Im Magen finden Verdauungsvorgänge statt, die ganz genau einem bestimmten Schema folgen sollten. Wird Heu gefüttert, läuft alles nach Plan. Bei Kraftfutter hingegen gibt es schon die ersten kleineren Abweichungen.
Säure – das klingt erstmal aggressiv. Und auch wenn Magensäure unabdingbar für eine gute Verdauung ist, verbindet man mit ihr doch eher negative Auswirkungen wie etwa Magengeschwüre. Wie bei so vielem kommt es auch beim Pferdemagen auf die richtige Balance an. Und darauf, dass die Säure dort bleibt, wo sie hingehört.
Erst keine, dann viel Magensäure
Mit 15 bis 20 Litern Fassungsvermögen ist der Magen eines Pferdes relativ klein und darauf ausgelegt, Futter in kleinen Portionen aufzunehmen. Dieses gelangt – durch Zähne zerkleinert – zunächst in den vorderen Teil des Magens. In diesem vorderen, dem sogenannten drüsenlosen Teil, gibt es noch keinen sauren Magensaft. Leicht verdauliche Kohlenhydrate wie Stärke oder Zucker werden hier durch Mikroorganismen abgebaut. Da das Milieu in diesem Teil des Magens sehr basisch ist, finden die Mikroorganismen hier gute Bedingungen vor.

Die Illustration zeigt die unterschiedlichen pH-Werte des Pferdemagens nach einer Heu- und einer Kraftfuttergabe. (© Otfried Lengwenat)
Wird zu viel Zucker gefüttert, kommt es zu einer sprunghaften Fermentation. Die Folge: Es wird sauer im ersten Teil des Magens, dies ist nicht erwünscht. Über Transportbewegungen gelangt der Futterbrei als Nächstes in den drüsenhaltigen Teil des Magens.
„Hier werden Salzsäure und Pepsinogen, die Vorstufe von Pepsin gebildet. Die Salzsäure senkt den pH-Wert, dies ist wichtig um den Nahrungsbrei zu ‚desinfizieren‘ und mit Hilfe des Pepsins beginnt die Eiweißverdauung. Dies erfolgt nur bei einem niedrigen pH-Wert. Die Enzyme arbeiten immer nur bei einem bestimmten pH-Wert richtig“, erklärt Fütterungsexperte Otfried Lengwenat. Da Raufutter etwas lockerer ist und nicht so eng zusammenklebt, kann es im hinteren Teil des Magens von der Magensäure sehr gut durchtränkt werden. Der pH-Wert sinkt ab.

Heu und Kraftfutter wirken sich unterschiedlich auf den pH-Wert im Magen aus. Bei Kraftfutter bleibt der pH-Wert im hinteren, drüsenhaltigen Magenabschnitt zu hoch, was sich nachteilig auf die weitere Verdauung im Darm auswirkt. (© Christiane Slawik)
Kraftfutterbrei wird im Pferdemagen schlechter verarbeitet
Kraftfutter hingegen klebt meistens als Brei dicht zusammen und kann nicht so gut durchtränkt werden. Bei diesem Futter sinkt der pH-Wert nicht so weit ab. Das hat zur Folge, dass die Mikroorganismen nicht so zahlreich abgetötet werden und das Futter keimhaltiger ist, wenn es im Dünndarm ankommt. Dort steigt das Risiko für Fehlgärungen mit Aufgasungen, die sich als Kolik äußern. Ein weiteres Problem: Da die Magensäure nicht ausreichend gebunden werden kann, kann sie in den vorderen, drüsenlosen Teil des Magens laufen. Es kann zu Veränderungen sogar zu Magengeschwüren kommen.

Kraftfutter ist in geringen Mengen in Ordnung, zu viel davon bringt die Verdauung durcheinander. (© Christiane Slawik)
Ist der Pferdemagen zu sauer?
Müde, schlapp, antriebslos? Einige von uns nehmen bei solchen Anzeichen gerne die eigene Ernährung unter die Lupe. Gerade das Thema Übersäuerung ist in den letzten Jahren in den Fokus gerückt. Gemeint ist damit, dass der pH-Wert des Blutes nicht mehr im optimalen Bereich liegt, sondern eben zu sauer ist. Gibt es eine solche Übersäuerung auch bei Pferden? In der neuesten Auflage seines Standardwerks „Pferdehaltung und Fütterung“ hat Ingolf Bender extra ein Kapitel zur Übersäuerung aufgenommen. Darin schreibt er, dass es beim Pferd im Wesentlichen drei Disbalancen hinsichtlich des pH-Werts gibt – die zum Teil ineinander übergehen:
- Übersäuerung des Magens: Magensäure ist wichtig, aber in zu großen Mengen bzw. wenn sie unzureichend vom Futter aufgesaugt wird oder das Futter viel Stärke enthält (übermäßig starke Milchsäurebildung) kann der Magen übersäuern. Auch Medikamente können eine Ursache sein. Magengeschwüre und Koliken drohen.
- Übersäuerung im Blut:Durch Krankheiten, veränderten Stoffwechsel, Fehlernährung oder Haltungsstress sinkt der pH-Wert des Blutes. Die Pferde wirken müde, manche haben vermehrt Angst, stolpern häufiger oder haben auch Hautveränderungen. In schweren Fällen steigen Herz- und Atemfrequenz. Der Tierarzt kann die Übersäuerung durch eine Blutgasanalyse diagnostizieren. Haltung und Fütterung müssen meist verändert werden, das Pferd benötigt zudem eine Flüssigkeits- und Elektrolytzufuhr.
- Übersäuerung der Muskulatur: Bei starker Anstrengung fällt in den Muskeln Milchsäure an: Die Zellen übersäuern. Bis zu einem gewissen Grad ist das nicht weiter schlimm, der Organismus kann es kompensieren. Aber wenn die Leistung abfällt und sich das Pferd widersetzlich sowie kurzatmig zeigt, kann das ein Hinweis darauf sein, dass das Pferd überfordert wurde und die Muskulatur übersäuert ist.