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Wie Sattelpauschen Sitz und Pferdegesundheit beeinflussen


Bild vergrößern Reiterin mit Sattelpauschen

Sattelpauschen beeinflussen die Sitzposition und wirken direkt auf die Bewegungsfreiheit des Pferderückens. (© Ludwiga von Korff)

Psychologische Hilfestellung oder Sitzorthese – Sattelpauschen können beides sein. Je nach Ausprägung. Wie moderne Sattelkonstruktionen den Reitersitz beeinflussen, was das für die Pferde bedeutet und warum diese Mode keine sein sollte.

Sattelpauschen sind aus der modernen Reitkultur kaum wegzudenken. Sie versprechen Sicherheit, Stabilität und eine unterstützende Beinlage. Doch was als Hilfsmittel gedacht war, ist in vielen Fällen zur Krücke geworden. Zum Ersatz für verlorengegangene Sitzdisziplin, mangelnde Ausbildung und anatomisch fragwürdige Sattelkonstruktionen. Wie viel Einfluss haben Pauschen wirklich auf Balance, Losgelassenheit und langfristige Gesundheit? Wir haben drei Experten gefragt.

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Das sagt der Trainer und Ausbilder

Pauschen

Diese Pauschen zählen gewiss noch zu den moderaten Ausführungen. (© Ludwiga von Korff)

Für den Grand-Prix-Ausbilder Hubertus Graf Zedtwitz ist klar: Sattelpauschen behindern in vielen Fällen mehr, als dass sie helfen. „Sattelpauschen verhindern zu 90 Prozent Selbsthaltung“, konstatiert er gleich zu Beginn. Damit meint er nicht nur von der feinen Einwirkung, sondern von einem gesamten pädagogischen Prinzip: Wer am Oberschenkel fixiert wird, verliert die Fähigkeit zur eigenaktiven Stabilisierung aus der Körpermitte.

Besonders betroffen seien Kinder und Erwachsene mit wenig sportlicher Grundlage. „Wenn ich Kinder mit dicken Pauschen auf Ponys setze, kann sich der Körper gar nicht aktivieren. Die Core-Muskulatur bleibt passiv, der Sitz wird zu einer Schonhaltung – nicht zu einem aktiven Kommunikationsmittel“, sagt Zedtwitz.

Sattelpauschen stören die Dynamik beim Reiten

Zedtwitz zeichnet ein klares Bild der biomechanischen Kette: „Der Reiter sitzt zu weit hinten, verliert Kontakt über das Bein, lehnt sich an die Pausche, das Pferd verliert den Rücken, die Parade versackt, Losgelassenheit ist nicht möglich. Wir haben eine Generation Reiter, bei der sich ein Pferd am Sitz gar nicht abstoßen kann.“

Diese gestörte Dynamik betreffe nicht nur Kinder, sondern auch und besonders Erwachseneinsteiger: „Die haben gar nicht mehr die Gewebsfestigkeit, um sich ohne Hilfe aufrichten zu können. Und dann klemmt der Oberschenkel, weil er gegen die Pausche drückt.“

Statt Sattelpauschen: Konsequente Sitzschulung

Zedtwitz kritisiert zudem eine Entwicklung der Industrie: „Der Fehler war, dass Sattelfirmen irgendwann den Reiter gefragt haben, was er möchte. Das führte zur ‚Schonhaltung im Design‘ – bequem, aber funktionell fatal.“ Als Beispiel nennt er ein Sattelmodell, mit dem Olympiasiegerin Nicole Uphoff später ritt. „Was für ein Naturtalent wie Nicole Uphoff funktioniert, ist für 95 Prozent der Reiterkörper eine biomechanische Katastrophe.“

Sein Ansatz: konsequente Sitzschulung auf pauschenfreien Sätteln – und das ohne Kompromisse. Und noch etwas ist ihm wichtig: dass Reiter ein Bewusstsein für die Zusammenhänge entwickeln. „Die Core-Muskulatur des Reiters steht in direkter Verbindung zur Core-Muskulatur des Pferdes. Wenn da oben nichts aktiviert wird, kann unten nichts durchschwingen.“

Das sagt die Physio- und Osteotherapeutin

Sattelpauschen

Auch diese Sattelpauschen wirken sich bereits bereits auf den Reitersitz aus. (© Ludwiga von Korff)

Beatrix Schulte Wien ist Physio- und Osteotherapeutin für Reiter und Pferde und analysiert das Problem anatomisch: „Der Reiter muss über dem 15. Brustwirbel sitzen, sonst stimmt die Schwerkraftlinie nicht.“ Diese Linie verläuft senkrecht von der zwölften Rippe nach oben – trifft also genau das biomechanische Zentrum des Pferderückens. Moderne Kunststoffsättel setzen den Reiter jedoch zu weit nach hinten.

