Heu bedampfen für Pferde: Echte Lösung oder Augenwischerei?


Bild vergrößern Heu bedampfen: Ist es eine Lösung für hustende Pferde? Wir haben Vor- und Nachteile zusammengefasst

Heu bedampfen: Ist es eine Lösung für hustende Pferde? Wir haben Vor- und Nachteile zusammengefasst. (© Christiane Slawik)

Staub, unsichtbare Schimmelsporen oder Bakterien können Pferde krank machen – besonders die Atemwege sind empfindlich. Kann Heu bedampfen die Lösung sein? Wir haben mit Experten gesprochen und die Vor- und Nachteile aufgelistet.

Heu ist das wichtigste Grundnahrungsmittel für unsere Pferde. Es liefert Energie, Ballaststoffe und ist entscheidend für eine gesunde Verdauung. Vor allem aber brauchen Pferde Heu, um artgerecht beschäftigt zu sein. Doch Heu ist nicht gleich Heu: Neben sichtbaren oder auch riechbaren Qualitätsunterschieden steckt der Teufel oft im Detail. Staub, unsichtbare Schimmelsporen oder Bakterien können Pferde krank machen – besonders die Atemwege sind empfindlich. Kann Heu bedampfen die Lösung sein?

Experten geben Tipps zur Pferdefütterung

In zwei ausführlichen Artikeln haben wir bereits mit mehreren Experten zu diesem Thema gesprochen: Zum einen mit Prof. Dr. Dirk Winter von der Hochschule Nürtingen-Geislingen und dem Doktoranden Harald Unseld, der derzeit zum Einfluss von Stallluftfaktoren auf die Pferdegesundheit forscht und darüber seine Doktorarbeit schreibt.

Zum anderen mit Laura Draack von der Lufa Nord-West sowie mit Tierärztin und Pensionsstallbetreiberin Maria Merkel. Alle hatten spannende Informationen und Gedankenansätze zum Thema Heu und gesunde Fütterung sowie Tipps für die Zukunft. Beim Thema „Heu bedampfen“ gab es unterschiedliche Erfahrungen, die wir hier noch einmal bündeln.

Wenn die Heuqualität nicht optimal ist

Am besten ist es natürlich immer, einwandfreies Heu ohne Keime und in bester Qualität füttern zu können. Die Realität in vielen Ställen sieht jedoch anders aus: Die Heuqualität schwankt je nach Erntejahr und auch Pflege der Wiesen, die Lagerstätten sind nicht immer ideal, vielleicht wechselt auch der Lieferant; ein großer Unsicherheitsfaktor ist zudem das Wetter, wie auch unsere Experten wissen.

Besonders tückisch sei, dass selbst optisch gutes Heu Staub oder unsichtbare Sporen enthalten könne. Besonders in größeren Ställen sei es deshalb oftmals schwierig, durchgehend Spitzenqualität des Raufutters sicherzustellen. Was also tun, wenn die Pferde aufgrund des Heus doch mal husten oder schon vorbelastet sind?

  • Möglichkeit 1: Staubiges Heu einfach wässern? In den vergangenen Jahren kommt da immer häufiger das Wässern von Heu ins Spiel, das Staub binden soll.
  • Möglichkeit 2: Auch Bedampfer sieht man in vielen Ställen immer häufiger; von kleinen Geräten, die HD-Ballen oder einzelne Heunetze bedampfen können bis zu absoluten Hochleistungsgeräten für ganze Quader- oder Rundballen mit mehreren hundert Kilogramm.
Heu wird gewässert

Kann Heu wässern eine Lösung sein? Wir haben Experten gefragt. (© Frank Sorge)

Heu für Pferde bedampfen: So geht es richtig

Beim Bedampfen wird das Heu für rund 50 bis 90 Minuten mit heißem Wasserdampf behandelt. Ziel ist, dass es sich auf mindestens 100 °C erhitzt und Staubpartikel somit gebunden sowie Schimmelsporen und Bakterien abgetötet werden, sodass weniger Gesundheitsrisiko für atemwegsempfindliche Pferde besteht.

Wer nur wässert, muss das bei jeder Portion Heu tun, da durch die Zugabe von Wasser auch eine optimale Nährlösung für Pilze entsteht. Pilze dringen in die Pflanze ein und lassen sich nicht oder nur sehr schwer abspülen, wie Harald Unseld weiß. Wässern diene der Staubbindung und eventuell dem Auswaschen von Verunreinigungen wie Erde und Steinen, diese sollten aber sowieso nicht im Heu sein. Und: Wer wässert, sollte das Wasser nicht wiederverwenden.

