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Paula Waskowiak – Vom Krebs zurück in den Reitsport


Bild vergrößern Paula Waskowiak und ihr Pferd Djamiro.

„Djamiro und ich haben eine ganz besondere Beziehung. Er ist charakterstark und wir geben einander Sicherheit“, sagt Paula Waskowiak. (© Diana Wahl)

Bei Sonnenschein und Vogelgezwitscher zu Besuch bei Paula Waskowiak. Sie gilt als eines der größten Talente im deutschen Voltigiersport. Paulas Haare sind kurz. Sie erinnern an den Krebs, der im Frühling 2024 ihr Leben in die Hand nehmen wollte.

Mit einer schwarzen Trainingsjacke steht Paula Waskowiak in der Sonne. Das Bundeswappen ziert ihre Brust. Sie blinzelt – die Sonne blendet die junge Frau an diesem Frühlingsmorgen im Jahr 2025. Hinter der Sportsoldatin erstreckt sich ein Pferdestall. Es ist die Anlage des Voltigiervereins Volmerdingsen: der Ort, an dem Paula Waskowiak an ihrer Karriere als Voltigiererin arbeitet, an dem Schweiß und Tränen fließen – und der Ort, an dem sie Halt suchte, als in ihrem Leben plötzlich nichts mehr war wie zuvor.

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Am 11. März 2024 erhält sie die Diagnose: Lymphdrüsenkrebs. Am 19. März fließt zum ersten Mal die Chemotherapie durch ihre Blutbahn. Von der Athletin zur Patientin. Mit 19 Jahren. Mit 20 Jahren turnt Paula wieder bei Wettkämpfen. Sie macht wieder das, was sie liebt – nur anders. Denn heute weiß Paula Waskowia mehr über das Leben als noch vor einem Jahr. „Es ist nichts wichtiger als ein gesunder Körper“, sagt sie. Was ihr früher selbstverständlich schien, begreift sie nun als Geschenk – eines, das sie nutzen möchte. „Voltigieren ist meine Art, Menschen zu inspirieren. Und ich möchte jetzt meine Geschichte erzählen.“ Von Angst, Schmerz, Wut, Hoffnung, Willenskraft – und neu gewonnener Stärke.

Paula Waskowiak (r.) im Interview mit Sabine Gregg, Redaktionsleiterin Digital.

An einem Frühlingstag in der Sonne: Paula Waskowiak (r.) im Interview mit Sabine Gregg, Redaktionsleiterin Digital. (© Diana Wahl)

Der Mädchentraum – Reiten und Turnen

Paulas große Schwester Emma voltigierte als Kind. Mit vier Jahren fing dann auch Paula an. „Es war Liebe auf den zweiten Blick“, sagt sie lächelnd. Ihre Familie ist pferdebegeistert: Es wird geritten und voltigiert – und so springt der Funke doch noch auf Paula über. „Das Turnen auf dem Pferd und die besondere Verbindung mit dem Tier haben mich gefesselt“, erinnert sie sich an ihre Anfänge. Paula turnt und turnt und fällt auf. „Schon als Kind war klar, wie viel Talent sie hat. Doch Talent allein reicht nicht, um Leistungssportlerin zu werden. Es braucht auch Biss und Disziplin“, sagt Jannis Drewell, Einzel-Europameister 2015 und Wegbegleiter von Paula.

Paula wird 2022 Deutsche Jugendmeisterin, holt Bronze bei den Europameisterschaften 2022, voltigiert bei der Weltmeisterschaft 2023 – ihr Traum als kleines Kind – und wird im selben Jahr als Sportsoldatin bei der Bundeswehr akzeptiert. In Deutschland gibt es nur drei Sportsoldaten, die voltigieren. Paula ist fortan eine davon. Die Grundausbildung absolviert sie in Hannover. Vier Wochen. „Ich weiß jetzt, dass ich alles schaffen kann.“

Paula Waskowiak am trainieren.

Paula liebt, was sie tut. Beim Voltigieren drückt sie sich mit dem Pferd zur Musik aus, inspiriert und begeistert sie. Dafür trainiert sie. (© Diana Wahl)

Ein eingespieltes Team: Paula Waskowiak

Danach kehrt sie nach Bad Oeynhausen im Nordosten Westfalens zurück. Zurück zu Djamiro, ihrem Voltigierpartner, und ihrer Longenführerin Tabea Struck. Die drei sind ein eingespieltes Team. Tabea trainiert Paula, seitdem sie vier Jahre alt ist. Sie wissen, dass sie sich aufeinander verlassen können. Zu dem Zeitpunkt ahnen sie aber noch nicht, wie wichtig diese Freundschaft in den kommenden Monaten sein wird.

