In Dressurprüfungen wird nicht nur Lektion für Lektion abgefragt, sondern auch, wie harmonisch Pferd und Reiter zusammenarbeiten. Besonders die Momente, in denen Losgelassenheit und Anlehnung überprüft werden, haben große Aussagekraft über die Qualität der Ausbildung.
In einer Dressurprüfung wird erwartet, dass das Pferd seine Halsung jederzeit dem verlangten Gangmaß anpasst: Die dabei geforderte Dehnungshaltung zeigt sich in der Fähigkeit, den Rahmen in allen Verstärkungen zu erweitern und den Genickwinkel entsprechend zu öffnen bzw. den Hals in der Versammlung zu verkürzen und aufzurichten. Wir müssen dabei zwischen den Begriffen Rahmenerweiterung und Dehnung unterscheiden:
- Die Rahmenerweiterung, bei der das Genick der höchste Punkt bleibt, findet in Trab– und Galoppverstärkungen statt. Hier erweitert das Pferd durch aktives und weites Überfußen der Hinterbeine seinen Rahmen von hinten nach vorne. Das führt zu einer leichten Verlängerung des Halses und dem Öffnen des Genickwinkels. Der Bewegungsablauf kommt dadurch erkennbar ins Bergauf.
- Dehnung dagegen wird besonders beim starken Schritt sowie beim Zügel-aus-der-Hand-kauen-lassen verlangt. Dabei soll das Pferd schon aus dem Widerrist heraus die Oberlinie loslassen. Es soll zu einer deutlichen Streckung des Halses finden. Bei der soll sich sein Maul auf Höhe der Schulterspitze, des Buggelenks, befinden und das Genick zwar locker, aber in seinem Winkel deutlicher geöffnet werden. Die Stirn-Nasenlinie bleibt dabei stets vor der Senkrechten.
Wie wird die Dehnungshaltung in der Dressurprüfung beendet?
Jede fehlerhafte Ausführung wie z. B. ein aufgerollter Hals oder alle Versuche, sich der korrekten Dehnung zu entziehen, sollte mit Punktabzügen durch die Richter bewertet werden, da es einen Mangel hinsichtlich Losgelassenheit und Anlehnung aufzeigt. Beendet wird die Dehnungshaltung durch eine weiche Rückführung zur verlangten Aufrichtung und Selbsthaltung.
Beim Mittelschritt, der nur eine leichte Dehnung erfordert, kommt es immer wieder zu Missverständnissen. Reiter versuchen, mit langem Hals und maximalem Übertritt zu punkten, was nicht den Kriterien dieses Schritttempos entspricht. Dementsprechend kann das ebenfalls zu einer Verminderung der Note führen.
Wichtig ist bei allen Verstärkungen, dass sich das Pferd vertrauensvoll an die Reiterhand heranstreckt und zu einer weichen, gleichmäßigen Anlehnung kommt. Während Rahmenerweiterung und Dehnung in den Grundgangarten eine Folge der vermehrt aktivierten Hinterhand des Pferdes sind, gibt es vorwiegend in den unteren Klassen zwei Lektionen, die zusätzlich zur allgemeinen Losgelassenheit die Selbsthaltung des Pferdes sowie die Balance seines Reiters überprüfen: Das Überstreichen und das Zügel-aus-der-Hand-kauen-lassen.
Überstreichen und Zügel-aus-der-Hand-kauen-lassen
Beim Überstreichen – nur mit dem inneren oder auch mit beiden Zügeln verlangt – geht der Reiter mit einer Hand/beiden Händen deutlich vor und gibt sichtbar die Anlehnung für zwei-drei Pferdelängen auf. Sichtbar, das heißt, der Zügel muss für einen Moment durchhängen! Das Pferd darf mit der Stirn-Nasenlinie dabei leicht vor die Senkrechte kommen, sollte aber sein Grundtempo sicher halten.
Es ist empfehlenswert, das Überstreichen durch leichtes Erheben der Hände zu ‚demonstrieren‘. Allerdings darf es nicht durch hohe Hände bei gleichzeitig strammer Anlehnung zu einer fehlerhaften Pseudo-Ausführung kommen, auf die der Richter reagieren sollte!
Während das Überstreichen nur einige Sekunden auf einer gebogenen oder diagonalen Linie gezeigt werden muss, dauert das Zügel-aus-der-Hand-kauen-lassen – meist auf einem halben Zirkel im Trab (Aussitzen oder Leichtraben) bzw. im Galopp gefordert – deutlich länger und fragt gleichzeitig mehrere Kriterien ab:
- Die echte Dehnungshaltung des Pferdes wie oben bereits beschrieben einschließlich der geschmeidigen Rückführung zur Selbsthaltung
- Die Eigenbalance des Pferdes, sicher Takt und Gleichmaß des Tempos zu erhalten
- Die Fähigkeit des Reiters, unabhängig von der Hand zu sitzen
Bedeutung der Dehnungshaltung in der Dressurprüfung
Die Lektion ist von großer Bedeutung, denn sie überprüft diese drei wichtigen Kriterien. Und sie gesteht gleichzeitig dem Pferd mitten in der Prüfung einen Moment aus der anfänglichen Lösephase zu. Beim Überstreichen dagegen muss der Reiter beweisen, dass er sein Pferd auch ohne Zügeleinsatz bereits sicher an seinen Hilfen halten kann. Das könnte ein Ansporn sein, diese aussagekräftige Lektion auch vermehrt in Prüfungen der höheren Klasse einzubringen.