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Schritt, Trab und Galopp: Die Grundgangarten des Pferdes


Bild vergrößern Drei Grundgangarten: Reiterin auf Pferd im Trab

Es gibt beim Reiten drei Grundgangarten des Pferdes. Der Trab ist die natürlichste Gangart. (© Christiane Slawik)

Damit Pferde ihr ganzes Potenzial unter dem Reiter entfalten können, ist eine entsprechend faire und systematische Ausbildung wichtig. Erfahren Sie, wie sich die drei Grundgangarten unterscheiden, wie Sie Schritt, Trab und Galopp einzeln verbessern können und welche Rolle dabei Faktoren wie Kraft und Ausdauer spielen.

Als Reiter wünschen wir uns ein in allen drei Grundgangarten, Schritt, Trab und Galopp, geschmeidig ausbalanciertes Pferd. Je nach Disziplin, werden zusätzlich bestimmte Anforderungen an den Vierbeiner gestellt. Jedes Pferd bringt von Natur aus ein bestimmtes Potenzial mit, das nicht nur vom jeweiligen Gangvermögen, sondern auch vom individuellen Charakter und Temperament beeinflusst wird. Als Reiter beziehungsweise Ausbilder können wir unsere Pferde entsprechend fördern. Dabei tragen wir stets die Verantwortung für die psychische und physische Gesundheit unseres tierischen Partners.

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Schritt: Die unterschätzte Grundgangart

Der Schritt ist für viel mehr als nur zum Aufwärmen oder Cool-down des Pferdes gut. Gerade weil das Schrittreiten anscheinend bei vielen Reitern an Bedeutung verloren hat, wird es Zeit, mit Vorurteilen aufzuräumen und die Möglichkeiten, die diese Grundgangart bietet, wieder mehr ins rechte Licht zu rücken.

Schritt reiten: So gehts richtig!

„Der Schritt ist die Mutter aller Gangarten“, hat einst der berühmte Reitmeister François Baucher gesagt. Gleichzeitig ist der Schritt aber auch die empfindlichste Grundgangart und wesentlich störanfälliger als Trab oder Galopp. Durch Schwung beziehungsweise Geschwindigkeit kann hier nichts kaschiert werden. „Schrittreiten ist sehr wichtig – vorausgesetzt, es wird richtig gemacht. Allerdings kann der Reiter dabei auch viel falsch machen, und einmal eingeschlichene Probleme sind schwieriger zu lösen“, betont die Dressurausbilderin Dr. Britta Schöffmann.

Im Trab und im Galopp könne durch energisches Vorwärtsreiten Schwung geholt sowie Fleiß, Takt und Anlehnung wieder hergestellt und gefestigt werden. Im Schritt, der ja eine schwunglose Gangart ist, also ohne Moment der freien Schwebe, ginge das nicht. Mangelnde Losgelassenheit und Spannung wirken sich sofort negativ auf die Qualität des Schritts aus, egal ob physisch oder mental bedingt. Besonders deutlich zeigt sich das häufig in Dressurprüfungen auf dem Turnier. Nach Beendigung des Stressfaktors „Aufgabenreiten“ zeigen Pferde plötzlich wieder schreitende Bewegungen am hingegebenen Zügel, ohne anzuzackeln oder sich zu verspannen.

Gangarten: Pferd im Schritt

Die animierte Bildfolge zeigt ein Belgisches Kaltblut im Schritt. (© Eadweard Muybridge)

Schritt als Indikator für Losgelassenheit

„Ich erlebe häufig, dass Reiter den Schritt unterbewerten“, gibt die klassische Dressurausbilderin Nicole Künzel zu bedenken und fügt hinzu: „Für mich ist diese Gangart allerdings ein wichtiger Indikator für die physische und mentale Losgelassenheit des Pferdes.“ Ein gelassenes Pferd, das sich unter dem Sattel wohlfühlt, bewegt sich im Schritt fleißig, ohne zu eilen, im klaren Viertakt. Viele Reiter nutzen den Schritt vor allem zum Aufwärmen und zum Cool-down des Pferdes nach dem Training. Am hingegebenen Zügel wird zu Beginn Runde um Runde auf dem Viereck gedreht, bis mit dem Antraben das eigentliche Training beginnt.

Ein Grund dafür könnte sein, dass so mancher Reiter gelernt hat, das Pferd im Schritt möglichst immer – also nicht nur beim Aufwärmen – in Ruhe zu lassen, um den Takt nicht zu stören. Mit der Befürchtung im Hinterkopf, dass etwas schiefgehen könnte, wird im Schritt nicht wirklich geritten, sondern einfach nur versucht, das Pferd irgendwie in der Gangart zu halten. Dabei beinhaltet jede seriöse Trainingseinheit unvermeidbar mehrere Schrittreprisen, sowohl als Trainingsbausteine als auch als kurze Pausen.

Jedoch weist Britta Schöffmann deutlich daraufhin, dass falsches Treiben oder eine unruhige Handeinwirkung tatsächlich schnell zu Problemen führen können. Sie rät zu Beginn einer Trainingseinheit im wahrsten Sinne des Wortes erst einmal die Finger von den Zügeln zu lassen, damit das Pferd am hingegebenen Zügel absolut zwanglos mit entsprechend langem Hals gehen kann. Sei das Pferd jedoch sehr energiegeladen oder schreckhaft, dann sollten diese sicherheitshalber etwas aufgenommen werden.