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Die Folge: Ein Stuhlsitz, der die gesamte Hilfenlogik stört. „Wenn das Becken fixiert ist, kann der Oberkörper nicht mehr mitschwingen. Die Hand wird unruhig, der Schenkel rutscht nach vorne, die Kommunikation zerfällt.“

Sattelpauschen haben schwerwiegende Folgen für Pferde

Noch schwerwiegender sind die Folgen für das Pferd: „Die Bewegung vom Hinterbein über das Becken, das Kreuzbein, die Lenden- und die Brustwirbelsäule ins Genick wird unterbrochen. Statt eines durchgehenden Energieflusses haben wir eine Bruchstelle – meistens am Widerrist.“

Diese Unterbrechung führt zu Blockaden, Verspannungen, einseitigen Muskelketten, Fehlhaltungen. „Die Pferde verlagern ihr Gewicht diagonal, zum Beispiel von einem blockierten rechten Hinterbein auf das linke Vorderbein. Irgendwann macht dann die Sehne nicht mehr mit.“

Folge mangelnder Anatomiekenntnisse

Auch hier ist die Pausche nicht die Ursache, sondern das Symptom: „Sie ist nur deshalb notwendig, weil der Sattel den Reiter falsch platziert. Richtig konstruierte Holz-Stahlfederbäume setzen den Sitzpunkt korrekt – dann braucht es keine Fixierung mehr.“

Ihre Kritik richtet sich aber auch an die Ausbildung: „Viele Reitlehrer wissen heute gar nicht mehr, wie die Wirbelsäule aufgebaut ist. Wenn da das anatomische Verständnis fehlt, wie soll dann der Sattel korrekt bewertet werden?“

Gesundheitliche Folgen für Pferd und Reiter

Reiter mit Pauschen

Hier gibt es keinen Bewegungsspielraum mehr. Und das hat Konsequenzen für alle reiterlichen Hilfen und in Folge für die Bewegung und Gesundheit des Pferdes. (© Ludwiga von Korff)

Folgen für das Pferd:

  1. Rückenschmerzen und Verspannungen
    Durch das Klemmen des Reiterknies in der Pausche wird der Hinterzwiesel nach hinten unten gedrückt. Das führt zu erhöhtem Druck in der hinteren Sattellage und damit zu Rückenschmerzen und Muskelverspannungen.
  2. Eingeschränkte Losgelassenheit
    Ein Reiter, der sich in die Pausche festklemmt, kann dem Pferderücken nicht mehr geschmeidig folgen. Die Bewegung des Pferdes wird blockiert, was zu Spannung und verminderter Durchlässigkeit führt.

  3. Langfristige orthopädische Schäden
    Dauerhafte Verspannungen und Blockaden können in Lahmheiten, Sehnenschäden oder Problemen im Sakral- und Lendenbereich münden. Der Druck auf falsche Körperbereiche führt zu Fehlbelastungen, die degenerative Prozesse fördern.

Folgen für den Reiter:

  1. Hüftprobleme
    Das Becken wird fixiert und oft in eine unnatürliche Position gebracht. Das kann zu Schmerzen im Hüftgelenk führen.

  2. Belastung der Wirbelsäule
    Das Becken kippt nach hinten. Das führt dauerhaft zu einer Fehlstellung der Lendenwirbelsäule. Rückenbeschwerden oder Bandscheibenproblemen sind mögliche Folgen.

  3. Verlust feiner Hilfen
    Fixiertes Knie gleich blockierter Oberschenkel gleich unbewegliches Becken. Dadurch sind feine Gewichtshilfen kaum möglich.