Bedampfen statt wässern?

Anders als beim Wässern kann das Bedampfen wirklich dabei helfen, die Keime unschädlich zu machen. Für Pferde mit Husten, Equinem Asthma oder Allergien kann das eine Erleichterung sein – denn die gereizte Lunge kommt weniger mit Sporen in Kontakt, erklärt Prof. Dr. Winter. Er ist Dekan des Studienganges Pferdewirtschaft, Leiter des Lehr- und Versuchsbetriebes für Pferde sowie Prodekan der Fakultät Agrarwirtschaft, Volkswirtschaft und Management. Zudem ist er gelernter Landwirt und Agrarwissenschaftler.

Doktorand Harald Unseld beschäftigt sich seit Jahren intensiv mit dem Thema Staubbelastung und den Möglichkeiten zur Reduzierung. Er promoviert derzeit an der Uni in Nürtingen und hat sich im Zuge seiner Forschung zum Thema Staubbelastung im Pferdestall unter anderem dem Thema Fütterung angenommen. Er wollte herausfinden, welche Rolle das Füttern in diesem Zusammenhang spielt und welche Stellschrauben es dafür gibt. Dafür nutzt er digitale Messtechnik, unter anderem ein speziell entwickeltes Feinstaubhalfter, das die Staubkonzentration direkt in der Nähe der Pferdenüstern misst.

Das ist beim Bedampfen von Heu zu beachten

In seinem eigenen Pensionsstall behandelt er ganze Großballen mit heißem Wasserdampf, denn zu diesem Thema liefert Unselds Dissertation auch schon jetzt während der Forschungsphase klare Daten: Wird Heu auf 100–105 Grad erhitzt und diese Temperatur für etwa zehn Minuten gehalten, reduziert dies den Staubanteil und gleichzeitig wird die mikrobielle Kontamination massiv reduziert.

Wird das Heu auf diese Weise behandelt, hält es auch länger als 24 Stunden die Qualität. „Wir konnten auch nach neun Tagen keine relevante mikrobielle Belastung nachweisen“, erzählt Unseld gegenüber Hooforia. Wichtig dafür sei allerdings: Der Bedampfer müsse wirklich zuverlässig alle Stellen im Heuballen erhitzen. Von Selbstbau-Lösungen für Heubedampfer aus Regentonnen und Tapetenablösern rät der Experte dringend ab. Solche Eigenkonstruktionen bergen erhebliche Risiken.

Zudem müsse man bedenken, dass das Bedampfen keine Giftstoffe entfernen könne – die Grundqualität des Heus müsse schon vor dem Bedampfen stimmen. Und: Das grundsätzliche Management bei atemwegsempfindlichen Pferden (und auch allen anderen) müsse passen. Es brauche generell eine Staubreduktion im Stall durch die richtige Einstreu, fachgerechte Pflege von Reitböden usw.

Was passiert mit Nährstoffen im Heu durch Bedampfen?

Beim Thema Nährstofferhalt liege beim Bedampfen laut Winter ein großer Vorteil gegenüber dem Wässern: Während beim Wässern viele wasserlösliche Vitamine und Mineralstoffe ins Wasser übergehen und regelrecht ausgespült würden, blieben sie beim Bedampfen weitgehend erhalten. Aber: Auch wenn sich der Rohprotein-Gehalt durch die Behandlung mit Wasserdampf nicht verändern würde, so würde es die Struktur der Aminosäuren doch durchaus verändern, sodass die Verwertbarkeit des Heus deutlich schlechter werde. Das sei insbesondere für Zucht- und Aufzuchtpferde zu berücksichtigen.

Auch Tierärztin Maria Merkel hat Erfahrungen mit dem Bedampfen für atemwegsempfindliche Pferde. In einem Stall, in dem rund um das Jahr die Pferde mit bedampftem Heu gefüttert wurden und nicht im Sommer auf die Wiese gingen, war ein Nährstoffmangel bei beinahe allen Pferden im Blut nachweisbar.

In ihren Augen sei Bedampfen zwar im ersten Moment bei einem hustenden Pferd eine schnelle Lösung, aber auf lange Sicht auch eine Problemverschiebung, wenn man es nicht richtig angehe. Schimmelsporen würden außerdem zwar inaktiviert, die toten Sporen sowie die vorher ausgeschiedenen Toxine seien aber meist hitzestabil und wanderten somit in den Darm.

