustkorbes verantwortlich und verhindert das Absinken desselbigen. Zudem wird er als Hauptstoßdämpfer für die Stabilisation gegen die Schwerkraft und als Energiesparfederung der Vorhand bezeichnet. –Diana Landskron –

Am unteren Teil der „Hängematte“ setzen die Brustmuskeln an, die zwischen dem Brustbein, nach innen an die Oberarme sowie teilweise nach außen um den Oberarm verlaufen. Sie verbinden die Vorderbeine mit dem unteren Teil des Rumpfes. Ihnen wird hauptsächlich eine Adduktionsfunktion zugeschrieben. Vereinfacht gesagt, ziehen sie das sich nach vorne bewegende Vorderbein nach innen und helfen bei der Rückführung der Vordergliedmaßen, so die Pferdeosteopathin.

Illustration der Brustmuskulatur eines Pferdes

Das Pferd stabilisiert seinen Rumpf korrekt zwischen den Schultergelenken über die Anspannung des Hauptrumpfträgermuskels und der Brustmuskeln. Der Brustkorb wird angehoben (1). Gelingt dies nicht, versucht es seine Stabilität durch Kompensationsmuster zu erreichen. Die Brust verengt sich, es kommt zum bodenengen Stehen, und die Vorderbeinbewegung wird negativ beeinflusst (2). Entstehen Dysbalancen in der Muskulatur können Asymmetrien in den Vorderbeinen die Folge sein. Das Brustbein wird nicht mehr mittig getragen. Die Folge ist eine Schiefhaltung (3). (© Diana Landskron)

Stabilisierende Muskeln der Vorhand

Daneben gibt es noch weitere Muskeln, die an der Vorhand beteiligt sind. In der Bewegung werden vor allem die starken Streck- und Beugemuskeln wichtig, die ab ungefähr der Ellbogengelenkshöhe entspringen und weiter unten in Höhe des Karpalgelenks in den Beuge- und Strecksehnen enden. Auch der dreiköpfige Oberarmmuskel (Musculus trizeps brachii) ist erwähnenswert. Seine drei Anteile verlaufen zum Ellenbogenknochen. „Er ist für die Streckphase des Ellenbogengelenks und damit für die Stemmphase zuständig, also wenn sich das Vorderbein im hinteren Bereich abdrückt und nach hinten geführt wird“, weiß die Pferdephysiotherapeutin.

Ebenso ist der breite Rückenmuskel (Musculus latissimus dorsi), der aus dem Rücken nach innen an den Oberarm heranreicht, für diese Phase wichtig. Bewegt sich das Pferd vorwärts, kommt das Hängematten-Konstrukt in Schwung. „Wenn wir die Bewegung der Vorhand verstehen wollen, müssen wir bei der Hinterhand anfangen, denn der Schub aus den Hinterbeinen, genauer gesagt aus den großen kräftigen Kruppen- und Oberschenkelmuskeln, wird über die Kreuzbein-Becken-Verbindung (Iliosacralgelenk) und der dazugehörigen Muskulatur nach vorn in die Lenden- und Brustwirbelsäule übertragen. Dabei wird der Rücken nach vorne-oben geschwungen“, erläutert die Expertin.

Pferd bremst mit der Vorhand

Die Vorhand kann extreme Bewegungen ausführen. (© Christiane Slawik)

Diese Schwungbewegung wird von der Vorhand von hinten-oben aufgefangen und führt dazu, dass der Rumpf in die federnde Muskelmasse des Rumpftrageapparates schwingt. „Dadurch wird das Pferd über seine stehenden Gliedmaßen weiter nach vorn katapultiert“, sagt Landskron.

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Wenn das hintere und vordere Bewegungszentrum optimal zusammenarbeiten, ähnelt die Weitergabe der Energie einem Trampolineffekt. Es gibt aber noch weitere Stoßdämpfer, die Energie aufladen und nach vorne bringen können. „Das sind unter anderem in den unteren Gliedmaßen die langen Endsehnen der beugenden Muskulatur. Sie geben den Impuls weiter nach vorne ab, sobald das Bein die hintere Stützbeinphase verlässt. So kann es sich leicht in einem Gleichmaß über seine Vorhand rüberschwingen“, weiß die Expertin.

