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Pferde fördern – der zweite Bildungsweg


Bild vergrößern Favory Toscana sollte ein Zirkuspferd werden, er brachte alles an Talent mit. Doch die Manege wurde nie seine Welt.

Favory Toscana sollte ein Zirkuspferd werden, er brachte alles an Talent mit. Doch die Manege wurde nie seine Welt. (© Maresa Mader)

Wie erkennt man, was der richtige Weg für das eigene Pferd ist und wann ist der Zeitpunkt gekommen, dem Tier zu liebe einen anderen einzuschlagen?

Was wird wohl aus dir? Eine Frage, die sich sicherlich viele Pferdezüchter und -besitzer stellen – aber längst nicht alle. „Pferdewohl im Sport bedeutet auch zu erkennen, wann ein Pferd ein Sportpferd werden möchte und wann es vielleicht etwas anderes ganz toll kann“, sagte Vielseitigkeitsreiterin Anna Siemer einmal in einem #doitride-Talk.

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„Wir hatten dieses Jahr ein Pferd, das leider kein Vielseitigkeitspferd werden wollte, aber in seinem jetzigen Leben unter anderem wunderbar für Fanfarenumzüge geeignet ist. Während mein bestes Vielseitigkeitspferd Avondale jeden Fanfarenzug nach drei Sekunden sprengen würde und ich sagen müsste: Nein, das ist nicht ihre Lieblingsrolle.“ Für sie als Ausbilderin sei es essenziell, zu erkennen, ob und wie sie ein Pferd in die richtige Richtung fördert.

Vom Zweifeln und Hadern

Doch oftmals verläuft der Lebensweg, den ein Pferd einschlagen soll, anders. Gezeichnet vom Menschen, gespickt mit hohen Erwartungen, die darauf beruhen, welche Abstammung oder welches Bewegungspotenzial das Pferd mitbringt. Doch dann folgt der lange, lange Weg der Ausbildung und Entwicklung. Und manchmal auch die Ernüchterung – beim Menschen. Weil das Pferd nicht den hoch gesteckten Anforderungen genügt, weil es erkrankt, weil es sich widersetzlich zeigt.

Eva Steinbach arbeitet ihre Pferde viel vom Boden aus – ein wichtiger Teil der Ausbildung, um sie zu stärken und in ihrer Entwicklung zu beobachten.

Eva Steinbach arbeitet ihre Pferde viel vom Boden aus – ein wichtiger Teil der Ausbildung, um sie zu stärken und in ihrer Entwicklung zu beobachten. (© Maresa Mader)

Die Freude geht verloren, beim Menschen und beim Pferd. Es ist der Beginn einer Zeit des Zweifelns und des Haderns. Dieses Gefühl kennt auch Eva Steinbach. Sie ist Pferdewirtschaftsmeisterin in der Nähe von Karlsruhe, hat sich unter anderem bei Martin Plewa, Richard Hinrichs und Anja Beran aus- und weiterbilden lassen. Sie erzählt von der Stute Likoni, die einmal als teures Kaderpferd für eine Nachwuchsreiterin gekauft worden war – wunderschön und mit überragenden Bewegungen soll sie ausgestattet gewesen sein. „Das war ein sehr talentiertes Dressurpferd.“

„Es fing dann aber immer öfter an, sich zu widersetzen. Bis es zu uns kam, war es so oft gestiegen und hatte auch Menschen unter sich begraben, dass seine Karriere am Ende schien“, erzählt Eva Steinbach. Über ihre Osteopathin landete die Stute in Steinbachs Obhut. Schon zuvor hatte man festgestellt, dass das Pferd einen vereiterten Zahn und ein Problem an den Eierstöcken hatte. „Das heißt – mal wieder –, das Pferd hat sich nicht widersetzt, weil es widersetzlich war, sondern weil es Schmerzen hatte“, sagt die Ausbilderin.

Höhen und Tiefen

Die gesundheitlichen Probleme wurden beseitigt, doch das Steigen blieb. „Das hatte sich manifestiert und trat immer dann auf, wenn das Pferd in stabiler Anlehnung gehen sollte“, erinnert sich Eva Steinbach. Zu lange war Likoni offensichtlich trotz der Schmerzen weiter geritten worden. Steinbach fand einen Weg, die Stute zu Hause in Anlehnung reiten zu können, und nahm sie schließlich mit aufs Turnier. „Aber auf dem Abreiteplatz ist sie dann wieder völlig eskaliert“, erzählt sie. „Man konnte sie super am losen Zügel reiten und auch mal kurz aufnehmen, aber nie minutenlang in einer normalen Anlehnung reiten.“ Es folgten zwei, drei weitere Versuche – und Stürze.

