Die 31-jährige Dressurreiterin Katharina Hemmer wurde nicht zum Star, weil sie einer erfolgreichen Reiterfamilie entstammt, sondern dank ihrer Disziplin und ihrer Leidenschaft für das Pferd. Talent, harte Arbeit, eine enge Verbindung mit ihren Tieren und den Menschen, die sie förderten, brachten sie zu ihrem heutigen Erfolg.
Vom ersten Moment an hin und weg. Dieses Gefühl kennen viele von uns, wenn wir an den frühen Kontakt zum Pferd denken: Es wird zu einer besonderen Möglichkeit, dem Alltag zu entfliehen und vollends bei uns und in der aktuellen Situation zu sein. An diese Faszination, die der Funke des mittlerweile für jeden sichtbar entflammten Feuers war, erinnert sich Dressurreiterin Katharina Hemmer noch sehr gut: „Diese sensiblen Wesen um mich zu haben hatte schon eine beflügelnde Wirkung auf mich, als ich noch ein Kind war“, sagt sie. „Ich kann es selbst heute nicht richtig in Worte fassen.“
Katharina Hemmer, geboren 1994, stammt aus Erwitte. Ihre Eltern ritten beide in ihrer Freizeit und legten Katharina das sprichwörtliche Pferdevirus in die Wiege. Natürlich saß sie dann auch schon früh auf dem Pferd und ihre Eltern unterstützten sie in ihrem Hobby. „Mit sieben bekam ich mein erstes eigenes Pony, und meine Mutter stellte sicher, dass ich schon früh guten Unterricht bekam.“
Wo alles begann: Arcada und Katharina Hemmer
Mit elf bekam Katharina die damals erst vierjährige Arcada – die Zeit mit der Westfalenstute sollte sich als echter Meilenstein in Katharinas Karriere erweisen. Weil sie zusammenwuchsen und den Ausbildungsweg erfolgreich gemeinsam gingen, etwas, das bei vielen anderen Reiter Pferd Konstellationen dieses Alters nicht immer von Erfolg gekrönt ist.
Aber Arcada und Katharina packten es. Gleich zu Beginn ihrer Zeit gab es die erste Platzierung. Katharina bildete Arcada selbst bis zur Klasse M aus und genau das ist so außergewöhnlich. Doch der Erfolg allein war längst nicht alles, was bis heute einen bleibenden Eindruck hinterlassen hat.
Der Charakter von Pferdemädchen wie Katharina Hemmer bietet Stoff für Wissenschaftler, die herausgefunden haben, dass Reiterinnen selbstbewusster und verantwortungsvoller sind als Nichtreiter. Der „Coach Pferd“ fördert laut einer Studie der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) aus dem Jahr 2012 Charaktereigenschaften wie Führungskraft und Durchsetzungsstärke, Zielstrebigkeit, Begeisterungsfähigkeit, Wettbewerbsorientiertheit, Belastbarkeit und Strukturiertheit.

Ursprünglich war es gar nicht Katharinas vorrangiges Ziel, das Reiten leistungssportlich auszuüben. (© Privat)
Entwicklung durch Pferde
Genau von dieser positiven Prägung ist auch Katharina Hemmer überzeugt: „Man übernimmt sehr früh Verantwortung und lernt, zuverlässig zu sein, weil sich ein Tier auf einen verlässt. Gleichzeitig wird man mit Frustration und Niederlagen konfrontiert, denn es läuft nicht immer alles so, wie man es sich vorstellt. Man kommt auch mal enttäuscht nach Hause und muss lernen, damit umzugehen und weiterzumachen.“
Ferner ist sie der Meinung, dass Reiter durch den Umgang und das Training mit Pferden viel Geduld, Ruhe und Ausgeglichenheit entwickeln:
Das sind Eigenschaften, die man im gesamten Leben gut brauchen kann. Ich glaube, jedes Kind und jeder Jugendliche kann davon nur profitieren, unabhängig davon, ob man später sportlich reitet oder nicht.
Ausbildung bei Hubertus Schmidt
Nach dem Abitur 2013 – direkt nach ihrer letzten Abiprüfung, um genau zu sein – begann Katharina Hemmer eine Ausbildung zur Pferdewirtin bei Hubertus Schmidt auf dem Fleyenhof in der Nähe von Paderborn. Damals war sie bereits in der Klasse S angekommen und wusste, dass sie das Reiten zum Beruf machen möchte. Der Ausbildungsplatz bei Reitmeister Hubertus Schmidt war eine Riesenchance. Aber da ahnte sie noch längst nicht, wohin ihre Reise noch gehen würde.
