Ohne richtigen Sitz kein richtiges Reiten. Das wusste schon Reitmeister Xenophon. Denn wenn der Reitersitz nicht stimmt, funktioniert auch der Rest nicht. Dann läuft das Pferd, wohin es will und den Reiter schüttelt es kräftig durch, oder er kippt kopfüber in den Sand. Daher: Wer richtig reiten will, muss den richtigen Sitz beherrschen.
„Der richtige Sitz ist die Grundlage jeder reiterlichen Einwirkung“ heißt es in den Richtlinien für Reiten und Fahren. Zweifellos sind die Begriffe Sitz und Einwirkung untrennbar miteinander verbunden, aber eines steht ebenfalls fest: Egal ob der Reiter „richtig“ oder „falsch“ sitzt – eine (Ein-)Wirkung hat dies auf jeden Fall auf das Pferd! Denn nicht nur der korrekte Reitersitz, sondern auch der nicht korrekte Sitz beeinflussen das Pferd.
Voll-, Grund- oder Dressursitz
Vollsitz wird der Reitersitz auch genannt, weil das gesamte Reitergewicht den Pferderücken belastet. Grundsitz, weil sich alle anderen Sitzformen aus ihm ergeben. Dressursitz, weil ein Großteil der Feinabstimmung zwischen Pferd und Reiter über den Sitz erfolgt. Hinter der perfekten Verschmelzung, die Pferd und Reiter wie aus einem Guss erscheinen lässt, stecken Übung, Geduld und… ein bauchtanzreifes Becken! Doch wie können starre Beckenknochen überhaupt beweglich sein? Können sie nicht. Aber das gesamte Becken lässt sich bewegen – mit Hilfe der Hüftgelenke und dem unteren Bereich der Wirbelsäule. Hier ist die Schaltzentrale des Reiters und der Kern des korrekten Sitzes.
So sitzen Sie richtig im Sattel
Also rauf in den Sattel und richtig hingesetzt, aber wie? Erst mal die Schaltzentrale, sprich das Becken, in die richtige Position bringen. Einfach in den tiefsten Punkt des Sattels rutschen. Dann das Gesäß entspannen und die Beine locker nach unten sinken lassen. Jetzt weisen die Gesäßknochen senkrecht nach unten. Das Gewicht verteilt sich gleichmäßig auf ein aus Sitzbeinhöckern und Schambein bestehendes Dreieck sowie auf die innere Oberschenkelmuskulatur.
Der Oberkörper ist gerade über dem Becken aufgerichtet. Ob alles stimmt, spürt man. Der richtige Sitz fühlt sich stabil und sicher an. Außerdem strengt er nicht an. So könnte man Stunden im Sattel verbringen. Nun zu Brustkorb und Kopf. So kontrollieren Sie Ihre richtige Position: Den Oberkörper zurücknehmen, bis die Gesäßknochen senkrecht stehen. Dann den Kopf entspannt hochnehmen. Nicht arrogant die Nase in die Luft recken oder verschämt zu Boden starren, sondern den Blick geradeaus richten und mit den Augen die Umgebung erfassen. Die Schultern senken sich unterdessen entspannt in Richtung Becken. Das setzt einen wohltuenden Prozess in Gang: Das Gewicht der Arme verteilt sich über den Rücken, der Brustkorb wölbt sich und stützt die Schulterpartie.
Entspannt sollten Sie sein
Gleichzeitig erhöht sich der Druck auf die Gesäßknochen. Das gibt mehr Stabilität. „Der Reiter sitzt gestreckt, aber ohne Anspannung“, so Dressur-Olympiasieger Klaus Balkenhol. Entspannt sollten auch die Oberarme sein. Sie hängen etwas vor der Senkrechten herab und liegen leicht am Körper des Reiters an. Das geht meist wie von selbst. Die ideale Winkelung der Unterarme erfordert allerdings Übung. „Dabei muss die Unterseite der Unterarme mit der Außenkante der Hände und den Zügeln in einer geraden Linie zum Pferdemaul führen“, erklärt Balkenhol. So bleibt der Reiter in den Schultern beweglich.
Eigentlich ganz leicht, wenn man eine korrekte Handhaltung einhält. „Die zur hohlen Faust geschlossenen Hände immer aufrecht stellen. Eine Handbreit auseinander und eine Handbreit über dem Widerrist. Der Reiter sollte etwas in die Hände hineinschauen können und in den Handgelenken beweglich bleiben“, erklärt der Olympiasieger.
