Pferde interagieren mit uns Menschen, doch nicht immer sehen oder hören wir genau hin beziehungsweise deuten wir die Signale richtig. Ein österreichisch schweizerisches Expertenteam sieht im Schnauben großes Potenzial für die Verständigung zwischen Pferd und Mensch.
Pferde schnauben typischerweise beim genüsslichen Fressen, nach dem Wälzen oder wenn sie nach der Lösungsphase beim Reiten Hals und Kopf entspannt nach vorwärts abwärts strecken. Oft steht Schnauben also im Zusammenhang mit einem positiven, entspannten Gefühlszustand. Das Schnauben ist auch für den Mensch ein sehr leicht wahrnehmbares Signal. Roswitha Zink erklärt: „Über ihren körpersprachlichen Ausdruck, ihre Mimik und ihr Verhalten zeigen die Pferde enorm viel von ihrer Gefühlswelt – beispielsweise ob eine Situation als angenehm oder stressig empfunden wird. Darauf achte ich als Therapeutin unentwegt.“
Anna Naber ergänzt: „Das Schnauben ist eine der vielen Möglichkeiten für die Therapiepferde, sich mitzuteilen. Es hat sich bei uns in den letzten Jahren zusätzlich zur Körpersprache als deutliches Rückmeldesignal etabliert. Es nicht nur sichtbar, sondern auch akustisch wahrnehmbar und sogar fühlbar. Pferde zeigen damit oft entscheidende Momente in der Therapie an. Wenn beispielsweise ein Klient etwas besonders Aufwühlendes sagt.“
Pilotstudie: Schnauben als bewusstes Signal
Die Halsmuskulatur ist beim positiven Schnauben entspannt, die Schweifhaltung ist leicht getragen oder sogar pendelnd, die Ohren sind nach vorne gestellt. (© Christiane Slawik)
Roswitha Zink, Anna Naber, Magdalena Völk und Karin Hediger haben eine wissenschaftliche Studie zum Schnauben veröffentlicht. Ziel des Pilotprojektes: Inwieweit kann Pferden beigebracht werden, das Schnauben nicht nur als Signal für Wohlbefinden, sondern auch bewusst als „Stopp-Signal“ einzusetzen? Dafür nahmen 14 Therapie- und sechs Jungpferde verschiedener Rassen auf dem Lichtblickhof in Wien sechs Monate lang einmal wöchentlich an gezielten Trainingseinheiten teil.
Immer, wenn die Pferde deutlich hörbar ausatmeten, wurden die Vierbeiner gelobt, oder die Übung wurde (kurz) unterbrochen. Das Training bestand demnach „aus positiver Verstärkung mit einem starken Fokus auf der Mensch-Pferd-Beziehung. Basierend auf einer starken Verbindung zwischen Mensch und Pferd, dem gemeinsamen körpersprachlichen Dialog, gegenseitiger Affektabstimmung, Synchronisation und abgestimmter Bewegungskoordination und Entspannung“, so Anna Naber.
Tief durchatmen – Warum Pferde schnauben
Schnauben ist eine akustische Signalübertragung bei Pferden, die durch eine schnelle Ausatmung aus der Nase entsteht. (© Christiane Slawik)
Die Pferde sollten dadurch verinnerlichen, bei einem hohen Stresslevel zu schnauben und allein schon durch die physiologisch positive Wirkung des tiefen Ausatmens Stress abzubauen. Das ist in etwa vergleichbar mit dem „Einmal tief durchatmen“, das Menschen in Stresssituationen anwenden. Zum anderen sollten die Pferde lernen, mit ihrem Schnauben dem Menschen anzuzeigen, dass sie eine Pause brauchen. Die Wissenschaftler verwenden dafür den Begriff der Schnaubkorrespondenz (englisch: Audible Exhale Communication, kurz AEC). Dieser wurde von Roswitha Zink und ihrem Team am Lichtblickhof entwickelt.