Schmidt erkannte ihr Potenzial und förderte sie bis zur Grand Prix Reife. Er war es auch, der eine entscheidende Rolle in ihrer weiteren sportlichen Entwicklung spielte, weil er ihr sein Spitzenpferd Denoix PCH überließ, als er sich aus gesundheitlichen Gründen als Reiter aus dem Sport verabschiedete. Und Katharina, die machte was aus den großen Fußstapfen. Sie zählt nicht erst seit den diesjährigen Europameisterschaften in Crozet zu den besten Dressurreiterinnen Deutschlands.
Erfolgreiche Partnerschaften – Royal Flash bis Denoix PCH
Nach ihrem ersten Pferd Arcada war es vor allem der Wallach Royal Flash, den Katharina Hemmer von einer Stallkollegin zur Verfügung gestellt bekam und der eine wichtige Rolle in ihrer Reitlaufbahn spielte. Mit ihm nahm sie 2011 an den Deutschen Juniorenmeisterschaften teil, sammelte viele Siege und wertvolle Erfahrungen. Ein weiterer bedeutender Partner war Don Angelo, mit dem sie auf Grand Prix Niveau erfolgreich ritt. 2019 erreichte sie mit ihm das Finale des Piaff Förderpreises in Stuttgart und belegte dort den siebten Platz.
Den endgültigen Durchbruch in die internationale Spitze bei den Senioren feierte sie jedoch mit dem Fuchs Denoix PCH. Im Sommer 2023 wurden sie in den Perspektivkader des Deutschen Olympiade Komitees für Reiterei (DOKR) berufen und waren als Reservisten für die EM 2023 in Riesenbeck nominiert. Bei den Deutschen Meisterschaften 2024 belegten sie Platz sechs im Grand Prix Special und Rang acht in der Kür, ein Jahr später gewannen sie in Balve Bronze im Grand Prix Special. Das war das Ticket zur EM 2025, wo sie im Special Richter und Zuschauer gleichermaßen begeisterten und „personal best“ auf Platz vier landeten.
Der Blick der Zukunft
Katharinas Philosophie mit den Pferden basiert auf Respekt, Geduld und Vertrauen. Sie legt großen Wert auf eine pferdegerechte Ausbildung und auf die mentale wie körperliche Gesundheit ihrer Pferde. Ein Beispiel: Die Lösungsphase nimmt in ihrem Training eine zentrale Rolle ein. Dort legt sie das Fundament für Durchlässigkeit, Balance und Losgelassenheit – in aller Ruhe.
Und dennoch schaut Katharina Hemmer mit Ehrgeiz und einem klaren Ziel in die Zukunft. Sie arbeitet kontinuierlich an ihrer Weiterentwicklung, immer mit dem Anspruch, sich und ihre Pferde auf höchstem Niveau zu präsentieren. Ihre Hingabe, ihr Können, aber eben auch ihre Offenheit und ihre Authentizität zeichnen sie aus und machen sie zugleich zum Vorbild für den Nachwuchs.
Interview mit Katharina Hemmer: Der Weg zum Erfolg

Ihren Pferden soll es an nichts fehlen: Eine gute Haltung ist Katharina genauso wichtig wie ein fairer und feiner Umgang. (© Marie-Sophie Hemmer)
Hooforia: Katharina, kannst du dich an deine Reitanfänge erinnern und welches Gefühl du hattest, wenn du mit Pferden zusammen warst?
Katharina Hemmer: Ich bin vor allem durch meine Eltern zum Reiten gekommen. Beide sind früher hobbymäßig geritten, und meine Mutter hat uns schon mitgenommen, als wir noch sehr klein waren. Ich war sofort von den Pferden begeistert und habe es kaum erwarten können, endlich selbst zu reiten.
Mit fünf Jahren durfte ich dann im örtlichen Reitverein meine ersten Longenstunden nehmen und war vom ersten Moment an hin und weg. Die Gruppenstunde einmal pro Woche war mir schnell zu wenig. Mit sechs Jahren bekam ich die Möglichkeit, im Reitverein ein Pflegepony zu haben – ohne die Unterstützung meiner Mutter wäre das in dem Alter gar nicht möglich gewesen. Mit sieben bekam ich dann mein erstes eigenes Pony, eine vierjährige Stute, die gerade angeritten war. Auch hier stand meine Mutter mir zur Seite und hat mir bei vielem geholfen.
