Sie haben schon alles versucht, aber Ihr Pferd hustet und rotzt immer noch? Dann haben Sie vielleicht das Richtige gemacht, aber nicht zum richtigen Zeitpunkt. Denn das falsche Timing ist einer der häufigsten Fehler bei der Behandlung von Atemwegserkrankungen.
Sie hatten schon x mal den Tierarzt da, Ihr Pferd hat Schleimlöser, Bronchienerweiterer, Antibiotika oder Cortison bekommen. Sie haben Zusatzfuttermittel, Pülverchen und Tees ausprobiert. Vielleicht ist der Husten ja auch schon mal besser geworden, aber er kommt immer wieder. Genau hier zeigt sich: Equines Asthma behandeln ist fehleranfällig – die im Folgenden aufgeführten Fehler treten besonders häufig auf.
Fehler 1: Zu lange warten
„Das größte Problem bei der Erkennung von Equinem Asthma ist der oft wellenförmige Verlauf, der das Bild verschleiert“, erklärt Dr. Sandra Löckener, die schon über 300 Pferde mit chronischen Atemwegsproblemen betreut hat. Immer wieder denkt man, der vermeintliche Infekt sei nun vorbei. Oft erkennen Pferdebesitzer erst im Rückblick, wie lange ihr Tier schon mit der Problematik zu tun hatte.
„Ich persönlich werde bei Atemwegsproblemen nach etwa drei Wochen skeptisch, ob die normalen Maßnahmen ausreichen“, sagt sie. „Nach allerspätestens sechs Wochen sollten dann alle Alarmglocken schrillen.“ Das typische Alter für den Beginn von Equinem Asthma ist sechs bis acht Jahre. In der Regel treten erst leichte Symptome auf, die kommen und gehen.
Equines Asthma frühzeitig behandeln erhöht die Heilungschancen
Ganz wichtig ist: „Wenn man den Beginn dieses Geschehens rechtzeitig erwischt und Maßnahmen für das Immunsystem einleitet, kann man es komplett abwenden oder zumindest stark abmildern.“ Denn zu diesem Zeitpunkt handelt es sich meist noch um eine milde Form der Erkrankung, die heilbar ist.
Das Problem ist, dass die meisten Pferdebesitzer erst aktiv werden, wenn die Beschwerden bereits seit mehreren Wochen anhalten. Deshalb ist Dr. Löckeners wichtigster Rat: „Lassen Sie jeden Atemwegsinfekt schnell und umfassend von einem Tierarzt diagnostizieren. Je früher Atemwegssymptome behandelt werden, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit einer Genesung ohne irreversible gesundheitliche Folgeschäden.“
Fehler 2: Die Ursache ignorieren
Staub, Staub, Staub: Durch die klimatischen Veränderungen gibt es immer mehr Pferde mit Atemwegserkrankungen. (© Imago Images (1), Privat (1))
„Das A und O für die Atemwege ist eine staubfreie Umgebung“, sagt Dr. Sandra Löckener. „Das klingt zunächst banal, ist aber unglaublich wichtig, denn Staub reizt die Atemwege und kann langfristig zu Entzündungen führen.“ Ihre Tipps: „Verwenden Sie staubfreies Heu, indem Sie es zum Beispiel bedampfen. Achten Sie auch auf staubarme Einstreu wie Holzpellets oder Miscanthuspellets. Und vermeiden Sie lange Aufenthalte in schlecht belüfteten Ställen.“
Eine Haltungsform mit möglichst viel Frischluft ist natürlich generell gut, aber auch staubige Offenställe können problematisch sein. Obwohl eine staub- und allergenarme Haltung der bedeutendste Faktor für eine erfolgreiche Therapie ist, hat Dr. Sandra Löckener die Erfahrung gemacht, dass viele Pferdebesitzer genau diesen Schritt vor sich herschieben und lieber Medikamente geben.
Haltung allein reicht nicht aus: Equines Asthma behandeln
Die medikamentöse Behandlung belastet dabei nicht nur den Organismus des Pferdes, sondern auch den Geldbeutel. Vor allem greifen die Medikamente irgendwann nicht mehr, die Zellen sprechen einfach nicht mehr darauf an. „Deshalb sollten Medikamente immer nur kurzfristig eingesetzt werden, um Schübe in den Griff zu bekommen“, rät unsere Expertin.
In Sachen Haltung gibt es ein grundsätzliches Missverständnis, das Dr. Sandra Löckener oft begegnet: Eine gesunde Haltung ist keine gezielte Therapie! „Eine staubfreie Haltung ist einer der wichtigsten Bausteine bei der Behandlung“, sagt Dr. Löckener. „Aber wenn das Pferd dann immer noch krank ist, braucht es darüber hinaus gezielte therapeutische Maßnahmen.“
Fehler 3: Nach Schema F behandeln
Gleich vorweg: Es gibt keine Standardlösung bei der Therapie von Atemwegserkrankungen.