Tatsächlich schnaubten die Pferde nach einem halben Jahr deutlich öfter als zu Beginn der Studie. Das Alter der Vierbeiner war dabei unerheblich, ebenso – anders wie von den Experten vermutet – die bisherige Trainingsbeziehungsweise Therapieerfahrung. Nachdem die Pferde im Training das bewusste Schnauben integriert hatten, kam der Praxistest. Die Therapeuten berichteten, dass sie bei den Pferden während der Therapiestunde durch das Schnauben weniger Stressanzeichen wahrnahmen. Außerdem erschienen ihnen die Pferde zudem entspannter und zufriedener.
Die Signale des Pferdes richtig deuten
Ein Gefühl von Sicherheit im Verständnis der Hilfengebung führt beim Pferd zum positiven Abschnauben. (© Jacques Toffi)
„Das Wichtigste ist, das Schnauben in seinem Kontext und der davon abhängigen Bedeutung wahrzunehmen und dann zu entscheiden, wie ich weiter vorgehe. Wenn ich mit der Zeit die Unterschiede des Schnaubens wahrnehme, kann man auch hören, wenn Schnauben aus Anspannung heraus passiert. Und nachdenken, wie wir dem Pferd helfen können, sein Wohlbefinden wieder zu steigern“, so Roswitha Zink.
„Ich als Therapeutin muss dann einschätzen: Ist die Situation für das Pferd eben gerade ein bisschen ‚zach‘? Oder kann es sich für eine bestimmte Aufgabe nicht motivieren? Oder ist es wichtig, sofort etwas zu ändern?“ Sie ist überzeugt: „Manche Situationen sind einfach wirklich ‚zu viel‘, da habe ich vielleicht etwas übersehen oder mich bei der Belastbarkeit verschätzt. Dann bin ich dankbar, dass mein Partner Pferd mir Rückmeldung gibt, dass es an diesem Punkt eine Pause braucht“. Dabei sei es nicht etwa notwendig, die ganze Therapieeinheit umgehend abzubrechen – oft erzielten schon kleine Änderungen eine große Wirkung.
Pferde schnauben als Kommunikation
Roswitha Zink und ihre Kolleginnen sind überzeugt, dass das Schnauben in Kombination mit dem körpersprachlichen Ausdruck, der Mimik und der Gestik des Pferdes die Kommunikation zwischen Menschen und Therapiepferden erleichtern kann. Damit könne das Pferd sich aktiv in die Therapie einbringen und eine Überlastung der Therapiepferde verhindert werden. Zusätzlich trage die bessere Verständigung auch zu mehr Sicherheit für die Patienten auf dem Rücken der Pferde bei. Denn ein entspanntes Pferd ist deutlich sicherer als eines unter Spannung.
Zudem wird die Mensch-Tier-Beziehung gestärkt. Doch nicht nur Therapiepferde profitieren von dieser Art der Kommunikation, erklärt Anna Naber: „Die Schnaubkorrespondenz ist eine Fertigkeit, die für alle Pferdemenschen spannend ist. Profisportreiter wenden sie oft bereits seit Jahren an.“ Sie biete die Möglichkeit, „das eigene Pferd – egal ob Therapiepferd, Freizeitpferd oder Sportpferd – besser zu verstehen, dessen Gefühlswelt zu entdecken und herauszufinden, was das Pferd sagen möchte, denn Schnauben ist nicht gleich Schnauben“.
Fundiertes Wissen erfordert
Schnauben kann einmal oder mehrmals hintereinander erfolgen und je nach Situation in der Lautstärke und Tonlage variieren. (© Stefan Lafrentz)
Die Autoren der Studie betonten ausdrücklich, dass die Anwendung der Schnaubkorrespondenz viel Erfahrung und Wissen über die Zusammenhänge zwischen Mensch-Tier-Interaktionen, Pferdekommunikation und Schnauben erfordert. Die Tiere hätten das Prinzip zwar schnell verstanden, konsequentes Training sowie promptes Reagieren auf das Signal seien jedoch unerlässlich.