Meine Eltern haben immer dafür gesorgt, dass ich guten Unterricht bekomme. Ich hatte von Anfang an eine sehr enge Beziehung zu meinen Ponys, und die Zeit mit ihnen war für mich das Größte. Da mussten Schulfreunde häufig auch zurückstecken.
Die Liebe zu den Pferden lässt sich für mich bis heute nicht ganz in Worte fassen. Genau das hat es für mich als kleines Mädchen so besonders gemacht. Diese sensiblen Wesen um mich zu haben hatte schon immer eine sehr beflügelnde Wirkung auf mich, und das nicht nur beim Reiten, sondern allein durch ihre Anwesenheit. Ich konnte mich früher genauso wie heute stundenlang im Stall aufhalten und den ganzen Tag nur „tüddeln“.
Wie beeinflusst deiner Meinung nach der Kontakt zum Pferd die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen – nicht nur auf den Sport bezogen, sondern generell?
Ich finde, der Kontakt zu Pferden prägt Kinder und Jugendliche ungemein. Man übernimmt sehr früh Verantwortung und lernt, zuverlässig zu sein, weil sich ein Tier auf einen verlässt. Gleichzeitig wird man mit Frustration und Niederlagen konfrontiert, denn es läuft nicht immer alles so, wie man es sich vorstellt. Man kommt auch mal enttäuscht vom Turnier nach Hause und muss lernen, damit umzugehen und weiterzumachen.
Im Umgang und Training mit Pferden entwickelt man außerdem viel Geduld, Ruhe und Ausgeglichenheit. Das sind Eigenschaften, die man im ganzen Leben gut gebrauchen kann. Ich glaube, jedes Kind und jeder Jugendliche kann davon nur profitieren, unabhängig davon, ob man später sportlich reitet oder nicht.

Mit sieben Jahren bekam Katharina ihr erstes Pony. Neben dem Reitunterricht durfte der Spaß im Gelände nie fehlen. (© Privat)
Wie haben dich deine Eltern in Bezug auf das Reiten unterstützt?
Meine Eltern haben mich von Anfang an sehr unterstützt. Sie konnten mir zwar keine teuren, ausgebildeten Pferde kaufen, aber sie haben alles dafür getan, dass ich regelmäßig Unterricht bei guten Ausbildern hatte. Dafür haben sie auch längere Fahrten auf sich genommen und mich später zum Beispiel einmal pro Woche zum 1,5 Stunden entfernten Stützpunkttraining gebracht. Von den vielen Turnierfahrten ganz zu schweigen.
Meine Mutter ist bis heute auf fast jedem Turnier dabei, und mein Vater fiebert meist bei ClipMyHorse mit. Bei wichtigen Turnieren versucht er, wenn möglich, auch vor Ort zu sein. Diese Unterstützung bedeutet mir unglaublich viel.
Wurdest du früh sportlich gefördert, oder wie kam es dazu, dass du nicht einfach „nur“ eine Freizeitreiterin wurdest, die gerne Zeit mit dem Pferd verbringt?
Der sportliche Ehrgeiz kam eindeutig von mir selbst. Mit der Zeit entwickelte sich das Reiten bei mir vom Freizeit- zum Leistungssport. Meine damalige Trainerin hatte eine Nichte, die beim Nachwuchschampionat mitritt. Ich war im passenden Alter und auf dem nötigen Niveau, sodass ich durch ihre Unterstützung ebenfalls an einer Sichtung teilnehmen konnte. Wir hatten damals überhaupt keine Ahnung, dass es so etwas gibt oder wie man sich dafür qualifiziert.
Nach dieser ersten Erfahrung hatte ich Blut geleckt. Ich wollte mich stetig weiterentwickeln, an Lehrgängen teilnehmen und regelmäßig auf Turniere fahren. Meine Eltern haben das mir zuliebe natürlich gerne unterstützt, auch wenn es ursprünglich nicht geplant war, den Sport so leistungsorientiert auszuüben.
Wie viel Zeit hast du in der Woche am Stall und auf dem Pferd verbracht?
Seitdem ich mein eigenes Pony hatte, war ich eigentlich jeden Tag im Stall. Meine Mutter musste mich regelrecht überreden – oder eher überlisten, auch mal einen stallfreien Tag einzulegen. Dann hat meine Trainerin das Pony morgens geritten, während ich in der Schule war. Meine Mutter wollte, dass ich mich auch mal mit Freunden verabrede oder etwas anderes mache, aber ich wollte unbedingt jeden Tag selbst zu meinem Pony.