Takt und Rhythmus beim Schritt reiten erhalten

„Eigentlich beginne ich mit allen Pferden im Schritt mit hingegebenem Zügel, dann nehme ich nach einigen Runden so langsam die Zügel auf, zunächst nur bis zu einer beginnenden Anlehnung mit weitem Rahmen“, erklärt Britta Schöffmann und fügt hinzu: „Wichtig ist mir beim Zügelaufnehmen, dass nicht nur der Takt, sondern auch der Rhythmus erhalten bleibt.“ Das Pferd sollte weder eiliger noch langsamer werden, nicht zackeln und nicht stocken. „Das können Sie üben, denn letztlich liegt es in der Konzentration des Reiters, auf kleinste Veränderungen umgehend mit ein wenig mehr Treiben oder etwas mehr Parieren zu antworten“, so unsere Expertin.

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Wer darauf achtet, wird merken, dass sich das Pferd so schon beim Annehmen der Zügel willig bei sich leicht wölbendem Hals an das Gebiss herandehnt. „Das ist Voraussetzung für einen guten Mittelschritt und später auch für sämtliche Tempo-Variationen im Schritt“, sagt die Dressurausbilderin. Die ersten Minuten im Schritt sind zudem ideal dazu geeignet, die Tagesform des Pferdes zu erfühlen. Ist es womöglich physisch oder mental angespannt? Ist es konzentriert oder lässt es sich leicht ablenken? Nimmt es die Hilfen an oder reagiert es mit Abwehr? Dehnt es sich vertrauensvoll an das Gebiss oder geht es womöglich gegen die Hand und drückt den Rücken weg?

Reiterin auf Pferd im Schritt

Beim Schritt reiten kommt es auf Takt und Rhythmus an. (© Christiane Slawik)

Im Schritt auf das Pferd einstimmen

Zugleich erhält auch das Pferd bereits im Schritt Informationen über seinen Reiter, unter anderem aufgrund dessen Körperspannung und -ausrichtung. Dazu Nicole Künzel: „Nach dem Aufsitzen nehme ich mir Zeit anzukommen, meinen eigenen Körper zu spüren, mich auf dem Pferd zu platzieren und meinen Körper ins Lot zu bringen. Dabei achte ich auch auf meine eigene Atmung und die meines Pferdes.“ Wer sich über das Schrittreiten nur den Kopf zerbricht, wird selbst nicht loslassen können, womöglich regelrecht die Luft anhalten und diese Spannung auf den Vierbeiner übertragen.

Da beim Training zwei Individuen aufeinandertreffen, sollte nicht an starren Regeln festgehalten werden, sondern die jeweiligen Gegebenheiten analysiert und mit einbezogen werden. Nachdem der Reiter die optimale Sitzposition gesucht und eingenommen hat, baut er eine feine Verbindung zum Pferdemaul auf und begleitet die Nickbewegung. Selbst mit hingegebenem Zügel sollte nicht einfach irgendwie gesessen und das Pferd laufen gelassen werden.

Ein gefühlvoller, geschmeidiger Sitz und eine positive Körperspannung des Reiters erleichtern dem Pferd von Anfang an das physische und mentale Loslassen. Bereits beim Warm-up kann etwas Konzentration gefordert werden, indem der Reiter genaue Linien vorgibt und das Zügelmaß variiert. Wie kurz die Zügel dabei schon aufgenommen werden können, hängt unter anderem vom Ausbildungsstand, der Durchlässigkeit und dem Vertrauen des Pferdes ab.

Bewegungsabläufe und Koordination in der Grundgangart Schritt

Ein gezieltes Schritt-Training ist zudem auch unglaublich wertvoll, um Pferde zu mobilisieren, zu lösen oder sie auf höhere Lektionen vorzubereiten. „In der Schrittarbeit können dem Pferd komplexe Bewegungsabläufe erklärt werden“, sagt die klassische Dressurausbilderin Nicole Künzel. „Für mich hat es sich bei vielen Pferden bewährt, Bewegungsabläufe zunächst im Schritt zu erarbeiten, damit Bewegungsgrundmuster koordinativ erlernt werden können. Erst dann setze ich das Erlernte in die nächst höhere Gangart um.“

Auch für Reiter macht es Sinn, Bewegungsabläufe sowie Hilfengebung und Einwirkung in einem ruhigen Tempo zu verinnerlichen. Gleichzeitig kann dem Pferd bei Gelingen so ein entsprechend richtig getimtes Feedback gegeben werden. Ist ein Reiter allerdings nicht in der Lage, sein Pferd im Schritt gut zu gymnastizieren und selbst entsprechend einzuwirken, dann basiert die weitere Ausbildung bestenfalls auf Kompromissen und einem wackligen Fundament.

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Die Qualität der Lösungsphase und die Stimmung zwischen Reiter und Pferd zu Beginn des Trainings haben des Weiteren einen entscheidenden Einfluss auf die Arbeitsphase. Zusätzlich wirkt sich auch das Schrittreiten in der abschließenden Erholungsphase auf die Trainingseinheit am nächsten Tag aus.

Auch in den Grundgangarten nichts verallgemeinern

Generell sollte das Training immer flexibel gestaltet werden. So kann es sein, dass Pferde mit einem hohen Energielevel erst ein wenig Dampf ablassen müssen, bevor an ein konzentriertes Schrittreiten gedacht werden kann. Nicole Künzel wärmt manche Pferdetypen gerne zunächst über die Arbeit an der Hand in allen Gangarten auf, um dann konzentriert und kompakt vom Sattel aus zu arbeiten.