Die Vorhand erlaubt energiesparende Bewegung

Diese Art der Fortbewegung hat viele Vorteile: „Durch die großen Muskeln der Hinterhand, die dem Pferd den Kraftaufwand nach vorn bringen, und die stabilisierende und tragende Muskulatur im Schultergürtel, die einfach nur die Bewegung auffängt und weiterleitet, kann es enorm lange Strecken laufen, ohne stark zu ermüden oder sich zu erschöpfen. Da es aufgrund der muskulären Hängematte seine Vorderbeine komplett unterschiedlich setzen kann, hat es außerdem sehr viel Flexibilität beim abrupten Bremsen, schnellen Richtungswechseln oder beim Laufen über unebene Böden, aber auch in Hang- oder Schräglage“, sagt Landskron.

Die extreme Verspannung im Fluchtmodus

Sein gesamter natürlicher Bewegungsablauf ist auf Ökonomie ausgerichtet, und doch kann das Pferd mit wenig Aufwand maximale Energiereserven für die Flucht bereitstellen. Im kurzfristigen Fluchtmodus hebt es Kopf und Hals an und presst die Rumpfmasse mit gespanntem Rücken nach unten in die Gelenksysteme und Sehnen. So kommt es zu einer extremen Verspannung des vorderen und hinteren Bewegungszentrums. Dadurch ist das Pferd sehr schnell und extrem wendig, doch die Bewegungen sind auch kurz, hart und ungefedert. Ein ähnliches Bild lässt sich bei aufgeregten, überforderten oder verspannten Reitpferden erkennen.

Belastete Strukturen können sich beim Wildpferd nach der Flucht beim Grasen im Schritt und in tiefer Kopf-Hals-Position über mehrere Stunden oder Tage wieder erholen. Das Reitpferd benötigt jedoch einen anderen Bewegungsplan, denn hier kommt das Gewicht des Menschen ins Spiel. „Mit dem Reiter sind die Maximalwerte, die auf die Vorderbeine treffen, viel höher. Im Schritt wirkt das einfache Gewicht des Reiters auf den Pferderücken, im Trab das Zweifache und im Galopp das Zweieinhalbfache. Das hat der Engländer Dr. Russell MacKechnie-Guire von Centaur Biomechanics in seinen Studien herausgefunden“, sagt Landskron. So müssen sich zwangsläufig auch die Kräfte und Stabilisationsmechanismen des Vierbeiners verstärken.

Reiterin im Galopp

Im Galopp wirkt das zweieinhalbfache Gewicht des Reiters auf den Rücken und die Vorderbeine. (© Christiane Slawik)

Balance als Trainingsziel Nummer 1

Nutzt es dafür seine natürliche Positionierung der Vorhand im Fluchtmodus, wird es sich damit aber selbst schädigen. Damit das Pferd den Menschen gesund tragen kann, muss der Rumpf – und damit auch das Gewicht der Organe im Brustkorb, das je nach Pferdegröße etwa 200 bis 300 Kilogramm beträgt – in der Stützbeinphase aktiv gegen die Schwerkraft stabilisiert werden. Diese dynamische Balance unter dem Reiter zu entwickeln und zu erhalten ist die wichtigste Aufgabe im Training.

Durch das gute Tragen in der ventralen Kette kann sich die Oberlinie (Rückenstrecker, Halsstrecker etc.) in gleichmäßiger An- und Abspannung in der Bewegung ausprägen und wirkt harmonisch. Dadurch ergibt sich eine gut gefüllte Region hinter dem Schulterblatt, weil der Brustkorb mit aufliegenden tiefen Rückenmuskeln dazwischen angehoben ist und diesen Bereich ausfüllt. Hinzu kommt eine konkav geformte untere Halslinie, weil die Halswirbel nach oben angehoben sind. –Diana Landskron –

Bei der Stabilisation gegen die Schwerkraft muss nicht nur der Brustkorb, sondern auch das Becken gut positioniert sein. Nur dann kann der Pferdekörper über aufgespannte Muskelketten federnd in Position gehalten werden. Diese aktive Federung setzt sich im gesamten Körper fort. Es kommt zu einer positiven Körperspannung.