Je älter ich wurde, desto intensiver wurde es damit. Ich habe nach und nach immer mehr Pferde von Freundinnen oder Stallkollegen mitgeritten. Später, während des Abiturs, war ich neben der Schule schon regelmäßig vier Pferde am Tag geritten, und im Laufe der Zeit wurde es dann immer mehr.
Wie hat das Reiten deine Jugend beeinflusst?
Das Reiten hat meine Jugend ganz maßgeblich geprägt. Ich habe die meiste freie Zeit im Stall verbracht, besonders an Wochenenden und in den Ferien. Dort hatte ich meine Stallmädels, und wir haben gemeinsam so viel erlebt – mit den Pferden, aber auch außerhalb des Stalls.
Wir waren zum Beispiel gemeinsam im Reiturlaub, haben unvergessliche Momente erlebt und sind als Gruppe richtig zusammengewachsen. Ich denke extrem gerne an diese Zeit zurück. Sie war für mich etwas ganz Besonderes.
Was zeichnet für dich eine gute Förderung aus? Wie schwer ist der Weg in den Sport, wenn man nicht aus einer Reiterfamilie stammt und dadurch der direkte Draht zum Pferd fehlt?

„Eine gute Ausbildung, Geduld und ein fairer, langfristiger Aufbau sind für mich das Wichtigste in der Nachwuchsförderung“, sagt Katharina. (© Marie-Sophie Hemmer)
Ich finde, die passende Förderung ist entscheidend. Ohne Unterstützung von außen hätten meine Eltern und ich damals überhaupt nicht gewusst, wie man in die Nachwuchsförderung hineinkommt. Schon einfache Dinge wie Nennungen, Turnierlizenzen oder das Eintragen eines Pferdes waren völliges Neuland für uns. Zum Glück hatten wir Leute am Stall sowie Trainer, die uns unterstützt und uns erklärt haben, wie all das funktioniert.
Damals gab es ja noch das WBO-Formular, später dann das Scheckheft, und man musste sich immer wieder umstellen. Ohne Hilfe hätten wir ziemlich alt ausgesehen – das hätte gar nicht funktioniert. Innerhalb der Stallgemeinschaft und dank toller Trainer hatten wir immer eine gute Unterstützung. Ich glaube jedoch, wenn man keine Eltern hat, die einen unterstützen, ist es tatsächlich schwierig. Da muss man wirklich das Glück haben, am richtigen Ort zu sein. Dieses Glück hatte ich, und nur so hatten wir überhaupt die Chance, uns in diese Richtung zu entwickeln.
Eine gute Ausbildung, Geduld und ein fairer, langfristiger Aufbau sind für mich das Wichtigste in der Nachwuchsförderung. – Katharina Hemmer –
Wie können deiner Meinung nach junge Menschen bestmöglich unterstützt werden, und was sollte dabei im Fokus stehen?
Ich denke, der Fokus sollte nicht auf dem „besten“ Pferd oder dem teuersten Equipment liegen. Meine Eltern konnten sich das damals gar nicht leisten und haben stattdessen Wert auf guten Reitunterricht gelegt. In meinen Augen war das mit Abstand der wichtigste Punkt. Das hat mir den Grundstein gelegt, sodass ich irgendwann auch gute Pferde von Stallkollegen reiten durfte. So bin ich schließlich auch zu meinem Wallach Royal Flash gekommen, mit dem ich lange Junioren und Junge-Reiter-Tour geritten bin und den ich später übernehmen durfte.
Setzt du dich selbst auch für junge Reiter ein beziehungsweise kannst du dir dies vorstellen?
Ich versuche auf jeden Fall, meinen Beitrag dazu zu leisten. Bei meinen Reitschülern setze ich mich sehr dafür ein, sie bestmöglich zu unterstützen. Meine zeitlichen Kapazitäten sind zwar begrenzt, aber ich finde, es beginnt oft schon mit kleinen Gesten.
Ich bekomme häufig Nachrichten von Mädchen, die genauso pferdeverrückt sind, wie ich es früher war – und immer noch bin. Ich beantworte jede einzelne Nachricht, nehme mir Zeit für ihre Fragen, schicke ihnen gerne Sprachnachrichten und versuche so, nahbar zu sein und sie zu motivieren.