„Zum Beispiel fällt es eher hyperflexiblen, losen Pferden häufig schwer, im Schritt einen Spannungsbogen aufzubauen. Nach dem Warm-up an der Hand komme ich gerne relativ bald zum Trab. Natürlich ist auch das nicht der perfekte Trainingsaufbau auf Dauer, sondern ich muss immer wieder in das jeweilige Pferd hineinfühlen und gegebenenfalls ausprobieren, was gerade passt“, erklärt unsere Expertin. Zudem sollte auch die Arbeit im Schritt abwechslungsreich gestaltet werden. So bleiben Pferd und Reiter motiviert und konzentriert.

Auf Trab gehalten: Die zweite der drei Grundgangarten

Eins, zwei, eins, zwei – dies ist der Rhythmus des Trabs, bei dem sich die Vorwärtsbewegung eines diagonalen Beinpaares mit einer Schwebephase abwechselt. Somit ist der Trab eine schwungvolle Bewegung im Zweitakt.

Reiterin in der Gangart Trab, animiert

Die Reiterin ist mit einem Andalusier im Trab. (© Waugsberg (CC BY-SA 3.0))

Sowohl in der Lösungs- als auch der Arbeitsphase wird häufig der Arbeitstrab verwendet – weitere Tempi sind der Mitteltrab, der versammelte und starke Trab. Dabei unterscheiden sich die Trabtempi hauptsächlich in der Tritt­länge und dem Ausdruck, weniger in der tatsächlichen Geschwindigkeit.

Der Trab: Grundgangart zum Energiesparen

Insgesamt ist Trab die natürlichste Gangart des Pferdes und wird oft zur Fortbewegung verwendet. Der Dehnungs-Verkürzungs-Zyklus (DVZ) im Trab sorgt dafür, dass sich das Pferd energiesparend bewegen kann – daher legen Distanzreiter häufig lange Strecken im Trab zurück. Bei dem DVZ geschieht abwechselnd ein Zusammenziehen und Dehnen der Muskeln, Sehnen, Faszien und Bänder des Pferdes. Dabei wird in diesen Strukturen beim Auffußen Energie gespeichert, die beim Abfußen wieder freigegeben wird.

Ein Nachteil des DVZs ist allerdings, dass die Muskulatur dadurch im Trab wenig trainiert wird. Um diesem entgegenzuwirken, kann der Reiter das Tempo verringern – ohne dass das Pferd dabei zu langsam wird – und eine leichte Versammlung abrufen. Zum besseren Verständnis des DVZ können Sie folgende Übung ausprobieren: Machen Sie zunächst zehn Kniebeugen in relativ schnellem Tempo – dies wird den meisten leicht fallen. Nun machen Sie die zehn Kniebeugen betont langsam und werden den Unterschied sicher direkt bemerken. Der DVZ und die Übung mit den Kniebeugen verdeutlichen, warum versammeltes Traben – sowie Piaffieren oder Passagen – die meiste Energie kosten.

Mechanischer Ablauf des Trabs

Bevor es an die Beurteilung der Qualität des Trabs oder dessen Verbesserung geht, ist es elementar, über die Anatomie und die biomechanischen Abläufe im Körper des Pferdes Bescheid zu wissen. Nur so ist es möglich, potenzielle Schwachstellen im Bewegungsablauf im Trab zu kennen, die Ursache zu erkennen und zu beseitigen. Allein aufgrund der Anatomie des Pferdes verteilt sich mehr Gewicht auf die Vor- als auf die Hinterhand des Pferdes. Daher ist eins der Ziele beim Reiten, die vermehrte Lastaufnahme auf der Hinterhand zu erreichen und Vorhandlastigkeit zu vermeiden.

„Der Trab beginnt – aus dem Stand betrachtet – mit einer Schubphase, in der sich das Hinterbein streckt und dadurch vom Boden abstößt. Zeitgleich senkt sich das Becken auf der Seite des abschiebenden Hinterbeins, sodass die Schubkräfte über die Lendenwirbelsäule bis hin zum Schultergürtel gelangen“, erklärt Angela Lohmann, Trainerin für „Biomechanisch Korrektes Reiten“ (BKR).

Und genau in diesem anatomischen Bereich begründet sich auch die angeborene, leichte Vorhandlastigkeit der Gangart Trab, erklärt die Trainerin: „Da ein Pferd kein Schlüsselbein besitzt, muss die ­Thoraxschlinge, eine anatomische Konstruktion aus Muskeln, Sehnen und Bändern, in der der Schultergürtel hängt, die Schubkraft und den Schwung aus der Hinterhand auffangen und in das vordere Bewegungszentrum weiterzuleiten.“

Hinterhand nicht vernachlässigen!

Bereits ohne das zusätzliche Gewicht des Reiters und des Equipments ist dies jedoch eine relativ instabile Struktur. Nur durch richtiges Training lässt sich das vordere Bewegungszentrum stabilisieren, um die Funktionalität der Muskeln und Faszienketten zu optimieren, sodass wenig aktive Kraft notwendig ist, um den Schub aus der Hinterhand auszunutzen. Im Trab kommen somit die Kraft und der Schub zum größten Teil aus der Hinterhand.

Trotzdem wird die Hinterhand fälschlicherweise häufig vernachlässigt und der Fokus vermehrt auf die Aktivität der Vorderbeine gelegt. Neben der Thoraxschlinge kommt auch dem Becken eine große Rolle im biomechanischen Bewegungsablauf des Trabs zu, erklärt Angela Lohmann: „Nur durch die Rotation des Beckens wird die schwungvolle Vorwärtsbewegung der Hinterbeine bis ­unter den Schwerpunkt überhaupt möglich. Ist diese eingeschränkt, kann das Pferd nicht unter den Schwerpunkt treten und der Gang wirkt abgehackt.“

Trab trainieren

Der Trab ist die Gangart mit dem größten Entwicklungspotenzial. Allerdings bietet sie auch verschiedene ­potenzielle Fehlerquellen, wodurch die Trabbewegungen beispielsweise den Takt oder den Raumgriff verlieren. Unsere Experten haben sich mit den häufigsten Problemen im Trab befasst.