Die Besitzer beschlossen schließlich, die Stute an einen ihnen bekannten Springreiter, der bis zur schweren Klasse ritt, zu geben. Und anfangs stieg Likoni auch bei ihm, doch nach kürzester Zeit wurde die Stute sein erfolgreichstes Pferd im Stall. „Er ritt sie so grandios und eben immer mit loser Verbindung. Das wurde am Ende eine Erfolgsstory, aber auch die krasseste, die ich je erlebt habe.“ „Ich hätte das nie für möglich gehalten“, sagt die Ausbilderin heute. „Ich habe selbst gezweifelt. Nicht an ihr, sondern an mir.“ Ein bisschen half ihr der Abstand zur eigenen Disziplin. „Aber natürlich tut es weh, wenn ein Pferd, an dem man hängt, geht.“

Von Pferden, die durchs Raster fallen

Manchmal nehmen die Lebenswege andere Wendungen als erwartet – und nicht immer muss es in jener Eskalation enden, wie Eva Steinbach sie aufgrund der Vorgeschichte des Pferdes leidvoll erfahren musste. Die renommierte Ausbilderin Anja Beran kann eine solche erzählen. Seit über 30 Jahren bildet sie unter anderem auch Pferde für den Zirkus Krone aus. Das Konzept: Acht Jahre lang bleiben die Pferde bei Beran auf Gut Rosenhof, ehe sie in den Zirkus wechseln. „Dort brauchen sie in der Regel noch etwa ein Jahr, bis sie ihre ersten Vorstellungen in der Manege gehen“, erklärt Anja Beran.

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Der Lipizzaner Favory Toscana sollte genau diesen Weg gehen. „Er war der Beste.“ Er habe alles sehr gut gelernt, „hatte ein großes Repertoire“. Favory Toscana wurde nie ein Zirkuspferd. Denn auch nach sorgsamer Vorbereitungszeit kam er in der Manege nicht zurecht. Er sprang weg, zuckte und scheute bei jeder Bewegung aus dem Publikum. „Sie haben es noch mit einem ruhigen, alten Pferd im Pas de deux versucht, dann mit einer Sängerin, die neben ihm geht.“ Aber auch nach zwei Jahren konnte sich der kräftige Lipizzaner mit der Situation nicht anfreunden. Beim Zirkus Krone fiel die Entscheidung: Favory Toscana wird kein Zirkuspferd, und verkauft wird er auch nicht – zu groß war die Sorge, dass man ihn mit Beruhigungsmitteln als Showpferd gefügig machen könnte.

Das Ego zurückstellen

Das Pferd kam zurück zu seiner Ausbilderin Anja Beran. „Er ist inzwischen 21 und geht hier wunderbar.“ Ab und zu nimmt sie ihn auch mit auf eine Veranstaltung, wo eine hohe Bande ist, keine Lichteffekte und die Zuschauer nicht so nah dran sind. Die Geschichte steht exemplarisch für Berans Blick auf Ausbildung: Nicht jedes Pferd ist für alles gemacht. „Aber deswegen ist es kein schlechteres Pferd.“ Nicht das Pferd müsse sich dem System anpassen – sondern das System dem Pferd. Gerade im Sport sei das oft umgekehrt, findet Beran. Dort gehe es um Zeitfenster, die nächste Ausbildungsstufe, Leistung. „Aber dann entscheide ich mich irgendwann gegen das Pferd – oder gegen mein Ziel.“

Berans Fokus liegt auf dem, was im Pferd möglich ist. Auch bei jenen, die nicht ins Raster passen: Passgänger, Pferde mit schwierigem Exterieur oder mit Lahmheiten ohne Befund. „Je mehr ich von diesen ‚komischen Pferden‘ bekomme, desto mehr lerne ich.“ Die Lektionen sieht Beran dabei nicht als Prüfstein, sondern als gymnastizierende Werkzeuge – unabhängig vom Einsatz im Sport. „Eine Piaffe kann jedes Pferd lernen. Sie kräftigt, macht beweglicher. Und wenn sie gut gemacht ist, macht sie beiden Spaß.“ Gerade bei talentierten, sensiblen Pferden sei die Versuchung groß, zu schnell zu viel zu wollen. „Aber alles, was ich entfache, muss ich auch wieder löschen können.“ Das hat mit Selbstkontrolle zu tun. Mit Wachsamkeit. Mit der Bereitschaft, das eigene Ego zurückzunehmen. „Reiten sollte dazu führen, dass wir empathischer werden“, sagt Beran. Nicht schneller, nicht lauter – sondern klarer im Blick auf das, was das Pferd braucht.

Der gemeinsame Weg muss Freude machen, findet UtaGräf. Und wenn es an einer Stelle hakt, ist die Frage: Passt das Ziel zum Pferd?