Die Vorhand des Pferdes stabilisiert

Spätestens jetzt sollte klar sein, warum die Vorhand aus ihrem Schattendasein befreit werden sollte. Und das gelingt, wenn ihre Muskeln gleichmäßig gut trainiert werden. Viele Muskeln der Vorhand sind Stabilisatoren. Sind diese verspannt oder nicht genügend ausgebildet, fehlt es dem Pferd an Stabilität in der Bewegung.

Wendungen oder Seitengänge fallen schwerer, es hat Koordinationsprobleme, zeigt verkürzte Tritte oder ist aufgrund der fehlenden Stoßdämpfer-Funktion anfälliger für Verletzungen. „Zudem können hohe Verspannungen Nerven einengen und zu fehlender Wahrnehmung oder Überempfindlichkeiten (zum Beispiel Hautzucken am Widerrist bei Berührung) führen“, ergänzt Landskron.

Wie trainiere ich die Vorhand richtig?

Werden die Vorderbeine unterschiedlich stark beansprucht und bewegt, können Dysbalancen zwischen der innen-liegenden tragenden (Musculus serratus ventralis) und außen-liegenden stabilisierenden (z.B. Musculus trapezius, Musculus rhomboideus, Musculus infra- und supraspinatus) Muskulatur eine mögliche Folge sein. Dadurch wiederum werden Asymmetrien zwischen den beiden Vorderbeinen ausgelöst. Das kann sich zum Beispiel in einem nicht-mittig getragenen Brustbein oder optischen Asymmetrien der Schulterblätter äußern.

Oftmals steht ein Schulterblatt höher hervor oder ist außen mehr bemuskelt, weil der Rumpfträger auf dieser Seite nicht gut arbeitet und die stabilisierenden Muskeln viel Arbeit übernehmen müssen. Davon ist auch oftmals die Gliedmaßenstellung und -bewegung betroffen und äußert sich zum Beispiel in bodenengem Fußen und Stehen.

Asymmetrien belasten die unteren Gliedmaßen

„Das zieht wiederum häufiger Erkrankungen und Verletzungen der unteren Gliedmaße nach sich“, sagt die Expertin. Und weiter: „Pferde mit einer schwachen Rumpftragemuskulatur zeigen oft Probleme in Anlehnung und Halshaltung oder einen falschen Knick, weil sich der Rumpf nicht anhebt und sich die Halswirbelsäule nicht aufrichtet. Das Trab- und Galoppgangbild wirken bergab bzw. in den Boden gerichtet. Zusätzlich geraten sie bei Verstärkungen ins Rennen, da vorne kein Raumgriff entsteht“, so Landskron.

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Auch das Aussitzen fiele schwer, da die Pferde aufgrund der ansteigenden Rückenlinie nicht gleichmäßig durch den Körper schwingen würden. Das Problem? Im Training kann nicht ein Muskel allein angesprochen und trainiert werden, da immer ganze Muskelgruppen oder ganze Muskelketten zusammenarbeiten.

Die Dehnungshaltung als Trainingsmittel für die Vorhand

„Der Rumpftragemuskel wird jedoch vorrangig in schwungvollen Gangarten angesprochen, weil es hier zu einer rhythmischen Federung kommt. Da er sich in hoher Kopf-Hals-Haltung entspannt und erst, wenn Kopf und Hals in die Tiefe sinken, kontrahiert und trägt, ist die Dehnungshaltung als Trainingsmittel hilfreich“, empfiehlt sie. Wichtig sei jedoch ein ständiges Wechselspiel zwischen Entspannung und Anspannung.