Der Trab kann am besten von ­allen Gangarten verbessert werden. Dies ist unter anderem in der Schwebephase und dem charakteristischen Schwung begründet. Im Gegensatz dazu ist der schwunglose Schritt die Gangart, die laut Expertin Angela Lohmann am schwierigsten zu reiten und zu verbessern ist. Der Trab ist von vielen verschiedenen Faktoren abhängig, ein großer Punkt ist die angeborene Veranlagung. In manchen Linien besitzen die Pferde eine überdurchschnittliche Trabveranlagung und vererben diese gegebenenfalls auch an ihre Nachkommen weiter.

Auch die Rasse spielt natürlich eine große Rolle, da nicht jede Rasse auf einen schwungvollen Trab gezüchtet wird: Bei Distanzpferden, häufig Araber und Voll­blüter, wird beispielsweise eher auf einen flachen, energiesparenden Trab Wert ­gelegt, um große Strecken zu überwinden. Ein ­kadenzierter Trab, wie er im Dressurviereck gewünscht ist, wäre hier fehl am Platz.

Der Galopp: Die schnellste der Grundgangarten

Vom freien Galoppieren durch die Natur bis hin zu versammelten Sprüngen im Viereck – der Galopp ist eine faszinierende Gangart, in der Sie Ihr Pferd lösen, gymnastizieren und kräftigen können. Neben der Auswahl der richtigen Übungen kommt es dabei auch auf den Sitz und die Einwirkung des Reiters an.

Reiterin im Galopp, animiert

Die Reiterin ist mit einem Andalusier im lockeren Galopp. (© Waugsberg (CC BY-SA 3.0))

Die Entwicklung eines geschmeidigen Sitzes und einer unabhängigen Einwirkung braucht Zeit. Ebenso müssen Pferde lernen, sich im Galopp auszubalancieren und Last mit der Hinterhand aufzunehmen. Die systematisch aufgebaute Galopparbeit kann vielseitig gestaltet und genutzt werden. Einblicke in die Biomechanik von Pferd und Reiter helfen, ein Verständnis für den Trainingsaufbau und die Trainingsmöglichkeiten zu entwickeln. Wundern Sie sich also nicht, warum scheinbar einfache Themen wie Fußfolge oder Hilfengebung im Galopp erläutert werden. Oder können Sie in diesem Moment, ohne lange zu überlegen, beides genau erklären? Also beginnen wir mit den Grundlagen.

Galopp: Drei Takte und einmal schweben

Jeder einzelne Galoppsprung vollzieht sich in drei Takten. Auf hartem Boden sind diese sogar hörbar. Im Rechtsgalopp sieht das Ganze folgendermaßen aus: Zuerst fußt das linke Hinterbein ab, anschließend das rechte Hinter- und das linke Vorderbein zusammen, gefolgt vom rechten Vorderbein. Zusätzlich besteht der Galopp aus sechs Phasen, in denen sich das Pferd mit einem, zwei, drei oder aber keinem Bein abstützt. Befinden sich alle vier Beine in der Luft, spricht man von einer Schwebephase.

Unabhängig von der Phase des Galoppsprungs trägt das jeweilige Stützbein (hinten, vorne oder diagonales Stützbeinpaar) in einem korrekten Galopp immer dasselbe Gewicht. Zudem bleibt die Fußfolge in jedem Tempo gleich. Unterschieden wird zwischen vier Tempi: Arbeitsgalopp, Mittelgalopp, starker Galopp und versammelter Galopp. Während der Arbeitsgalopp geregelt, fleißig und schwungvoll ist, werden im Mittelgalopp raumgreifendere Sprünge mit entsprechender Rahmenerweiterung gefordert.

Der größtmögliche Bodengewinn bei entsprechender Rahmenerweiterung wird im starken Galopp erzielt, wobei der Galoppsprung gegenüber dem Mittelgalopp nicht eiliger werden soll. In der Versammlung nimmt die Hinterhand vermehrt Last auf, ohne an Fleiß zu verlieren. So wird der Galoppsprung erhabener und der Bodengewinn geringer. Der versammelte Galopp muss systematisch erritten werden und fordert vom Ausbilder Erfahrung, Technik, Geduld und Geschick. Ein Pferd bis dahin zu fördern ist gleichzeitig auch eine faszinierende Aufgabe.

Die dritte Grundgangart diagonal oder einseitig?

Ob die Hilfen zum Angaloppieren diagonal oder einseitig gegeben werden sollten und welche Rolle dabei der innere oder äußere Zügel beziehungsweise Schenkel spielt, wird je nach Reitlehre rege diskutiert. Unabhängig davon ist es generell wichtig, die innere Hälfte des Pferdes leicht und frei zu machen. Die Art der Einwirkung ist dabei auch eine Frage von Takt und Timing.

Grundsätzlich wird die Hilfengebung zum Angaloppieren folgendermaßen beschrieben: Die äußere Schulter des Pferdes wird mit dem äußeren Zügel sozusagen gestützt und die innere Schulter frei gemacht. Mit dem inneren Zügel hält der Reiter die Stellung. Dabei belastet er beide Gesäßknochen gleichmäßig, wobei er etwas mehr Gewicht in den äußeren Steigbügel bringt.