„In jenem Winter war ich häufig krank. Ich war ständig erkältet und wurde nicht wieder gesund“, blickt Paula zurück. Aus heutiger Sicht sagt sie, dass sie besser auf ihren Körper hätte hören müssen. Doch zu dem Zeitpunkt, kurz nach ihrem Abitur und gerade frisch bei der Bundeswehr, wollte sie einfach nur weitermachen, besser werden und zeigen, was sie kann. Für die Bauchschmerzen zwischendurch hatte sie keine Zeit.

Beule am Bauch: Tumore entdeckt

Ende Februar 2024 reiste Paula zum Lehrgang für den Bundeskader der deutschen Voltigierer. „Da habe ich richtig Gas gegeben“, erinnert sie sich. In der Nacht darauf geht es ihr schlecht: Bauchschmerzen, Erbrechen. Am nächsten Tag plötzlich eine große Beule am Bauch. Paula fährt zum Arzt. Dort angekommen, ist die Beule nicht mehr zu sehen. Mit einer Packung Buscopan kehrt Paula heim.

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In der folgenden Nacht ist die Beule zurück. Paula besucht einen anderen Arzt. Mit einer Sonographie stellt er fest, dass da etwas ist, das dort nicht hingehört. Ein zehn Zentimeter großes Etwas. Paula muss ins Krankenhaus. Die Diagnostik beginnt. „Niemand konnte mir direkt sagen, was es ist. Dann wurde ein zweiter Tumor entdeckt. Irgendwann hieß es, es komme vom Lymphsystem und eine medikamentöse Behandlung könne helfen. Ich habe zu dem Zeitpunkt nicht verstanden, was das bedeutet“, erinnert sich Paula. Ihre Stimme ist fest, ihre Finger spielen mit ihrem Armband. Es ist silbern, mehrere Anhänger baumeln daran. Es sind Erinnerungsstücke, wie sie später erzählt, pro Chemoblock ein Anhänger. Kleine Mutmacher.

Paula Waskowiak und ihr Pferd

„Mein Leben ist anders. Mein Fokus hat sich verändert. Ich höre besser auf meinen Körper.“ – Paula Waskowiak (© Diana Wahl)

Der Fiebertraum: Lymphdrüsenkrebs

Mitte März 2024 hat Paula Waskowiak noch im Krankenhaus an ihre nächsten Wettkämpfe gedacht. Stattdessen startete, rund drei Wochen nach der ersten Untersuchung, die Therapie. Sechs Blöcke, 35 Tage Chemotherapie und 14 Wochen Krankenhausaufenthalt sollen folgen. In Paulas Leben ist nichts mehr wie es war.

„Nach dem ersten Block Chemotherapie habe ich körperlich sehr stark abgebaut. Es war wie ein Fiebertraum. Dann ist viel Tumormasse auf einmal zerfallen. Es sah nicht gut aus. Meine Werte waren katastrophal. Ich war ein Wrack, habe Bluttransfusionen benötigt, lag zwei Wochen lang im Bett, hatte Fieber, konnte nichts essen und wurde künstlich ernährt“, erinnert sich Paula.

Auf Hilfe angewiesen: Paula Waskowiak

Nichts war mehr selbstverständlich. Denn die Leistungssportlerin war bei den kleinsten Dingen auf Hilfe angewiesen. An ihrer Seite: Vor allem ihre Mutter, ihre Schwestern, ihr Mentor Jannis Drewell und Tabea Struck. Sie erinnern sich, die Longenführerin. Insgesamt verlor Paula 14 Kilogramm an Gewicht. „All meine Muskeln waren weg“, sagt sie. Das, was ihren Körper seit Jahren auszeichnete, verschwand: ihre Athletik, ihre Kraft – aber nicht ihr Wille. Die Therapie schlägt an. Die Tumore schrumpfen. Ihr Körper leidet, doch ihr Kopf denkt ans Weitermachen, ans Durchziehen. Wie beim Training.

„Paula ist zielstrebig, ja ehrgeizig und sehr gewissenhaft“, beschreibt Tabea Struck sie. Die zwei verbringen auch privat gern Zeit miteinander. „Nach Winter kommt Frühling“, sagt Paula. Diese vier Worte tragen sie durch den Sommer 2024 – einen Sommer, der sich für sie wie Winter angefühlt hat. „Ich habe kaum Musik gehört. Ich wollte mich nicht ablenken, sondern im Moment sein“, erinnert sie sich. Als Sportlerin ist es ihre Stärke, alles um sich herum auszublenden und sich ganz auf eine Aufgabe zu fokussieren.