Wie Bedampfen die Nährstoffe verändert

Da Harald Unseld das Thema wissenschaftlich betrachtet, hat auch er Blutanalysen anfertigen lassen und zudem jährlich Proben aus bedampften und unbedampften Heu gezogen, um einen Vergleich zu haben. Seine Erfahrung: „Die Mineralstoffe verändern sich durch Bedampfen kaum, da sie temperaturstabil sind (Teil der Rohasche). In unserem Heu sinkt der Rohproteingehalt durch das Bedampfen etwas, der Rohfettgehalt erhöht sich leicht und Zucker wird zu rund 18% reduziert, was für viele Pferde sehr gut ist.“

Prof. Dr. Dirk Winter dazu: „In den meisten Heuproben zeigt sich, dass viele Werte der Spurenelemente generell zu niedrig sind. Selen, Kupfer und auch Zink müssen meist durch ein gutes Mineralfutter sowieso supplementiert werden.“ Und auch der Vitamingehalt verringere sich mit jedem weiteren Monat der Lagerung zwangsläufig. Stallbetreiber sollten also immer eine Heuanalyse nutzen, um die Futterration der Pferde zu berechnen.

Wer haftet, wenn schlechtes Heu krank macht?

Spannend in diesem Zusammenhang ist übrigens auch, dass ein Stallbetreiber für die hygienischen Qualitäten des Raufutters in seinem Stall geradestehen muss. Im Falle eines Falles können Einsteller ihn also in Regress nehmen. Wenn Pferde durch nachweislich schlechtes Heu erkranken, können Einsteller Vertragsmängel geltend machen oder sogar Schadensersatz fordern, etwa für Tierarztkosten.


In einem konkreten Fall hatte ein Landwirt einen Pferdepensionsbetrieb betrieben und dort die von ihm hergestellte Silage gefüttert. Mehrere Pferde waren an Botulismus erkrankt, einige Pferdehalter klagten auf Erstattung der Tierarztkosten und das Oberlandesgericht Hamm bekräftigte die Haftung des Landwirts auch ohne eigenes Verschulden – gestützt auf das Produkthaftungsgesetz. Die kontaminierte Silage war das fehlerhafte Produkt, der Landwirt selbst war der Hersteller, weil er das Gras selbst geerntet, weiterverarbeitet und das Futter an die Pferde verfüttert hatte.


Daher ist eine regelmäßige Heuanalyse und Dokumentation der Futterqualität nicht nur sinnvoll, sondern auch rechtlich ratsam.

Vorteile des Bedampfens von Raufutter auf einen Blick

  • Deutlich weniger Staub und Keime – gesünder für die Atemwege
  • Oft bessere Akzeptanz – viele Pferde fressen bedampftes Heu besonders gern
  • Hygienische Aufbereitung ohne Chemie
  • Zuckerwert sinkt

Nachteile von bedampftem Heu

  • Anschaffungskosten für einen Bedampfer sind hoch
  • Es fallen Stromkosten und täglicher Zeitaufwand an
  • Wenn Bedampfer mit wenig Druck arbeiten und die geforderte Temperatur nicht erreichen, muss das bedampfte Heu zügig verfüttert werden. Läuft der Bedampfer ordnungsgemäß, hält das Heu laut der Forschung von Harald Unseld auch einige Tage seine Qualität
  • Platz für das Gerät und regelmäßige Reinigung sind nötig
  • Sinkender Rohproteingehalt muss berücksichtig werden

Fazit: Heu bedampfen ist sinnvoll – aber kein Wundermittel

Heubedampfen kann eine echte Hilfe für atemwegsempfindliche Pferde sein. Es reduziert Staub und Keime deutlich und verbessert so die Stallluftbelastung. Wer allerdings dauerhaft bedampft, sollte seine Futterrationen prüfen und gezielt ergänzen, um Mangelerscheinungen vorzubeugen.

Wässern sollte nur eine Notlösung sein. Denn das Einweichen von Heu kann Staub zwar binden, reduziert aber Keime nicht zuverlässig. Zudem verliert das Heu dabei viele Nährstoffe und verdirbt schnell, vor allem im Sommer. Im Winter hingegen ist Wässern oft unpraktisch, weil das Heu einfrieren kann.

Bei einem Punkt sind sich alle Experten und Expertinnen einig: Bedampfen ersetzt kein gutes Heu. Wichtig ist es, von vorneherein gutes Heu zu machen und es gut zu lagern. Nicht zuletzt schützt sorgfältiges Futtermanagement nicht nur die Pferde, sondern auch die Stallbetreiber – gesundheitlich und rechtlich.

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