Der äußere Schenkel, der eine Linie mit Schulter, Gesäß und Absatz bildet, wird ein Stück zurückgelegt. Dabei reagiert jedes Pferd unterschiedlich sensibel auf Schenkelhilfen. Einige Stuten sind in der Rosse besonders empfindlich und mögen es nicht, wenn das Bein des Reiter zu weit zurückgelegt wird. Der innere Schenkel liegt am Gurt und treibt sozusagen ab dem Angaloppieren den Galoppsprung heraus. Lassen Sie sich Zeit, um herauszufinden, wie Sie am besten mit Ihrem Pferd kommunizieren können, ohne negative Spannungen zu erzeugen.

Richtig angaloppieren

Es gibt Pferde, die immer im „richtigen“ Galopp angaloppieren. Andere widersetzen sich und wollen immer wieder in ihrem Lieblingsgalopp angaloppieren – egal in welche Richtung man sich bewegt. Mit richtigem Galopp ist gemeint, dass das Pferd mit dem linken Vorderbein führt, wenn man nach links zirkelt und umgekehrt. Richtiger ist zwar, vom inneren Hinterbein auszugehen, aber jetzt würde wieder die allzu theoretische Fußfolge erklärt werden müssen. Das spare ich mir, weil die Überprüfung über das führende Vorderbein für den ungeübteren Reiter einfacher ist.

Links- oder Rechtshufer?

Die meisten Pferde sind „einseitig“ und favorisieren eine bestimmte Seite. Das ist mit uns Menschen vergleichbar. Wir sind auch Rechts- oder Linkshänder. Aber auch wir können beide Hände gleich trainieren. Ein größeres Problem ist, dass viele Reiter ihr Pferd unter dem Sattel im korrekten Galopp angaloppieren wollen, bevor ihr Pferd „soweit ist“.

Gute, vorbereitende Bodenarbeit kann hier viele, später unter dem Sattel auftretende Probleme verhindern. Wenn Ihr Pferd den Unterschied zwischen Rechts- und Linksgalopp nicht versteht, können Sie nicht erwarten, dass es korrekt angaloppiert.

Laterale Beweglichkeit für den Galopp

Unter dem Sattel sollten Sie zuerst an der lateralen (seitlichen) Beweglichkeit mit Seitengängen, wie Schenkelweichen, Kruppeherein, (Travers), Renvers, Schulterherein, Schultervor sowie an Hinterhandwendungen, Vorhandwendungen etc. arbeiten, bis diese gut funktionieren. Erst dann sollte der Galopp gefragt werden. Oft hat sich dann schon das Problem des falschen Galopps erledigt, bevor es begonnen hat. Sie müssen die Kontrolle über die verschiedenen Teile Ihres Pferdes erlangen, um in den „richtigen“ Galopp zu kommen.

Sie müssen in der Lage sein, die Hüfte Ihres Pferdes nach innen zu stellen, die Schultern gerade zu richten und die Nase Ihres Pferdes leicht nach innen zu nehmen, um den korrekten Galopp zu erhalten. Beim Galopp ist also einiges mehr zu tun, als nur die Beine zu bewegen. Auch wenn Sie die laterale Beweglichkeit Ihres Pferdes schon trainiert haben sollten, achten Sie beim Angaloppieren trotzdem immer wieder auf die nachfolgenden Punkte!

Beispiel: Der Linksgalopp

  • Linken Sitzbeinhöcker und linke Hüfte vorschieben, den Rechten in Normalposition. Aufrecht sitzen.
  • Schultern wirklich gerade nebeneinander halten (wenn Sie nicht wenden oder zirkeln).
  • Linkes Bein am Gurt halten, um die innere Schulter Ihres Pferdes daran zu hindern, nach innen zu fallen. Holen Sie sich damit auch eine leichte Linksbiegung und reiten Sie mit diesem Schenkel gegen den rechten Zügel. Halten Sie die Schultern Ihres Pferdes zwischen den Zügeln und gerade.
  • Rechtes Bein hinter dem Gurt halten und im Rhythmus aktiv bleiben, damit Ihr Pferd die Hüfte nicht nach rechts verschiebt und der Impuls beibehalten wird.
  • Nehmen Sie, wenn nötig, den linken Zügel an, um die Pferdenase in Bewegungsrichtung zu halten.
  • Geben Sie nun mit dem rechten Bein hinter dem Gurt einen Impuls zum Angalopp.
  • Haben Sie die Hüfte des Pferdes nach links gehalten, wird es auch links, also „richtig“ angaloppieren.

Fazit zum Linksgalopp: Immer wieder üben, die Hüfte des Pferdes im Schritt auf eine Seite zu verschieben, während Sie es vorne in der Schulter gerade richten. Können Sie das noch nicht, lassen Sie es sich von einem Fachmann erklären. In schwereren Fällen (vorausgesetzt Sie können alle vorbereitenden Übungen korrekt reiten) können Sie Ihr Pferd auch im Trab gegen die Bande wenden und in dieser Wendung angaloppieren. Galoppiert Ihr Pferd korrekt, dann lassen Sie es einige Zirkel im Galopp laufen. Sollte sich Ihr Pferd aufregen, halten Sie es an und bleiben Sie für einige Minuten stehen, bis es sich beruhigt hat.

Reiterin auf Pferd im Galopp

Galopparbeit ist körperlich sehr fordernd. (© Christiane Slawik)

Positive Effekte des Galoppierens

Von mehr Losgelassenheit über ein effizientes Bauchmuskeltraining bis hin zu einer schöneren Oberlinie des Pferdes – so nutzen Sie den Galopp als Gangart richtig.