Der federnde Absatz
Von der Hüfte aufwärts ist nun alles bestens, doch zum perfekten Reitersitz gehören auch die unteren Partien. Angefangen mit den Oberschenkeln, deren Innenseiten flach und gefühlvoll am Sattel anliegen. „Man nimmt sie etwas zurück. Und zwar so weit, wie es sich mit einer gleichmäßigen Gewichtsverteilung vereinbaren lässt“, erklärt Balkenhol. Dieser Punkt ist einfach zu erkennen: Wer ihn verfehlt, kippt mit dem Oberkörper nach vorne.
Bei der exakten Positionierung der Unterschenkel hilft ein Blick auf den Sattelgurt. Die Unterschenkel liegen in der Grundposition kurz dahinter und ruhen sanft auf dem Pferdebauch. Eine weitere Orientierungshilfe: Die leicht am Sattel anliegenden Knie sind so gewinkelt, dass sich die Füße des Reiters unter seinem Schwerpunkt befinden. Also unterhalb der Hüfte. Die Füße ruhen parallel zum Pferdekörper und sind so platziert, dass der Bügel kurz vor der breitesten Stelle des Fußballens liegt. Das Fußgelenk bleibt beweglich. Der Absatz wird erst bei Bewegung des Pferdes zum tiefsten Punkt des Reiters. „Der Absatz muss auf und ab federn. Sonst kann man die Bewegungen des Pferdes nicht ausgleichen“, weiß Balkenhol.
Korrekturen für den richtigen Reitersitz
Richtige Worte wählen: Unzählige Faktoren spielen eine Rolle, damit der Reitersitz besser wird – auch die Korrekturen des Reitlehrers. Doch welche Worte wählt er – und warum?
Sitzt der Reiter geschmeidig und geht auf die Pferdebewegung ein, fällt es dem Pferd leicht, sich ebenso geschmeidig unter dem Reiter zu bewegen. Sitzt der Reiter dagegen verkrampft und bewegt sich unrhythmisch, so kann man dies auch dem Pferd ansehen. Es läuft eventuell auf der Vorhand, schwingt nicht über den Rücken oder geht nicht durchs Genick.

Der Körper folgt dem Kopf. Deshalb sollte der Blick des Reiters der Linie folgen, auf der das Pferd reiten soll. (© Jacques Toffi)
Sind Reitlehrer nur am Sprüche klopfen?
Ist es der leichtere Weg, Sprüche zu klopfen, einfach „Kopf hoch, Hacken tief“ zu rufen, weil das sowieso irgendwie immer stimmt? Sind diese alten Reitlehrer-Sprüche überhaupt hilfreich, können sie den Reiter verbessern? Oder sollte man, um schnellere und vielleicht sogar bessere Erfolge zu erzielen, seine Wortwahl verändern?
Wir erläutern, warum es in der Tat wichtig und richtig ist, beim Reiten eine bestimmte Form, zum Beispiel den tiefen oder federnden Absatz, im Hinterkopf zu haben. Weil damit bestimmte Funktionen erfüllt werden, die wichtig sind, damit sich das Reiten zu einem erfolgreichen und harmonischen Unternehmen entwickelt!
Wortwahl bezieht sich oft auf die Form: Korrekter Reitersitz
Unzählige Bücher beschreiben akribisch, wie der Reiter sitzen sollte. Es werden Linien gezogen von der Schulter über die Hüfte zum Absatz. Der Eindruck entsteht, der Reiter müsse nur seinen Körper in eine Art Schablone pressen, dann klappt das schon mit dem olympiareifen Auftritt. „Wie gemalt“ soll der Reiter sitzen…
Trotzdem sollte man immer im Hinterkopf behalten, dass kurze, knackige Kommandos wie „Kopf hoch, Hacken tief“ auch zu Missverständnissen führen können. Wichtig ist: Man muss verstehen, was dahinter steckt!
Wie wichtig ist die Funktion?