„Wer die Nasenhöhe variiert, z.B. durch Zügel-aus-der-Hand-kauen-Lassen aus der Anlehnung heraus, oder mit kurzen Übergängen arbeitet, setzt immer wieder unterschiedliche Reize. Zusätzlich kann mit Innen- und Außenstellung oder Biegungen gespielt werden. Aber: Die Pferde müssen unbedingt lernen, sich selbst zu tragen und sich an den Zügel heranzudehnen“, so die Pferdeosteopathin.

Pferd grast mit entspanntem Rumpf

Beim Grasen, Stehen oder Dösen mit tiefer Kopf-Hals-Position lässt das Pferd seinen Rumpf passiv nach unten sinken. (© Christiane Slawik)

Bewegungsanreize schaffen!

Da das Pferd aber nur wenige Stunden mit seinem Reiter verbringt, dafür aber viel Zeit ohne ihn, sollte die Haltung für die Gesunderhaltung nicht vergessen werden. „Wir wirken kontrolliert nur etwa ein bis zwei Stunden gegen Dysbalancen, Trageschwäche oder Ähnliches ein, die restliche Zeit trainiert der Körper das, was er am meisten tut“, so Landskron.

Ihr abschließender Tipp lautet daher: „Schaffen Sie viele Bewegungsanreize, bieten Sie Futter an verschiedenen Stationen und viele Bodenreize (Schrägen, weiche und harte Untergründe etc.) an, um die unterschiedlichen stabilisierenden und tragenden Funktionen in der freien Bewegung anzusprechen.“ So kann auch eine bewegte Haltung mit möglichst wenig Stehzeit und unter Bewegung eingenommene Fütterung zu einer besseren Aktivität im Rumpftrageapparat beitragen.

Was beeinflusst die Vorhand?

Exterieur: „Betrachten Sie die Höhe des Buggelenks im Vergleich zur Höhe des Hüftgelenks. Überbaute Pferde weisen hier eine deutlichere Abwärtslinie von hinten nach vorne auf “, erklärt Diana Landskron. Auch ein tief angesetzter Hals oder eine steile Schulter können es dem Pferd im Training von Natur aus schwerer machen, sich im Rumpf anzuheben.

Schiefhaltungen und Hufstellung

Schiefhaltungen: „Aufgrund ihrer erhöhten Flexibilität neigt die Vorhand schnell zu einseitiger Überlastung und Schiefstellung“, warnt die Expertin. Schonhaltungen durch Verletzungen oder Erkrankungen, die vor allem in einer Entwicklungsphase stattfanden, bewirken eine Schiefhaltung im Körper, zählt die Pferdeosteopathin auf. „Bei einer ungleichen Kraftentwicklung der Hinterhand, die bei fast jedem jungen Pferd und oft noch stärker bei Beckenschiefständen vorhanden ist, wird die Bewegung aus der Hinterhand schief nach vorne in den Rumpf hineingegeben. So wird eine Seite automatisch tiefer getragen“, sagt sie.

Hufstellung: Hat das Pferd ungleiche Hufe (z.B. einer flach und breit, der andere steil) oder in sich schiefe Hufe, beeinträchtigt dieser Umstand die Vorhand. „Die Hufstellung kann unter anderem Ursache einer Schiefstellung im Brustkorb oder im Schultergürtel sein, die zu einer muskulären Dysbalance führt“, so Landskron. Hier kommt aber die Henne-Ei-Frage ins Spiel. Was war zuerst da? „Wenn eine Seite des Pferdes mehr belastet wird als die andere, dann entwickelt sich auch die Hufform unterschiedlich“, ergänzt sie.

Sattel, Reitersitz und Trainingsverhalten

Sattel: Eine gute Sattelpassform ist für die Funktion des Rumpftrageapparates essenziell. „Einseitigem oder beidseitigem Druck von oben wird das Pferd versuchen auszuweichen, in dem es den Rücken nach unten wegdrückt. Das kann ebenfalls bei baumlosen Sätteln passieren“, so Landskron. Eine optimale Passform sei allerdings ein Meisterwerk. „Die Sattellage des Pferdes ändert sich nicht nur durch Training und Muskulatur mehrmals pro Jahr, sondern allein durch die Körperhaltung täglich. Je nach Länge der Stehzeiten in der Box oder auf dem Paddock und auch nach Fressmenge verändert sich die Position des Rumpfes der Schwerkraft folgend. Eine regelmäßige Sattelkontrolle durch einen versierten Sattler ist daher unabdingbar“, rät sie.