Das Aufwachen: Erfolgreiche Chemotherapie

Paula Waskowiak und ihr Pferd.

Zweisam: „In meinem Leben ging es vorher vor allem um Leistung, um Erfolg. Nun bin ich mehr im Moment“, reflektiert Paula. (© Diana Wahl)

Wenn sie zwischendurch nach Hause durfte, besuchte sie ihr Voltigierpferd Djamiro. „Er hat mir Kraft gegeben. Ich habe mir in dieser Zeit nichts sehnlicher gewünscht, als wieder zu voltigieren und die alltäglichen Aufgaben zu übernehmen – Misten zum Beispiel.“ Seit ein paar Monaten tut sie genau das wieder.

Im August 2024 endet dann die Chemotherapie erfolgreich. Es folgt eine Reha. Paula möchte einfach nur wieder voltigieren, so schnell wie möglich, so gut wie möglich. „Ich war schwach. Mir fehlte Kraft und Kondition.“ Zu dem Zeitpunkt ist an Voltigieren auf dem Niveau, wie sie es konnte, nicht zu denken. „Es war zu Beginn frustrierend für Paula, weil es ihr nicht schnell genug ging. Ich habe all die Fortschritte gesehen und war einfach nur froh, wieder mit ihr gemeinsam in der Halle sein zu können“, sagt Tabea Struck.

Paula Waskowiak hat sich zurückgekämpft

„Das erste Mal hat sich angefühlt, wie nach Hause kommen“, erinnert Paula sich. Sie trainiert im Fitnessstudio, im an die Reithalle grenzenden Fitnessraum und auf dem Movie. Das ist ein Trainingsgerät im Voltigiersport, das den Galoppsprung des Pferdes simuliert. Voltigiertraining ohne Pferd, aber mit der galopptypischen Bewegung wird so möglich.

Paula Waskowiak beim Turnen.

Paula ist ganz im Moment. Auch beim Sprung (© Diana Wahl)

Paula kämpft sich zurück. Ihr Ziel: Championatsteilnahme 2025
„Ich habe in den vergangenen Monaten viel trainiert. Ich weiß, dass die Saison 2025 für mich eine große Herausforderung wird. Wenn ich mich anstrenge, schaffe ich es“, sagt Paula bestimmt. Ende April plant sie ihren ersten Wettkampf. Es wird ein emotionales Wochenende werden – für sie, für die Menschen in ihrem Umfeld, für alle, die ihr Comeback anschauen. Ihr Trikot hat ihre Schwester Emma geschneidert. Es ist dunkelrot – wie Blut, und weiß – wie die Knochen mit dem Knochenmark, das zum Lymphsystem gehört. Der Anzug symbolisiert ihren Körper samt Krankheit, die sie durchgestanden hat.

Mein Leben ist anders. Mein Fokus hat sich verändert. Ich höre besser auf meinen Körper.
– Paula Waskowiak

Die Mutmacherin: Inspiration für andere Menschen

Paula spricht offen über ihre Krankheit. Sie möchte Mut machen, andere Menschen inspirieren und zeigen, wie wichtig es ist, den eigenen Körper zu schätzen. „Viele Menschen wissen nicht, wie glücklich sie sind, einen gesunden Körper zu haben. Unser Körper ist ein Geschenk, das man pflegen muss. Leistungssportler besonders.“ Ihr gelinge die Balance aus Sport und Ruhezeiten heute besser.

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Sie nehme sich heute mehr Zeit für ihre Familie, für ihre Freunde und auch für sich. Sie höre heute besser hin, sagt sie. „Erfolg ist nicht alles.“ Und doch sehnt sie sich nach dem Gefühl zurück, Menschen mit ihrem Sport zu begeistern. „Gemeinsam mit dem Pferd und dem Longenführer, Menschen zu fesseln, den Applaus zu erleben und eine Geschichte zu erzählen, das vergisst man nie“, weiß Paula.

Paula Waskowiak – Sie erzählt ihre Geschichte

Paula Waskowiak turnt wieder.