Die Wissenschaft weiß schon lange, dass in jeder Sportart die Priorität nicht auf dem Idealbild, sondern auf der idealen Ausführung einer Bewegung liegt. „Jeder Reiter ist anders und dies muss noch stärker berücksichtigt werden“, bestätigt Dr. Julia Schmidt. „Im täglichen Unterricht wird zu wenig Rücksicht auf die Individualität der Reiter gelegt. Alter, Körperbau, Körperhaltung, Kondition, individuelle Beweglichkeit und viele weitere Faktoren spielen eine Rolle bei der Auswahl der zielführenden Korrektur!“
Der Sportwissenschaftler Eckart Meyners prägte den Leitsatz „Funktion vor Form“ und fordert andere Formulierungen im Reitunterricht. Salopp gesagt steht er auf dem Standpunkt, dass formelle Forderungen wie „Absatz tief“ sogar teilweise außer Kraft gesetzt werden können, solange das Ergebnis stimmt, also die Funktion erfüllt wird (z.B. dass das Pferd versammelt galoppiert). Meyners entwickelte für Berufsausbilder ein Konzept, das abweicht von den althergebrachten Sitzkorrekturen und hinführt zu einem individuellen, funktional geprägten Ausbildungsweg.
Besserer Reitersitz – Kopf hoch!
Zu tief, zur Seite geneigt, zu steif, zu wackelig… Wie kann es gelingen, dass der Reiter seinen Kopf hochnimmt? Und woran kann es liegen, wenn er das nicht schafft?
Der Reiter soll seinen Kopf frei und ungezwungen tragen, ohne im Hals- oder gar im Schulterbereich Verspannungen zu entwickeln. Er muss die Übersicht über die Reitbahn behalten und darf darum nicht auf den Hals oder die Schulter des Pferdes schauen. Man weiß, dass der Blick den Körper „lenkt“. Wenn man also zum Beispiel nach links schaut, dreht sich der Körper auch in diese Richtung mit.
Das Kommando „Kopf hoch“ ist aber leider eine komplett auf die Form bezogene Korrektur. Sie geht kein bisschen darauf ein, dass vielleicht das Problem woanders liegen könnte. Besser wären Anregungen wie: „Augen geradeaus, schau dich um, blick durch die Ohren des Pferdes auf die Linie, die du reiten möchtest.“
Was Reitlehrer-Kommandos bedeuten
Die Kommandos von Reitlehrern sind oft stark verkürzt. Die häufigsten und was mit ihnen gemeint ist, erfahren Sie hier.
„Brust raus“
Brust raus soll Reitern zu mehr Körperaufrichtung verhelfen. Doch die Brust lässt sich nicht teleskopartig ausfahren. Was passiert wirklich? Das nach hinten geneigte Becken wird aufrecht gestellt. Die Schulterblätter rücken enger zusammen.
„Bauch rein“
Bauch rein fordert der Reitlehrer, wenn der Schüler ein Hohlkreuz macht. Bauch einziehen nützt aber wenig. Besser: Das nach vorne geneigte Becken in eine aufrechte Position bringen. Die Schultern entspannt in Richtung Becken absenken. Und schon wölbt sich auch der Bauch weniger hervor.
„Knie tief“
Knie tief ist ein Kommando, das klammernde Reiter öfter hören. Sie pressen die Knie fest an den Sattel, um mehr Halt zu bekommen. Dabei wandern nicht nur die Knie beständig nach oben, sondern meistens auch die Fußabsätze. Gegenmaßnahme: Die Beine entspannt herunterhängen lassen, die Knie leicht anlegen und die Gesäßmuskeln entspannen.
„Kopf hoch“
Kopf hoch ordnet der Reitlehrer an, wenn der Schüler sein Kinn an den Hals zieht und mit den Augen die eigenen Hände fixiert. Dabei verspannen sich Schultern und Nacken. Das geschieht allerdings auch, wenn der Kopf zu hoch genommen wird. Ideal ist die Position mit geradeaus gerichtetem Blick.
Der Reitersitz: Probleme und Lösungen
Zu den häufigsten Sitzfehlern zählen Stuhlsitz, Spaltsitz und schiefer Sitz.
- Beim Stuhlsitz sitzt der Reiter weit hinten auf dem Gesäß. Sein Absatz liegt nicht unter der Hüfte, sondern davor. Der Oberkörper ist schlaff zusammengesunken oder zurückgelehnt. Sofortmaßnahme: Bügel länger schnallen.
- Beim Spaltsitz balanciert der Reiter auf den Innenseiten der Oberschenkel. Der Oberkörper kippt nach vorne oder nach hinten, ein Hohlkreuz und hochgezogene Absätze machen gezieltes Einwirken unmöglich. Sofortmaßnahme: Bügel kürzer schnallen.