Reitersitz: Wie sitzt der Reiter? Passt der Sattel zum Körperbau des Reiters oder wird er in den Stuhlsitz gesetzt? Schiebt es ihn in der Trabbewegung nach hinten heraus auf den Sattelkranz, weil sein Hüftgelenk durch die Pauschen zu weit gestreckt wird? „All das und noch viel mehr beeinflusst das gleichmäßige Durchschwingen von der Hinterhand bis in den Rumpftrageapparat“, weiß die Expertin.

Der Reitersitz beeinflusst auch die Kraftübertragung von der Hinter- auf die Vorhand des Pferdes.

Der Reitersitz beeinflusst auch die Kraftübertragung von der Hinter- auf die Vorhand des Pferdes. (© Christiane Slawik)

Trainingsverhalten: Wie oft trainiert der Reiter auf welcher Hand? Und welche Lektionen macht er auf der linken, welche auf der rechten Hand? „Das, was das Pferd leicht ausführt, gibt dem Reiter ein schönes Gefühl. Dadurch wiederholt er es häufiger und trainiert oft unbewusst einseitig“, sagt Landskron. Aber auch durch eine reiterliche Schiefe oder eine falsche Einwirkung des Zügels können Schiefhaltungen und Probleme in der Vorhand erzeugt oder verstärkt werden, gibt sie zu bedenken.

Die Vorhand des Pferdes: Mobil oder stabil?

„Früher zeigten Pferde auf S-Niveau das Bewegungsausmaß, was junge Dreijährige, die gerade von der Koppel kommen, heute in Reitpferdeprüfungen zeigen“, stellt Diana Landskron fest. Die Zucht brächte immer mehr Pferde hervor, die ein großes Bewegungspotenzial zeigten. „Doch die hohe Elastizität der Gelenke, Bänder und Sehnen im gesamten Pferdekörper geht zu Lasten der Stabilität des Bindegewebes. Die Muskulatur der gesamten Wirbelsäule, aber auch die Schulterstabilisatoren und der Rumpftrageapparat sowie dessen Fähigkeit gegen die Schwerkraft zu stabilisieren, werden dadurch negativ beeinflusst“, warnt Diana Landskron. Es sei viel schwieriger und langwieriger, ein mobiles Pferd zu stabilisieren, als ein stabiles Pferd zu mobilisieren.

Zudem würden diese neuen Pferdetypen in den derzeitigen Ausbildungswegen nicht gut genug berücksichtigt. Die jungen Pferde hätten daher nur eine Möglichkeit, sich unter dem Sattel zu stabilisieren – und zwar über die großen Bewegungsmuskeln im Hals-, Rücken-, Kruppen- und Hinterhandbereich, die sie aktiv festmachen, wobei sie in den Beinen trotzdem noch sehr mobil seien. Eine solche Verspannung hat aber Folgen: „Es kommt schneller zu Überlastungen, Verletzungen oder Erkrankungen der unteren Gliedmaßen – von Sehnen- und Fesselträgerschäden über Schale, Spat und Arthrosen bereits in jungen Jahren“, warnt die Pferdeosteopathin.

Unsere Expertin

Diana Landskron ist Pferdephysiotherapeutin, Pferdeosteopathin, Pferdechiropraktikerin und hat einen Master-Abschluss in Equine Performance and Rehabilitation.

Pferde-Expertin Diana Landkron

Unsere Expertin Diana Landkron. (© Michelle Walter)

Neben ihren Behandlungen am Pferd forscht sie aktuell zum Rumpftrageapparat des Pferdes. Gemeinsam mit Ausbilderin Anna Jantscher hat sie eine vierteilige Video-Serie zum Thema biomechanische Trainingslehre entwickelt.

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