Das Wichtigste ist, das Pferd ganzheitlich zu betrachten und herauszufinden, was es individuell in genau diesem Moment braucht. – Dr. Sandra Löckener –
Alle Maßnahmen müssen auf die aktuelle gesundheitliche Situation und die Lebensbedingungen abgestimmt sein. „Dabei muss man immer genau hinterfragen: In welcher Phase stehen wir gerade?“ Die erste Phase ist die Symptomfreiheit, die durch die Optimierung der Umgebung, durch richtige Fütterung und Bewegung als allererstes hergestellt werden muss. Wichtig ist, sich ein ganzheitliches Bild zu verschaffen und dabei alle möglichen gesundheitlichen Störfaktoren zu berücksichtigen.
Dann kommt die Regeneration. „Dabei geht es darum, wo der Organismus Unterstützung bei der Selbstheilung braucht, zum Beispiel durch Atem- oder Ernährungstherapie“, so die Expertin, die seit über zehn Jahren einen eigenen Reha-Stall betreibt. Die dritte Phase ist schließlich der Aufbau, bei dem das Immunsystem nachhaltig ausbalanciert wird.
Fehler 4: Das falsche Timing
Nur wenn man genau weiß, in welcher Phase sich das Pferd gerade befindet, kann man auch die richtigen Maßnahmen anwenden. Dr. Löckener hat schon oft die Erfahrung gemacht, dass zwar grundsätzlich sinnvolle Maßnahmen angewendet werden, die schon vielen Pferden geholfen haben, aber eben zum falschen Zeitpunkt. Dadurch können sie wirkungslos sein oder den Zustand sogar noch verschlimmern.
Ein Beispiel: „Wenn das Pferd inhaliert wird, die Bronchien aber noch verkrampft sind, kann der Schleim gar nicht richtig abtransportiert werden“, erklärt Dr. Löckener.
Deshalb rät die Expertin dringend dazu, Atemwegserkrankungen immer in Zusammenhang mit einer gründlichen tierärztlichen Diagnostik und einem Therapeuten zu behandeln, der sich mit Atemwegserkrankungen richtig gut auskennt, und nicht in Eigenregie herumzuprobieren.
Denn das falsche Timing ist einer der häufigsten Fehler bei der Behandlung von Atemwegserkrankungen.
Fehler 5: Unpassende Bewegung
Boxenhaltung ja, aber nur in Maßen: Frische Luft und Bewegung im Freien sind für gesunde Atemwege das Wichtigste. (© Slawik)
Bewegung ist ein extrem wichtiger Faktor bei der Therapie, denn sie unterstützt die Selbstreinigung der Lunge und ist ausschlaggebend dafür, wie gut diese wieder in Funktion kommt. „Bewegung ist aber auch ein sehr sensibler Parameter“, weiß Dr. Löckener. Denn ein unpassender Trainingsaufbau kann die Heilung sogar behindern.
„Zu viel Druck auf die Bronchien kann kontraproduktiv sein“, warnt die erfahrene Reha Expertin. „Dieser entsteht zum Beispiel, wenn Pferde beim Luftholen zu viel pressen müssen. Starten Sie deshalb mit entspanntem Schritt und steigern Sie die Belastung langsam“, empfiehlt Dr. Sandra Löckener. Bei zu schnellen Steigerungen, wie zum Beispiel vom gemütlichen Schritt in den schnellen Galopp, kann nämlich Druck auf die Bronchien entstehen, den man selbst aber gar nicht bemerkt.
Equines Asthma behandeln gelingt nur mit richtigem Training
„Steigert man die Belastung hingegen langsam, merkt man in der Regel, ab wann das Pferd beim Atmen mehr pressen muss, und kann wieder runterfahren“, berichtet Dr. Sandra Löckener. Das gilt vor allem bei kühlem Wetter. Ein weiterer Tipp: „Wärmen Sie Ihr Pferd vor dem Training gut auf, denn dadurch wird auch die Muskulatur rund um die Atemwege warm und weich, und das Pferd kann nun geschmeidiger atmen.“
Wichtig für eine erfolgreiche Therapie ist auch die Art des Trainings. „Es geht dabei nicht um allgemeine Bewegung, sondern um konkrete Übungen, die auf die aktuelle gesundheitliche Verfassung des Pferdes abgestimmt sind. Nur so ist eine Regeneration möglich, ohne den Organismus zu belasten.“ Diese Übungen müssen im Verlauf der Genesung natürlich immer wieder durch eine kompetente Therapeutin angepasst werden.
Symptomfreies Pferdeleben möglich
Zum Schluss hat Dr. Sandra Löckener noch eine gute Nachricht. „Pferde mit Equinem Asthma können symptomfrei und glücklich alt werden. Ich habe schon viele Pferde mit schweren Formen gesehen, bei denen ich erst dachte: Oh je, ob wir den je wieder hinbekommen? Aber viele dieser Patienten waren nach erfolgreicher Therapie wieder beschwerdefrei und leistungsfähig.“
Deshalb ist ihr Credo: „Wenn Ihr Pferd die Diagnose Equines Asthma bekommt, lohnt es sich, wenn Sie sich zusammen mit einem spezialisierten Tierarzt oder Therapeuten ungefähr ein halbes Jahr lang richtig reinhängen und alle Maßnahmen ergreifen, die hilfreich sein können. Dann hat Ihr Pferd wirklich gute Chancen, beschwerdefrei zu werden und es auch zu bleiben.“