Kraft und Energie des Pferdes – beides spüren wir im Galopp unter uns. Egal, ob wir im Gelände die dritte Gangart einlegen und uns der frische Wind ins Gesicht weht oder ob wir im Training Tempounterschiede reiten. Im versammelten Galopp wird dann noch deutlicher, wozu ein gut ausgebildetes Pferd in der Lage ist, wenn es kräftig, gesetzt unter den Schwerpunkt springt.

Galopp kann sich besser anfühlen als zu fliegen. Auf der anderen Seite kann diese Gangart auch zur Herausforderung werden. Manch ein Vierbeiner dreht im Galopp so richtig auf, während andere sich durchgehend bitten lassen, doch mehr als eine lange Seite vorwärts zu galoppieren. Kann der Reiter den Galopp nicht sitzen, kommt weiterer Stress auf, denn dann leidet die Einwirkung, und das Pferd spürt die Anspannung und möglicherweise auch die Angst oder Unsicherheit des Menschen im Sattel.

Hohe Anforderungen an den Körper

Wissen Sie, wie sich Ihr Pferd im Galopp genau bewegt? Falls nicht, haben Sie etwas mit den alten Reitmeistern vor 1872 gemeinsam, denn bis zu diesem Jahr war die genaue Fußfolge im Galopp noch ungeklärt. Mit unseren Augen können wir pro Sekunde nur etwa zehn bis 15 Bilder wahrnehmen. Eine ­Kamera war es schließlich, die Licht ins Dunkel ­brachte: Der amerikanische Fotograf ­Eadweard Muybridge und der französische Physiologe Étienne Jules Marey beschäftigten sich damals mit der fotografischen Darstellung von Bewegungsabläufen diverser Tiere. Sie konnten die heute bekannte Fußfolge des Galopps erstmals einfangen, indem sie 24 Kameras knapp hintereinander auslösten. Diese hatten eine für die damalige Zeit besonders kurze Belichtungszeit von einer 1/6.000-Sekunde.

Heute wissen wir über die Bewegungsabläufe des Pferdes genau Bescheid, und Studien untersuchen die Auswirkungen des Galopptrainings in Bezug auf die Gesundheit und die Fitness des Pferdes. So stellt der Galopp hohe Anforderungen an Atmungssystem, Herz-Kreislauf-System sowie an den Bewegungsapparat des Pferdes. Das Training in der dritten Gangart kann sowohl sehr effizient, allerdings gegebenenfalls auch verschleißend sein. „Deshalb ist es wichtig zu wissen, welchen Stellenwert die Galopparbeit im Training des Pferdes hat und was im ­Galopp wie stark belastet wird“, schreiben Katharina Möller und ­Claudia Weingand in ihrem Buch „Galopparbeit“.

Der Galopp macht Puls

Der Energieverbrauch ist dabei im Vergleich zum Schritt oder Trab besonders hoch. Er ist allerdings stark vom Pulswert sowie vom Körpergewicht des Pferdes abhängig. Trainingszustand und Geschwindigkeit beeinflussen wiederum den Pulswert. Ein Pferd, das in gestrecktem Galopp im freien Gelände gehen darf, hat ­einen höheren Puls als das Pony in der Kinderreitstunde, das nur eine Runde ganze Bahn galoppieren muss.

Viel hilft viel, diesen Grundsatz haben manche Menschen regelrecht verinnerlicht und übertragen ihn auch auf das Training mit dem Pferd. Sie würden denken, dass es gut sei, ein dickes Pferd lange zu galoppieren, damit es möglichst viel Energie verbraucht. Doch das ist kein sinnvolles Abspeckprogramm.

Galoppieren als Abspeckprogramm

„Ohne ein sinnvoll vorbereitendes Training ist das Pferd möglicherweise nicht nur schneller schlank, sondern auch schneller krank“, warnen unsere Expertinnen. „Denn Galopparbeit ist immer auch belastend für Sehnen und Co. und kann deswegen insbesondere für übergewichtige und vergleichsweise untrainierte Pferde nicht ohne Weiteres empfohlen werden!“

Betrachten wir die Sehnen und Fesselträger einmal genauer im Galopp. Dazu müssen wir wissen, dass Sehnen die Muskeln mit Knochen verbinden und die Kontraktionskraft der Muskulatur auf den Knochen übertragen. So sorgen sie für Bewegung der Gelenke. „Sehnen speichern Energie und ermöglichen dem Pferd dadurch, sich mit geringerem Energieaufwand fortzubewegen“, erklären Katharina Möller und Claudia Weingand. Beim Auffußen werde die Sehne gedehnt (elastische Energie) und in Bewegungsenergie umgewandelt, vergleichbar mit einer Sprungfeder. Dabei halten die zugehörigen Muskeln nur die Grundspannung. Das Pferd kann ­dadurch energieeffizient und ausdauernd laufen.

Hohe Belastung im Galopp

In einer Studie von Biewener et al. aus dem Jahr 1998 konnte festgestellt werden, dass die Sehnen der Hintergliedmaßen zwei Drittel und die der Vordergliedmaßen ein Drittel zur Energiespeicherung beitragen. „Sehnen- und Muskelspannungen sind am höchsten während der Übergänge zwischen den Gangarten und im Galopp“, heben unsere Expertinnen hervor.

Dass die Grundspannung der Gewebe im Galopp und in den Übergängen höher ist bedeute, dass die schnellste der Grundgangarten das Pferd mehr anstrenge, schneller für Ermüdung sorge und das Sehnengewebe deswegen dabei eben auch mehr belaste. Aus diesem Grund seien in der Rehaphase nach Sehnenschäden oder beim Auftrainieren nach Trainingspausen weder Übergänge zwischen den Gangarten noch Galoppieren sinnvoll.