„Das Ignorieren von Schnauben oder ein Mangel an Empathie und Respekt kann zu emotionalen Verletzungen, Frustration oder einem daraus resultierenden Vertrauensverlust führen, der das erlernte Verhalten auslöschen kann“, warnt Roswitha Zink. Wer die Kunst der Schnaubkorrespondenz (kennen)lernen möchte, kann dies bei einem Online-Seminar des Lichtblickhofes tun. „Unsere Seminare richten sich an alle interessierten Pferdemenschen genauso wie an die, die im therapeutischen Setting mit Pferden arbeiten.“
Wissen zum Pferdeschnauben
Was passiert wenn Pferde schnauben?
Schnauben ist eine akustische Signalübertragung bei Pferden, die durch eine schnelle Ausatmung aus der Nase entsteht. Es kann einmal oder mehrmals hintereinander erfolgen und je nach Situation in der Lautstärke und Tonlage variieren. Schnauben dient oftmals auch zum Ausstoßen kleiner Fremdkörper aus der Nase. Hat das Heu beispielsweise viele kleine Heusamen, hört man das Schnauben mehrmals hintereinander. Pferde halten dabei dann den Kopf tief und fressen anschließend weiter.
Die unterschiedlichen „Schnaubarten“
Das Abschnauben kann viele Bedeutungen haben. Es kommt auf die Lautstärke und Tonlage an. Bei Schmerzen und Erschöpfung, beispielsweise bei gebärenden Stuten, schnauben Pferde ebenfalls. Es gibt das Abschnauben als Warnsignal, mit dem Pferde sich untereinander verständigen. Oder Pferde, die Angst, Schmerz und Aggression signalisieren – die Maulpartie ist fest geschlossen, verengte Nüstern mit nach hinten gezogenen Nasenwinkeln, Ohren nach hinten gestellt bis flach und Schweif eingeklemmt oder hochgestellt.
Schweifschlagen signalisiert zudem: Das Pferd ist überfordert und hat Angst, versteht die Hilfengebungen nicht. Schnauben als Warnsignal ist laut, stark und weit zu hören; Schnauben als Schmerzindikator wirkt wie ein tiefes Einatmen. Dabei spannt sich die Körperhaltung an, und die Schweifrübe ist eingeklemmt – das Pferd ist verkrampft.
Positives Abschnauben zeigt ein lösendes oder bereits gelöstes Pferd. Die Halsmuskulatur ist dabei entspannt, die Schweifhaltung ist leicht getragen oder sogar pendelnd, die Ohren sind nach vorne gestellt. Ein helles langes Abschnauben signalisiert ein entspanntes Pferd, oder das Pferd baut Vertrauen auf: Es bekommt Sicherheit in der Hilfengebung, und es zeigt Aufmerksamkeit und Motivation zur Mitarbeit.
Zufriedene Pferde schnauben
Pferde schnauben nicht nur zur Reinigung der Nüstern, sondern auch aus emotionaler Ausgeglichenheit. (© Stefan Lafrentz)
Wissenschaftlich erwiesen ist, dass Pferde schnauben, wenn sie sich wohlfühlen. Bisher waren Forscher immer davon ausgegangen, dass Pferde eher aus hygienischen Gründen schnauben, um die Nüstern von Staub oder Schleim zu befreien. Die Studie zeigte jedoch, dass Schnauben ein verlässlicher Indikator für positive Emotionen ist. Die französische Universität Rennes hat anhand von 48 Studienpferden herausgefunden, dass diese in Situationen schnaubten, die positiv waren (wie z. B. beim Weidegang), und gleichzeitig auch eine zufriedene Körperhaltung zeigten.
Die Pferde, die aus einer Reitschule kamen und an der Studie teilnahmen, schnaubten auf der Weide doppelt so oft wie im Stall, und ihre natürlich gehaltenen Kollegen schnaubten in gleichen Situationen noch öfter als die Reitschulpferde. Die Forscher konnten ganz klar feststellen: Je weniger Stress ein Pferd hat, desto öfter schnaubt es.