- Ein schiefer Sitz belastet den Pferderücken unterschiedlich. Sofortmaßnahme: Überprüfen, ob die Bügel gleich lang verschnallt sind oder ob der Sattel verzogen ist. Das kann passieren, wenn man immer ohne Aufsitzhilfe aufsteigt.
Neues etablieren – nur wie?
Ein Bewegungsmuster, das man in seinem Gehirn einmal als richtig abgespeichert hat, zu verändern, ist schwer. Es genügt nicht, etliche Male pro Reitstunde daran erinnert zu werden, dass man den Kopf hoch nehmen soll. Es ist ganz normal, immer wieder in die alten Gewohnheiten zurückzufallen.
„Um langfristig an einem Sitzfehler etwas zu ändern, sind sogenannte Kontrasterfahrungen nötig“, weiß Rolf Grebe. Das heißt: Statt zum Beispiel den Kopf einfach nur immer wieder hoch zu nehmen, sollte man ihn übertrieben nach rechts, links, oben und unten neigen, in verschiedenen Situationen, nicht nur auf dem Pferd, sondern auch z.B. auf dem Bürostuhl. Und zwar über Monate!
Negative Auswirkungen auf den Reitersitz
Die meisten Reiter schauen auf den Hals des Pferdes. Andere „wippen“ in der Bewegung mit oder neigen ihren Kopf zur Seite. Das hat Folgen, denn alles, von Kopf bis Fuß, beeinflusst den Reitersitz. Allein am Tragen des Kopfes sind rund 30 Muskeln beteiligt – und wenn der Reiter seinen Kopf senkt oder seitlich neigt, sind diese Muskeln anders gedehnt und beansprucht, als wenn er seinen Kopf ausbalanciert und frei trägt. Der nicht frei und gerade getragene Kopf löst eine negative Muskelfunktionskette aus:
Reiter, die nach unten schauen oder ihren Kopf seitlich neigen, sitzen oft krumm oder sogar einseitig belastend (mit schiefer Hüfte) auf dem Pferd. Weitere Sitzprobleme können sich von oben nach unten durch den gesamten Reiterkörper ziehen. Je weiter der Reiter nach unten schaut, desto stärker kann dies sogar sichtbar werden an der Körperhaltung des Pferdes. Der Fokus verlagert sich auf die Vorhand, das Genick könnte zu tief kommen. Das Pferd kann aufgrund der negativen Muskelfunktionskette des Reiters nicht mehr optimal vorfußen.
Wo liegt die Ursache?
Manchmal ist es vielleicht wirklich „nur“ eine falsche Angewohnheit, herunterzuschauen, dann wird es schnell gehen, dieses Sitzproblem zu verbessern.
Es kann aber auch sein, dass eine fehlerhafte Kopfhaltung ihre Ursache an anderer Stelle hat. Etwa von einer steifen Mittelpositur, einer schiefen Hüfte oder verkrampften Schultern kommt. Hier kommt man als Reiter allein nicht weiter. Ein Reitlehrer muss akribisch nach dem wirklichen Auslöser forschen, um diesen Haltungsfehler des Reiters dauerhaft zu korrigieren.
Tipps für einen besseren Reitersitz
- Lockern Sie die 30 Muskeln, die den Kopf tragen, indem Sie beim Schrittreiten nach rechts und links sowie nach oben und unten schauen.
- Gewöhnen Sie sich an, in den Schrittpausen Ihre Kopf- und Schultermuskulatur durch Drehbewegungen zu lockern.
- Der Körper folgt dem Kopf. Darum versuchen Sie, Ihren Blick durch die Pferdeohren ca. fünf bis zehn Meter vor dem Pferd dorthin zu richten, wo Sie hinreiten wollen.
- Reiten Sie zur Abwechslung um Stangen oder Pylonen oder vertauschen Sie mal die Buchstaben im Viereck, um sich „automatisch“ mehr umzuschauen!
- Übertreiben Sie, machen Sie mal etwas anderes. Schauen Sie (beim Schrittreiten!) in den Himmel, legen Sie eine Hand auf Ihren Kopf, lockern Sie sich selbst, indem Sie ein paar Grimassen ziehen (das löst Spannungen im Kieferbereich).
- „Drehen“ Sie die Augen gegen den Kopf. Das heißt: Schauen Sie nach rechts, obwohl der Kopf nach links gedreht wird und anders herum. Damit brechen alte Bewegungsmuster auf und schaffen Platz für eine neue, verbesserte Kopfhaltung!