Bringen Sie ihr Pferd in den Grundgangarten zum Strahlen!

Pferde sind von Natur aus kraftvolle und bewegliche Tiere, ja regelrechte Athleten. Wenn sie sich mit ihren Artgenossen frei bewegen, ist ihr Körper in der Lage, enorme Regenerationsleistungen zu erbringen. „Die Frage, wovon er sich regenerieren muss, ist offensichtlich zu beantworten: Von den Einwirkungen des Menschen auf den Pferdekörper – am Boden und beim Reiten“, erklärt Marie Maßmann, die mit „Naturalclassic“ ein Fortbildungssystem für Pferd und Reiter entwickelt hat. Sie gibt zu bedenken: „Das Beste wäre also, das Pferd hätte keinen Anlass, sich regenerieren zu müssen, unabhängig davon, unter welchen Umständen es leben muss.“

Im Training schafft Wissen Respekt

„Es kommt somit erst einmal darauf an, dass der Mensch weiß, was er tut, bevor er sich anmaßt, ein so athletisches, von Natur aus lockeres und kraftvolles Tier zu bearbeiten“, sagt unsere Expertin, die unter Wissen nicht nur die Kognition, sondern die Gesamtintelligenz des Menschen als mitfühlendes Wesen versteht.

Demnach müsse der Reiter zum einen wissen, welche Übungen sinnvoll seien, und zum anderen müsse er eine innere Haltung entwickeln, mit welcher diese in der richtigen Art und Weise ausgeführt werden können. „Hierzu gehört ebenfalls eine große Portion Respekt vor der Unversehrtheit des Pferdekörpers und das Bewusstsein, dass jeder Handgriff bereits trainiert und beeinflusst“, betont Marie Maßmann. Es ist also nicht nur entscheidend, was Sie als Reiter tun, sondern auch wie und wann. Ihre Aufgabe ist es, das Pferd so vorzubereiten, dass es versteht, was Sie von ihm verlangen.

Denken Sie an eine Remonte, die beim Reiten zunächst eher unbeholfen und womöglich steif erscheint. Wurde das junge Pferd nicht auf die Anforderungen unter dem Sattel vorbereitet, fehlt das Verständnis, und Bewegungen können nicht locker ausgeführt werden. Ein Pferd kann sein volles Potenzial in allen Gangarten nur entfalten, wenn eine gewisse Basis in Bezug auf die Kommunikation sowie eine entsprechende körperliche und mentale Losgelassenheit gegeben ist.

Grundgangarten: Das Training beginnt am Boden

Damit sich ein Pferd in allen drei Grundgangarten locker, kraftvoll und geschmeidig mitschwingend unter dem Reiter bewegt, muss es von hinten nach vorne geritten werden. Dieser Satz findet sich in allen anerkannten Reitvorschriften wieder, doch was ist darunter genau zu verstehen, und wie wird dieses Ziel erreicht? „Wer von hinten nach vorne reiten möchte, der sollte zunächst lernen, von hinten nach vorne zu führen“, betont Marie Maßmann. „Bestimmte Übungen am Boden können zu einem hochprofessionellen Reiten führen. Damit meine ich hochprofessionell im Sinne von verantwortungsbewusst.“

Die Ausbilderin legt Wert darauf, das Denken ihrer Schüler von der vertikalen Ebene, also der zweibeinigen des Menschen, auf die horizontale Ebene, also die vierbeinige des Pferdes, zu transferieren. Führen Sie sich folgende Situation vor Augen: Sie wollen Ihr Pferd am Halfter führen, aber es ist an diesem Tag eher träge. Wahrscheinlich ziehen Sie nun am Strick, als seien Sie davon überzeugt, dass der Kopf des Pferdes dessen Motor sei. Eigentlich wissen Sie jedoch, dass Pferde ihr Gewicht auf den Hufen tragen und bestimmt haben Sie auch schon mal gehört, dass die Hinterhand der Motor des Pferdes ist.

Wenn Sie also dennoch am Kopf ziehen, stimmt Ihr Wissen demnach nicht mit Ihrem Handeln überein. „Wir sollten bedenken, dass wir unsere Pferde ständig trainieren, nicht nur beim Reiten“, sagt unsere Expertin. Ändern Sie als erstes Ihr Verhalten im Umgang. Das beginnt bereits bei der Annäherung und dem Halfteranlegen und hat einen entscheidenden Einfluss auf die Qualität des Führens und somit auch auf die Bewegungen des Vierbeiners.

Auf Ursachensuche

Der Hals ist die Balancierstange des Pferdes. Unsachgemäße Einwirkungen mit dem Zügel oder dem Strick können unter anderem zu Verletzungen und Verspannungen führen und dadurch die Geschmeidigkeit und Qualität der drei Grundgangarten negativ beeinflussen. Oft liegt der Teufel im Detail, und es ist nicht immer leicht, Probleme direkt an der Wurzel zu packen. Wenn ein Pferd zum Beispiel immer wieder auf die Vorhand fällt, kann das zahlreiche Ursachen haben: von Sitzfehlern des Reiters über eine fehlende Losgelassenheit bis hin zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Ebenso braucht es je nach Ursache eine Weile, bis das Problem behoben werden kann.

Ein Sitzfehler, der sich über eine gewisse Zeit eingeschlichen und gefestigt hat, lässt sich selten in einer einzelnen Trainingseinheit auf die Schnelle korrigieren. Ein korrekter Sitz und eine feine Einwirkung sind jedoch wichtig, damit sich das Pferd in vollem Stolz und mit raumgreifenden Bewegungen unter dem Reiter präsentieren kann.