Der gemeinsame Weg muss Freude machen, findet UtaGräf. Und wenn es an einer Stelle hakt, ist die Frage: Passt das Ziel zum Pferd? (© Maresa Mader)

Fokus auf das Pferd

Eine, die seit vielen Jahren fest im Sport verwurzelt ist, ist Uta Gräf. Ihre Sternstunde erlebte sie mit Le Noir, dem springgezogenen Holsteiner, mit dem sie im großen Dressursport für Aufsehen sorgte. Der Rappe ist mittlerweile 25 und bei bester Gesundheit. Erst vor Kurzem postete die Rheinland-Pfälzerin ein Video, wie ihr Lebensgefährte Stefan Schneider Le Noir am langen Zügel piaffieren lässt und dann mit ihm ins Gelände marschiert. Gräf gibt regelmäßig Lehrgänge. Viele verschiedene Reiter-Pferde-Paare erlebt sie da. Mit Zielen, Wünschen – und oft einer klaren Vorstellung davon, was als Nächstes auf dem gemeinsamen Weg von Mensch und Pferd passieren soll.

Doch nicht immer passen diese Ziele zu dem, was das Pferd zeigen kann. „Dann frage ich schon mal vorsichtig, was dem Reiter wichtiger ist“, sagt sie. Der Turnierstart? Oder das Pferd? Ihr ist wichtig, dass sich eine Verbindung ergibt, zusammen etwas entwickeln zu können. Und trotzdem, sagt sie, passiert es, dass jemand ein Ziel hat, das mit dem Pferd, das er reitet, schwer erreichbar ist. „Und jemand, der nur ein Pferd hat, legt natürlich seine Wün-sche und Hoffnungen auf dieses eine Pferd.“ Aber oder gerade dann gehe es darum, ehrlich zu sich selbst zu sein. Will ich dieses Pferd – auch wenn es mein Ziel gerade nicht erfüllt? Oder suche ich mir ein anderes Pferd? Beides sei in Ordnung. Was nicht funktioniere: am Ziel festhalten, obwohl das Pferd darunter leidet.

Freude am gemeinsamen Weg

„Ich hatte mal ein Pferd im Stall, das sollte eigentlich später S gehen. Ein tolles Pferd, tolle Bewegungen, aber Probleme mit der Aufrichtung. Am Ende haben wir es verkauft – und mit der neuen Besitzerin hat es zig M-Dressuren gewonnen. Hätten wir an unseren Plänen festgehalten, hätten wir es wahrscheinlich kaputtgeritten.“ Gräf beobachtet oft, dass sich Menschen unter Druck setzen, weil ihr Pferd so „gut“ ist. Oder weil andere in der Altersklasse schon weiter sind. „Dabei gibt es so viele gute Pferde, die einfach ein bisschen mehr Zeit brauchen. Wenn man sich von diesen Vergleichen frei machen könnte, wäre viel gewonnen.“

Was ihr hilft und sie anderen rät? Der Perspektivwechsel. Zurückschauen. Nicht: Was schaffen andere? Sondern: Was haben wir geschafft – seit letztem Jahr, letztem Monat? „Der Weg muss Freude machen“, sagt Gräf. Und wenn ein Pferd eine Macke hat, die einem nichts ausmacht – dann sei es doch genau richtig. „Aber wenn man sich jeden Tag ärgert, wird’s schwer.“ Sie kennt auch das Gegenteil: Pferde, die „ideal“ erscheinen, aber einem im Alltag weniger dieses gute Gefühl geben. Und dann gibt es ja noch Wachstumsphasen, in denen Pferde plötzlich sicher Gelerntes nicht mehr abrufen können, sie plötzlich klemmen, verunsichert sind.

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„Man denkt, man hat was falsch gemacht – dabei ist es oft einfach eine Phase. Natürlich muss man sich hinterfragen, aber man muss nicht gleich bei jedem Rückschritt fünf Programmwechsel oder drei Reitlehrerwechsel vornehmen.“ Lieber zurücknehmen, sortieren, abwarten. Rückschritte gehören dazu. „Manchmal ist es nur ein kleiner Nebel, der sich legt.“ Und manchmal braucht es doch eine Entscheidung.

Uta Gräf hatte eine Schülerin, deren Pferd wenig Qualität zeigte. Die Leute rieten ihr zum Verkauf. Aber sie sagte: „Ich will den behalten.“ Da war die Sache klar. „Wenn du das entscheidest, dann steh dazu – und hör auf, dich verrückt zu machen.“ Denn was zählt, ist nicht, was andere sagen. Sondern wie sich der gemeinsame Weg anfühlt. Ganz gleich, ob auf dem ersten oder einem zweiten Bildungsweg.

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