Paula Waskowiak turnt wieder. Den Anzug hat ihre Schwester geschneidert. Er erzählt die Geschichte von Paulas Krebs-Erkrankung. (© Diana Wahl)

Paula schlüpft in ihr Trikot. Perlen zieren ihren Brustkorb, zeichnen ihre Rippenbögen nach. Rote Linien verzweigen sich auf ihrem Oberkörper. Es sind ihre Blutbahnen. Hauchdünner weißer Tüll umhüllt ihren Oberkörper. „Er symbolisiert, wie zerbrechlich ich vor ein paar Monaten noch war“, sagt Paula und schaut an sich herunter. Ihre Hände bleiben auf ihrem Bauch liegen. Ein heller Schatten ist dort auf dem roten Stoff zu sehen. Etwa zehn Zentimeter groß, rund. Der Tumor.

„In meiner Kür erzähle ich meine Geschichte. Ich weiß genau, was ich ausdrücken möchte, was ich fühle. Was ich erlebt habe, hat mich zu der Person gemacht, die ich heute bin.“ Wieder dreht Paula unbewusst an einem der Anhänger ihres Armbands. Sie stockt beim Reden. Im Turnen ausdrücken zu können, was sie erlebt hat, bedeutet ihr viel. Gemeinsam mit Djamiro zeigen zu können, was sie fühlt, noch mehr. „Ich konnte auf ihm im Galopp stehen, als ich noch wirklich schwach war. Er hat mir ein Gefühl von Freiheit zurückgegeben“, sagt Paula Waskowiak lächelnd und streicht Djamiro über den Hals.

Die Sportlerin: Kraftvoll, sicher, fließend

Der Braune sucht den Kontakt zu ihr, schmiegt seinen großen, schweren Kopf an ihren Körper. Den zarten Tüll drückt er sanft an ihren Bauch. Paulas Mund umspielt ein Lächeln. „Paula hat eine sehr gute Verbindung zu den Pferden. Das Wohl des Pferdes steht bei ihr im Mittelpunkt. Sie nimmt sich viel Zeit für sie“, erzählt Tabea Struck.

Paula Waskowiak und Djaibolo

Mit Blick in die Weite: Paula Waskowiak und Djaibolo, wie ihr Djamiro richtig heißt. Die beiden haben 2025 viel vor. (© Diana Wahl)

Wenn Paula Waskowiak ihre Alltagskleidung gegen ihr Trikot tauscht und im Trainingsraum steht, verändern sich ihre Bewegungen. Sie werden sicherer, kraftvoller. Denn beim Training am Movie ist sie ganz bei sich. Jeder Handgriff sitzt, jede Bewegung wirkt kraftvoll und doch fließend.

Vielseitiges Training: Paula Waskowiak

Sie scheint mit dem Movie zu verschmelzen, als die Töne ihrer Kürmusik erklingen, „La fin des temps“ heißt der Song, übersetzt „Das Ende der Zeit“. Pulsierend beginnt die Musik, schwer und bedrohlich mutet sie an. Dann wird sie hoffnungsvoller, leichter. „Das Lied beschreibt mein halbes Jahr im Krankenhaus sehr gut. Für mich hat es sich angefühlt, wie das Ende der Zeit. Ich wusste nicht, ob ich es schaffe. Wäre ich zu keinem weiteren Arzt gegangen, hätte es das auch gewesen sein können“, sagt Paula. Ihre Hände streichen über den Tüll. Ihre Oberarmmuskeln spannen sich dabei und zeichnen sich deutlich unter dem Trikot ab.

„Ich mag Kraftsport“, sagt Paula. Im Fitnessstudio arbeitet sie an ihrer Kraft, geht Joggen, um ihre Grundlagenausdauer zu verbessern, trainiert mehrmals pro Woche mit Pferd und übt am Movie. Mobilisationstraining und Co. kommen hinzu, außerdem kümmert sie sich um Djamiro. Ein Fulltime-Job. Dank Bundeswehr kann Paula ihn im Moment genauso leben. Paula turnt allein, nicht in der Gruppe. „Ich möchte allein für meine Leistung verantwortlich sein. Wenn ich einen Fehler mache, möchte ich dem Team nicht schaden“, sagt sie. Andersherum genauso.

Paula Waskowiak im Training.

Paula schließt die Augen als die ersten Töne ihrer neuen Kür-Musik im Turnraum erklingen. (© Diana Wahl)

Nach Winter kommt Frühling

„Paula ist Paula. Sie war schon immer positiv, zielstrebig und eine Kämpferin. Das zeichnet sie als Sportlerin aus, genau wie ihre mentale Stärke“, meint Jannis Drewell. Der Sport hat Paula geprägt und ihr im vergangenen Jahr geholfen. Ihr Ziel war es, wieder zu turnen. Es ist Frühling im WM-Jahr. Es ist die Zeit, um sich für das Championat zu empfehlen. Paula ist bereit. Denn nach Winter kommt Frühling.

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