Wer die einzelnen Gangarten verbessern möchte, muss also auch an sich selbst arbeiten und dem Pferd die Möglichkeit geben, sich zu entwickeln. Dabei ist es sinnvoll, nicht nur allein, sondern regelmäßig mit einem guten Ausbilder zu trainieren. Vier Augen sehen schließlich immer mehr als zwei. „Denken Sie dabei stets daran, dass nur ein wahrhaftiges Reiten von hinten nach vorne und ein klares Verständnis davon den Reiter dazu befähigt, Anmut und Gesundheit seines Pferdes zu bewahren und damit das Beste nicht aus dem Pferd herauszuholen, sondern das Beste in dem Pferd zu lassen. Nämlich sein natürliches Talent, seine Kraft, Ausdauer, Elastizität und Anmut“, hebt unsere Expertin hervor.

Krafttraining mit Fingerspitzengefühl

Von Natur aus sind Pferde nicht dazu geschaffen, Menschen zu tragen. Kraft und Ausdauer spielen deshalb eine wesentliche Rolle beim Training und beim Verbessern der Grundgangarten. Marie Maßmann betont allerdings, dass dabei eine goldene Regel eingehalten werden sollte: „Trainieren Sie erst die perfekte Ausführung, also die Qualität, und dann erst Kraft und Ausdauer, also die Quantität.“

Kraft-, also Muskeltraining müsse mit viel Fingerspitzengefühl und Erfahrung erfolgen. Es bringe wenig, einfach nur immer mehr Muskulatur aufzubauen, denn jede antrainierte Muskulatur müsse auch locker erhalten werden. Das Verhältnis von Kraft und Ausdauer sollte zu den Anforderungen passen, die an das Pferd gestellt werden. Ein Distanzpferd benötigt beispielsweise mehr Ausdauer als ein Freizeitpferd, das die meiste Zeit auf der Weide verbringt und keine sportlichen Leistungen erbringen muss.

Da jeder Organismus anders auf ein bestimmtes Training reagiert, ist dazu eine gewisse Erfahrung nötig. „Jedes gesunde Pferd bringt von Natur aus auch ein gesundes Maß an Ausdauer mit“, erklärt Marie Maßmann, die selbst Ausdauer hauptsächlich im Gelände trainiert, da sich hier der verschleißende Aspekt der Zentrifugalkraft minimiere. Sie fügt hinzu: „Zudem entspricht das Reiten im Gelände, am besten noch in der Gruppe, am ehesten der Natur des Pferdes. Dressurmäßige Lektionen kann ich hier ebenfalls trainieren.“

Reiterin auf Pferd während der goldenen Stunde

Erst die perfekte Ausführung trainieren, dann Kraft und Ausdauer. (© Christiane Slawik)

Psychische Balance

In der Humanmedizin, aber auch in anderen Bereichen wie dem Leistungssport werden Körper und Psyche des Menschen immer seltener getrennt voneinander betrachtet. In Bezug auf den Reitsport ist die psychische Ausgeglichenheit des Vierbeiners eine unabdingbare Voraussetzung für die Arbeit am Pferdekörper. „Alle Lektionen, die in einer durch Unsicherheit und Angst gekennzeichneten Anspannung durchgeführt werden, haben verspannte Muskulatur und damit kurze Gangarten zur Folge“, gibt Marie Maßmann zu bedenken. Hier läge häufig die Ursache für körperliche Mängel und Krankheiten des Pferdes.

Eine positive Anspannung wie Freude an der Bewegung und Übermut dürften natürlich nicht mit dieser aus Angst oder Unsicherheit resultierenden Anspannung verwechselt werden. „Es ist viel Können und Erfahrung notwendig, um ein Pferd frisch an hohe Leistung zu bringen, ohne ‚überschüssige‘ Energie verschleißend abarbeiten zu müssen“, sagt unsere Expertin. Dabei spiele auch die mentale Verfassung des Menschen eine entscheidende Rolle, denn nur ein psychisch ausbalancierter Reiter kann Sorge für die psychische Ausgeglichenheit seines Pferdes tragen.

Talent ist keine Ausrede

Dank der modernen Zucht besitzen viele Sportpferde heute ein bemerkenswertes Gangvermögen. Doch das ist für die Vierbeiner nicht immer ein Segen. So müssen sie bereits in Jungpferdeprüfungen strampeln wie die Weltmeister und werden dafür mit staunenden Blicken belohnt. Häufig hat diese Art der Belastung ohne eine entsprechende Gymnastizierung negative Auswirkungen auf den Bewegungsapparat und die Psyche des Pferdes. Nach einigen Erfolgen verschwinden die ehemaligen Überflieger dann plötzlich aus dem Sport. Doch wie kann es sein, dass ihr Talent scheinbar verpufft? Generell muss jedes Pferd auf die Arbeit unter dem Sattel und die sportlichen Anforderungen vorbereitet werden. Auch solche mit überragenden Grundgangarten.

„Wenn hoch talentierte Pferde mit den Jahren an Schwungkraft, Tragkraft, Federkraft und Elastizität verlieren, liegt das meistens an einem mangelhaften Reiten und an einer mangelhaften Vorbereitung des Pferdes auf seine Aufgaben“, sagt unsere Expertin und fügt hinzu: Aber auch Menschen, die ein solches Pferd reiten möchten, müssen in der Lage sein, es zu sitzen.“ Ansonsten sei eine feine Einwirkung nicht mehr möglich.

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