Das sagt der Sattelspezialist zu Sattelpauschen

Sönke Rothenberger

Sönke Rothenberger setzt auf kleine Pauschen – bei seiner Größe würden große Pauschen eine starke Hebelwirkung erzeugen. (© Ludwiga von Korff)

Peter Menet aus der Schweiz hat in seinem Leben schon viele Sattelmodelle entwickelt und an Sattelmessungen mitgearbeitet. Er denkt in physikalischen Größen. Für ihn ist Balance ein Zustand der Schwerkraft: „Balance ist, wenn der Reiter seinen Schwerpunkt senkrecht auf die Fläche, auf der er sitzt, projiziert.“

Diese Idee – inspiriert von Wilhelm Müseler – ist für Menet der Ausgangspunkt aller Sattelkonstruktionen. „Wenn ich keine Balance habe, muss ich mich stabilisieren. Dann brauche ich Pauschen. Aber das ist keine Lösung, sondern eine Notlösung.“ Moderne Pferde mit viel Blut, langen Beinen und zur Kruppe hin ansteigender Rückenlinie verleiteten die Reiter, ihren Schwerpunkt via Sattelkonstruktion Richtung Rückenmitte des Pferdes zu verlagern.

Reiterposition durch Sattelpauschen erzwungen

Der tiefste Punkt liegt weiter hinten. Der Pferderücken wird dort punktuell fixiert. Dehnung und Schulterfreiheit werden stark eingeschränkt und die Reiterposition mechanisch durch die Pauschen erzwungen.
– Peter Menet –

Und das hat Folgen. „Für die heutigen Pferde, die so viel Qualität haben, aber keine Stabilität, müssten die Reiter äußerst fit und diszipliniert sein, um diese Pferde korrekt zu reiten. Und sie müssten mehr Zeit haben. Das sind drei Faktoren. Was passiert: Die Reiter kürzen ab. Es war immer schon einfacher, den Oberkörper hüftaufwärts gegen die Bewegung einzusetzen, als in die Bewegung des Pferdes einzugehen.“

Niemals als mechanische Rückenfixierung

Die Auswirkungen sind sichtbar: „Verzögerte Hinterbeinbewegung, Schwebetritte ohne Abdruck, Viertaktgalopp. Das Pferd wird nicht durchgeritten, sondern zwischen zwei Gegensätzen eingespannt: Tiefer Rücken mittig fixiert mit künstlich hohem Genick.“

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Dabei betont er: „Ich bin nicht gegen Pauschen. Aber sie dürfen niemals zur mechanischen Rückenfixierung dienen. Ihre Funktion ist psychologisch, nicht biomechanisch.“ Menet empfiehlt die Umkehr der Logik: „Erst den Reiter setzen, dann die Pausche anpassen. Nicht andersrum.“

Keine Sattelpauschen im Springsport

Ein interessanter Aspekt seiner Analyse ist der Vergleich mit dem Springsport: „Springen verzeiht keine Balancefehler. Deshalb haben sich große Pauschen als Hilfsmittel dort nicht durchgesetzt. Im Dressursport geht mehr ‚Schönreiten‘ – aber das Pferd zahlt die Rechnung.“ Langfristig sieht er die Gefahr eines strukturellen Verschleißes: Passive Energie – aus Faszien, Sehnen und Knochen – wird schneller aufgebraucht. Wenn man nur noch mit dieser arbeitet, degeneriert das Pferd in viel kürzerer Zeit.“

Was hilft? Aus seiner Sicht ein Umdenken und gute Vorbilder: „Zum Beispiel Michael Jung oder Sandra Auffarth – die sitzen klassisch, funktional, effektiv. Nicht aus Ideologie, sondern weil es für sie in den verschiedenen Disziplinen am besten funktioniert.“

Und nun?

Alle drei Experten sind sich einig: Die Pausche ist nicht per se schlecht – sie wird dann problematisch, wenn sie ein fehlerhaftes System stabilisieren muss. Wer die Balance in der Mittelpositur verliert, kann keine Losgelassenheit erzeugen. Und kein Pferd gymnastizieren. Vielleicht braucht es wieder mehr Mut zur Reduktion. Weniger Fixierung, mehr Bewegung. Mehr Ausbildung, weniger Ausstattung.

Oder, wie Peter Menet sagt: „Mehr Disziplin – denn fit sind die meisten Reiter.“ Und noch etwas: Der Sattel-Experte ist trotz allem zuversichtlich. „Der Trend der großen Pauschen geht langsam zurück.“ Das wäre ein Schritt in die richtige Richtung – für die Gesundheit des Pferdes. Beim Blick in die Turnierlandschaft und auf das große internationale Viereck zeigt sich jedoch, es ist noch ein weiter Weg vom Reiter im Stuhlsitz hin zu dem, der ausbalanciert im Lot sitzt.

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